„Wer nach Designerkleidung sucht und das zu einem unschlagbaren Preis, ist in Ungarn genau richtig“, so Stacey Kosachova, die seit sechs Jahren in Ungarn lebt. Beinahe ebenso lange betreibt die junge Ukrainerin ihren eigenen Fashionblog, der einer von wenigen englischsprachigen Blogs zum Thema Mode in Ungarn ist. Auf Budapester Fashionshows ist Stacey ein häufig gesehener Gast, als Style-Beraterin und Personal Shopper verdient sich die 23-jährige ein Zubrot und seit einigen Wochen betreibt die ambitionierte junge Frau auch ihren eigenen „Exchange Point“ für hochwertige Kleidungsstücke aus zweiter Hand.
Man muss erst den Hof durchqueren, bevor man die Hinterhauswohnung in der Falk Miksa utca erreicht, in der Stacey Kosachova regelmäßig ihre sogenannten „Gardróbvásár“ – eine Art privat organisierte Kleiderbörse – veranstaltet. In Budapest werden diese immer beliebter, jedes Wochenende finden an verschiedenen Stellen der Stadt mindestens drei Veranstaltungen dieser Art statt. Was Staceys Seconhand-Verkauf besonders macht, ist, dass sie vor allem Kleider namhafter Marken, wie etwa Ted Baker, Miss Sixty, Replay, Ferre oder Dolce & Gabbana vorrätig hat. Die Kleider stammen nicht aus Staceys eigenem Kleiderschrank, sondern aus dem ihrer wohlbetuchten Klienten. Die junge Ukrainerin, die seit zwei Jahren in Budapest lebt, ist Einkaufs- und Stilberaterin. Doch oft müssen die Damen, die sie berät, zunächst einmal Platz in ihrem Kleiderschrank schaffen. „Man kann es kaum glauben, wie viel Sachen manche Menschen in ihren Schränken sammeln. Kleider, die nie getragen wurden, weil sie nach dem Kauf doch nicht gepasst oder nicht mehr gefallen haben“, staunt Stacey. Mit ihrer Designerkleiderbörse führt Stacey diese Kleidungsstücke neuen Besitzerinnen zu.
Mit 16 an die Uni in Debrecen
2010 kam Stacey für ihr Studium nach Debrecen in Ostungarn. Damals war die geborene Kiewerin gerade 16 Jahre alt. „Immer wenn ich das erzähle, reagieren alle ganz erstaunt“, erzählt Stacey, dabei ist, was in Deutschland nur in Ausnahmefällen möglich wäre, für Stacey und andere junge Menschen ihrer Generation ein häufiges Phänomen. „Eine Zeit lang gab es in der Ukraine keine vierte Klasse, deshalb haben viele meiner Klassenkameraden mit 17 die Schule beendet. Ich wurde allerdings schon mit fünf eingeschult.“ Was sich nach einer tollen Partystory anhört, war für die damals 16-Jährige ein Hindernis bei der Studienwahl. „Ich wusste seit Jahren, dass ich nach der Schule ins Ausland gehen will. Doch nur in der Tschechischen Republik und Ungarn war es möglich, sich mit 16 in die Uni einzuschreiben.“ Für Ungarn hat sie sich nicht nur entschieden, weil ihre große Schwester bereits hier lebt und auch die Familie eine enge Bindung zu dem Land hat, erzählt Stacey, sondern des Bildungssystems wegen: „Es ist in der Ukraine unmöglich zu studieren, ohne deine Lehrer in irgendeiner Form zu bestechen.“ Aber auch die Freundlichkeit und Offenheit der Ungarn und die entspannte Atmosphäre der Universitätsstadt Debrecen haben sie überzeugt.

Neben Kleidern, Hosen, Shirts und Jacken verkauft Stacey
in ihrer Designerkleiderbörse auch Schuhe und Designertaschen.
„Mode ist eine Form der Kommunikation“
Seit sie denken kann, hat Mode schon immer eine große Faszination auf Stacey ausgeübt. „Ich denke, meine Mutter hat mich da sehr beeinflusst. Sie ist eine sehr kreative Person, die Kunst, Designerkleidungsstücke und sogar Vintage-Handtaschen sammelt. Hauptsächlich arbeitet sie als Galeristin, aber nebenbei war sie auch immer als Stylistin tätig. Schon als Kind hat sie mir immer Styling-Tipps verraten. Auf manche davon baue ich noch heute“, erinnert sich Stacey. Mode ist für die junge Ukrainerin eine Form der Kommunikation: „Natürlich gibt es offensichtliche Gründe, sich zu kleiden. Wir wollen uns bedecken und uns vor der Kälte schützen, doch ich denke, Kleidung ist oft auch ein Statement. Manchmal hilft sie auch, zu Menschen eine Bindung aufzubauen. Ich bin zum Beispiel sehr schüchtern, insbesondere wenn ich neue Menschen treffe, doch wenn jemand eine tolle Weste trägt, dann gehe ich einfach auf ihn zu und sage es, so beginnt dann eine Unterhaltung.“ Erst als Stacey nach Ungarn zieht, startet sie ihren eigenen Fashionblog und zeigt auf Instagram, aber auch auf ihrer eigenen Webseite, welche Neuheiten der Modewelt sie bewegen. „Damals war Instagram noch neu in Ungarn und so war ich eine der Ersten, die ihre Bilder mit #Debrecen markiert hat. Nach und nach bekam ich immer mehr Follower.
