Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel: Weltkonzerne wie Continental, Ericsson und Audi haben sich in Ungarn unter dem Namen ALLIANCE FOR THE FUTURE ENGINEERS (EJMSZ) zusammengetan, um sich für das Berufsfeld Ingenieur stark zu machen. Denn: Seit Jahren sinkt hier die Zahl der Berufstätigen. Die Budapester Zeitung sprach mit Vizepräsident Istvàn Wahl.
Herr Wahl, Sie sind nicht nur im Vorstand der ALLIANCE FOR THE FUTURE ENGINEERS, sondern auch Leiter des Qualitätsmanagementss des Entwicklungszentrums von Knorr-Bremse Fékrendszerek Kft. Wie erfahren Sie vom Fachkräftemangel in Ungarn?
Viele Unternehmen gründen kostengünstige Firmensitze in Ungarn – wie auch Knorr-Bremse Fékrendszerek Kft. Allerdings haben fast alle Probleme, für diese Zweigstellen ungarische Fachkräfte zu finden. Im Durchschnitt dauert es heute ein halbes Jahr, bis eine ausgeschriebene Ingenieurstelle besetzt wird. Das liegt nicht primär an der Ausbildung der Bewerber, sondern vielmehr an der geringen Anzahl. Auf Stellen, für die sich bis vor ein paar Jahren noch 50 Leute beworben haben, kommen heute vielleicht noch zehn. Im schlimmsten Fall kann das dann zu einer starken Fluktuation im Unternehmen generell führen, und nicht nur in der ungarischen Zweigstelle.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Ungarn wird als Außenstelle als immer weniger interessant angesehen. Derzeitige oder potenzielle Partner orientieren sich eher nach Asien oder Südamerika. Oft wird die Problematik des Fachkräftemangels auf den Lohn reduziert – das ist bei weitem aber nicht das einzige Problem.
Was glauben Sie, sind die Ursachen für den Fachkräftemangel?
Abgesehen davon, dass viele Ingenieure schon während des Studiums von ausländischen Firmen – auch von denjenigen mit einer Vertretung in Ungarn – abgeworben werden, liegt das Problem in der schulischen und universitären Ausbildung. In den letzten Jahrzehnten ist der Beruf des Ingenieurs immer unbeliebter geworden und hat an Stellenwert in der Gesellschaft verloren. Dabei ist er äußerst vielfältig und mit guten Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten verbunden. In den Schulen wird aber kaum über die verschiedenen Berufsgruppen informiert. Wer also nicht weiß, was ein Ingenieur macht, kann auch nicht behaupten, dass er einer werden möchte. Das andere Problem: An den Universitäten fehlt die Verzahnung mit der Praxis, denn ein ausstudierter Ingenieur besitzt in der Regel kaum praktische Erfahrungen im Betrieb und findet dementsprechend schwer eine vollwertige Anstellung. Die Kommunikation zwischen Ausbildungs- und Arbeitseinrichtung ist hier definitiv ausbaufähig.
Was muss sich in Zukunft ändern?
Da gibt es zahlreiche Bereiche, die ich nennen könnte. Neben der bereits erwähnten verbesserungswürdigen Kommunikation zwischen Universität und potenzieller Arbeitsstelle betrifft das auch die Bezahlung. Wie in vielen anderen Berufen sollte sie wenigstens etwas angepasst werden, sodass auch ein Ingenieur in der Lage ist, eine Familie anständig zu ernähren. Die richtige Balance muss hier jedoch noch gefunden werden. Eindeutig muss sich die Aufklärung über das Berufsfeld ändern – und das am besten schon in der Schule. Kommunikation ist nicht zu unterschätzen.
Wie geht die ALLIANCE FOR THE FUTURE ENGINEERS gegen diesen Fachkräftemangel vor?
Aufklärung, Bildung und Forschung stehen hier im Vordergrund. Gemeinsam können wir einen größeren Effekt haben und uns gegenseitig unterstützen. Wir organisieren zum Beispiel Unterrichtseinheiten, in denen wir Schüler über das Berufsfeld und die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium eines Ingenieurs aufklären. Schüler der Partnerlehreinrichtungen werden auch regelmäßig in Betriebe eingeladen. In Zusammenarbeit mit der Regierung bieten wir zudem Workshops in verschiedenen Städten an. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit Dozenten und dem Bildungsminister zusammen, um zu ermitteln, was sich sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis in Zukunft ändern muss. Nur auf diese Art kann das Berufsfeld attraktiver werden.
Hatte das Come-Home-Programm (Gyere haza) einen sichtbaren Einfluss?
Nein, bisher hatte es leider noch keinen merkbaren Impact. Die Idee ist jedoch gut, und ein spezielles Programm für Ingenieure wäre auch für die ALLIANCE FOR THE FUTURE ENGINEERS interessant.