“Die beste Methode das Leben angenehm zu verbringen, ist guten Kaffee zu trinken”, soll der anglo-irischer Erzähler Jonathan Swift einmal gesagt haben. Seit Jahrhunderten zieht das kastanienbraune bis karamellfarbene Getränk Genießer in seinen Bann. Dabei ist Kaffee nicht gleich Kaffee: Schokolade, Frucht, Nuss, süß, sauer oder doch etwas schärfer? Kaffeeröster können bei ihrem Handwerk eine Bandbreite an Geschmacksnoten herausarbeiten. Wir haben uns dazu beim Spezialitätencafé My Little Melbourne und der Budapester Rösterei Casino Mocca umgehört.
Kaffeerösterei Casino Mocca
“Vor gut sieben Jahren war ich das erste Mal in einem Spezialitätenladen für Kaffee – es war ein schockierendes Erlebnis. Der Filterkaffee aus Kenia wurde in einem Siphon zubereitet. Es war mein erster Kaffee mit einem Geschmacksspektrum und ich wusste, dass ich es mögen sollte, aber ich verstand es nicht”, berichtet Zoltán Kis, einer der Besitzer und Gründer der Kaffeerösterei Casino Mocca. “Ein paar Tassen später war ich verliebt. Ich kaufte eine Tüte der Bohnen. Noch nie hatte ich so viel Geld für Kaffee bezahlt. Ich ging nach Hause und versuchte mein Glück selbst. Natürlich machte ich alles falsch, aber meine Leidenschaft für Kaffee war geboren.” Nicht nur er, sondern auch seine Geschäftspartner Lajos Horváth und Szabolcs Temesvári sind – wie sie sich selber bezeichnen – Kaffeenerds. Gemeinsam mit ihnen eröffnete Zoltán Kis 2013 die Rösterei Casino Mocca.
Drei Freunde gründen eine Rösterei
Die drei Freunde haben vorher zu Hause selbst geröstet und an möglichst vielen Baristawettkämpfen teilgenommen. Nicht selten gingen sie als Sieger hervor. “Es war so weit, dass ich bei den Wettkämpfen nur noch meine daheim gerösteten Bohnen benutzt habe. Eines Abends setzten wir drei uns zusammen und kamen auf die fixe Idee eine eigene Kaffeerösterei für hochqualitativen Kaffee aufzumachen. In Budapest fehlte so etwas”, erzählt Zoltán Kis. Die drei Kaffeenerds fingen an, nach Räumlichkeiten zu suchen. Was für Kaffeeröstereien nicht einfach sei, so Kis. In der Innenstadt müssten Röstereien aufgrund des intensiven Kaffeegeruchs ein sehr teures Lüftungssystem nutzen, daher bietet es sich an, Räume im Industriegebiet oder am Stadtrand anzumieten.
“Nach gut einem halben Jahr Suche wurden wir fündig. Eine andere Kaffeerösterei schloss und hinterließ uns mit den Räumen auch einen Teil der Geräte. Darunter unsere prächtige Röstmaschine. Die „alte Dame“ läuft seit den 80ern und stammt aus Deutschland“, sagt Zoltán Kis strahlend. Ihre Kaffeebohnen beziehen sie von Großhändlern in ganz Europa. Deren Vertreter bereisen viele Kaffeeplantagen und probieren Hunderte Bohnensorten, bevor sie eine in ihren Handel aufnehmen. Obwohl das die Auswahl bereits reduziert, probieren die Inhaber der Casino Mocca je Großhändler gut 30 Bohnen. In der Kaffeerösterei Casino Mocca werden besonders gerne Bohnen aus Afrika, speziell Kenia verwendet – ihrer Auffassung nach haben sie den vielschichtigsten Geschmack. Alle zwei Wochen wird eine neue Bohne ausgesucht, dabei wird auf Saisonalität geachtet und nur solche Plantagen gewählt, auf der die jeweiligen Bohnen zu dieser Jahreszeit natürlich wachsen. “Man kann nicht vorhersehen, wie der Kaffee aus einer bestimmten Bohne schmecken wird, bis man ihn röstet. Der Geschmack kann bei der Röstung durch den Temperaturverlauf und die Dauer der Prozedur beeinflusst werden. In einer Bohne stecken tausend verschiedene Aromen, die der Röster wecken kann”, so Kis.
Kaffeerösten ist eine Philosphie für sich
Jeder Röster arbeite etwas anders, erklärt Kis. Daher sei es sehr schwer, zweimal dasselbe Röstergebnis zu erzielen. Wenn sich die Kaffeeliebhaber der Casino Mocca für eine Bohne entschieden haben, brauchen sie im Schnitt bis zu sechs Probedurchläufe, bis sie die passenden Röstarten für die Bohnen gefunden haben. Für den Prozess erstellen sie ein digitales Röstprofil – das heißt, dass während der Röstung die Temperatur gemessen wird. Der Röstmeister Lajos Horváth muss anhand dieses Temperaturprofils jede Röstung stetig überwachen und die Temperatur entsprechend anpassen.
Die Kaffeerösterei Casino Mocca vermarktet ihre Bohnen nicht nur in Ungarn, sondern weltweit. Nicht nur in Europa, auch in Asien kann man ihre Bohnen in Kaffeehäusern genießen. Für den privaten Gebrauch soll es bald einen Onlineshop geben. Wer jetzt schon den Kaffee bei sich zu Hause zubereiten möchte, kann montags zwischen 18 und 21 Uhr die Kaffeerösterei besuchen, sich informieren, kosten und natürlich Kaffeebohnen kaufen. Bald wird es noch eine zweite deutsche Röstmaschine aus den 60er-Jahren geben. Mehr will Kis jedoch über die Expansionpläne noch nicht verraten.
Rösterei Casino Mocca
Budapest, XI. Bezirk, Hunyadi János út 3, Gebäude G
Für individuelle Angebote Kontakt unter zoltan.kis@casinomocca.hu.
www.casinomocca.hu/
Spezialitätencafé My Little Melbourne
Auch My Little Melbourne hat bei seiner Eröffnung Bohnen des Casino Mocca als Gaströsterei genutzt. Der Hauskaffee des kleinen Cafés nahe dem Madách Imre tér entstammt der Londoner Rösterei Workshop. Zusätzlich gibt es alle paar Wochen einen Gastkaffee, meist aus Europa.
Wie alles begann…
Diána Balázsi und ihr Ehemann Péter haben seit 14 Jahren einen gemeinsamen Vertrieb, ein Geschäft für fast alles, was man sich vorstellen kann. Von Fahrrädern bis zu Orangen findet man alles mögliche – so auch Kaffeemaschinen und Danesi-Bohnen aus Italien. “Als wir 2012 zum Familienbesuch nach Melbourne fuhren, sehnten wir uns nach einem Wandel. Dieser Besuch sollte vieles in unserem Leben verändern”, erzählt Diána Balászi. Melbourne wird oft als kaffeebesessene Stadt beschrieben. Begriffe wie „Cold Drip“ und „AeroPress” gehören zum Sprachgebrauch. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass das Powerpärchen Balászi den Wunsch entwickelt hat, selbst ein Kaffeehaus nach australischem Vorbild zu eröffnen. Die Kaffeeliebe der Melbourner kennt keine Grenzen: Am Tag werden am Hafen durchschnittlich 30 Tonnen Kaffeebohnen abgefertigt. Das entspricht in etwa drei Millionen Tassen – genug, um jedem Einwohner im Großraum Melbourne zu seiner täglichen Dosis zu verhelfen.
“Auch wir mussten erst mal an den guten Kaffee herangeführt werden. Unseren ersten hochqualitativen Kaffee tranken wir im berühmten und ausgezeichneten “Bottle of Milk”. Es schmeckte vollkommen anders als alles, was wir vorher getrunken hatten”, erzählt Péter Balázsi. Als sie wieder nach Budapest zurückkehrten, stand fest, auch hier muss ein Melbourner Kaffeeladen her. 2012 eröffnete My Litttle Melbourne.
Im My Little Melbourne hört man “Loosing My Religion” von R.E.M., die Wände sind von Kaffeezubehör geschmückt und ein Duftgemisch aus warmer Milch, Kuchen und eben Kaffe steigt einem schon auf der kleinen Terrasse vor dem Laden in die Nase. In ihrem ersten Laden in der Madách Imre út verkauften sie zunächst nur typischen italienischen Kaffee. Doch schon bald wurden sie um einen Raum und ein Stück ihres Konzepts reicher. Als der Nachbarladen schloss, nutzten Diána und Péter Balázsi die Chance und eröffneten dort eine „Coffee brew“. Hier kann man aus gut sechs Bohnen und neun verschiedenen Zubereitungsarten für Filterkaffee wählen. Von der klassischen „French Press“ über „Aeropress“, verschiedene Handfilter wie Bonavita oder der V60 bis hin zum Siphon und weiteren – die „Cold brew“ nicht zu vergessen – ist alles mit dabei. Hier wird jeder Kaffeeliebhaber glücklich. “Unsere ausgebildeten Barista müssen jede Bohne mit jeder Zubereitungsart ausprobiert haben. So wissen sie, welche Bohne mit welcher Technik ihren Geschmack am besten entfaltet und können so unsere Kunden angemessen beraten”, erklärt Diána Balázsi. My Little Melbourne erfreut sich nicht nur an Lauf-, sondern auch einer üppigen Stammkundschaft.
Das Besitzerpaar besucht regelmäßig verschiedene Kaffeehäuser auf der ganzen Welt. Erst Anfang des Jahres besuchten sie 112 Cafés in Australien. Auch ihre Angestellten dürfen Kaffeemetropolen bereisen. Jeden Tag wird ein wenig Geld beiseitegelegt, sodass alle drei Monate zwei Baristas vom My Little Melbourne in eine neue Stadt reisen können. Sie besuchen Cafés und Röstereien, um sich fortzubilden und nach Gastbohnen zu suchen. Péter Balázsi erklärt: “Wir wollen etwas von dem Gefühl der besonders guten Cafés mit nach Hause bringen und in unseren eigenen Läden umsetzten. So sind diese Reisen für uns unerlässlich.”
Ein Cafè mit hauseigener Baristaschule
Inzwischen hat My Little Melbourne ein weiteres kleines Cafè in Buda eröffnet und bei zwei weiteren einen Teilbesitz. “Wir wollten von Anfang an das volle Programm und sind nicht nur stolze Besitzer von unserem Melbourne-Cafés, sondern auch von einer kleinen Baristaschule”, sagt Diána Balázsi. Jeder Barista müsse zunächst diese Schule durchlaufen. Die Kurse seien aber auch für andere offen. Nur rechtzeitig anmelden müsse man sich. In vier Tagen lernen die Schüler alles über Bohnen, Milch, und die verschiedenen Arten einen schmackhaften Kaffee zuzubereiten. Alle vier Tage oder einzeln können die Kurse gebucht werden.
Für die Zukunft ist viel geplant. Das Melbourne-Team hat einen neuen Zuwachs in der Familie. Eine hauseigene Röstmaschine. Bis jetzt werden nur Espressobohnen geröstet und ausgeschenkt. Das soll sich aber bald ändern. Bei der Röstung streben sie nicht nur eine Sortenvielfalt an, auch soll in größeren Mengen produziert werden, sodass es nicht nur zum Ausschank, sondern auch zum Bohnenverkauf reicht. Ab nächsten Monat bietet die Kaffeeinstitution zudem Verkostungen an. “Wir möchten unseren Kunden auch die Möglichkeit bieten, sich nicht nur technisch, sondern auch geschmacklich weiterzuentwickeln”, erzählt Diána Balázsi abschließend.
My Little Melbourne & Brew Bar / Baristaschule
Budapest, VII. Bezirk, Madách Imre út 3
Öffnungszeiten: 7 bis 19 Uhr
Reservierungen unter 0036 70 394 7002
This is Melbourne Too
Budapest, III. Bezirk, Záhony utca 7
Öffnungszeiten: 7 bis 19 Uhr
Reservierungen unter 0036 1 400 6982