„Viele Menschen sind offen für eine Stilberatung“
Eines Tages wurde Stacey von einer Leserin mit der Bitte angeschrieben, ob sie ihr nicht beim Aussuchen eines Ballkleides helfen könne. „Ich war ein bisschen schockiert. Wir kannten uns ja schließlich nicht.“ Trotzdem entschied sich Stacey, der Frau bei ihrem modischen Notfall zur Seite zu stehen. In Debrecen gestaltete sich das nicht einfach: „Es gibt dort nicht viele Läden und nur einen, der sich auf Festkleider spezialisiert. Damals habe ich zum ersten Mal Secondhandläden ins Auge gefasst“, erinnert sich Stacey. „Zum Schluss haben wir für sie ein Vintage-Designerkleid gefunden, in dem sie aussah wie Audrey Hepburn.“ Seitdem hat Stacey noch vielen weiteren Frauen geholfen, Kleidung für den besonderen Anlass oder ihren persönlichen Stil zu finden. „Viele Menschen, aber insbesondere Internationals sind erstaunlich offen für eine persönliche Stilberatung“, stellte Stacey damals fest.
Selbst Mode designen, wolle die junge Ukrainerin jedoch nie: „Ich will nicht diejenige sein, die die Kleider entwirft und schneidert, aber ich will Menschen kleiden und ihnen Tipps geben, wie sie ihren eigenen Stil finden können.“ Worauf es ankäme, verrät Stacey, ist, dass sich die Menschen in ihrer Haut wohlfühlen. „Kleidung, die zu dir passt, sollte dich selbstbewusster erscheinen lassen.“ Auf der anderen Seite sei es aber auch wichtig, sich seines Lebensstils und seines Alters gemäß zu kleiden: „Viele wollen jünger erscheinen und ziehen sich deshalb in einer Art an, die nicht ihrer Altersgruppe entspricht. Was sie nicht wissen, ist, dass sie dadurch noch älter wirken.“
Dank Entrümpelung zur „Capsule Wardrobe“
Wenn Stacey eine neue Klientin berät, dann trifft sie sich zunächst mir ihr auf einen Kaffee. „Wir reden dann darüber, wie ihr Leben aussieht. Ist sie Mutter, muss sie jeden Tag ins Büro, treibt sie Sport? Das bestimmt, wie ihre Garderobe aussehen sollte. Wir reden auch über Vorlieben, über Lieblingsfarben und darüber, welche Bereiche ihres Körpers sie betonen und welche sie lieber kaschieren möchte. Als Nächstes treffen wir uns bei ihr Daheim und schauen, was sie schon im Kleiderschrank hat und was sie noch braucht. Hier fängt dann oft das Entrümpeln an. Man sollte immer erst im eigenen Schrank shoppen, bevor man in den Laden geht. Wir gehen durch jedes Kleidungsstück und schauen: Passt es noch? Wozu passt es? Passt es zum eigenen Stil?“ Doch nicht allen Frauen fällt es leicht, sich von einmal gekauften Kleidungsstücken zu trennen: „Manche sind aber wirklich radikal und fällen in Sekundenschnelle die Entscheidung, sich von der Hälfte ihres Kleiderschrankes zu trennen“, schildert Stacey. „Andere können sich von keinem einzigen Stück verabschieden, selbst dann, wenn es nicht mehr passt oder kaputt ist.“ Stacey rät ihren Klientinnen zum Aufbau einer „Capsule Wardrobe“, also einer Basisausstattung im Kleiderschrank. Dazu gehören für Stacey 40 Kleidungsstücke, die sich alle untereinander kombinieren lassen. „Das Gute ist, dass man nicht mehr vor dem Kleiderschrank steht und nicht weiß, was man anziehen soll, weil nichts zueinanderpasst. Es bieten sich immer zwei oder drei Optionen an“, bewirbt Stacey die Vorzüge einer „Capsule Wardrobe“.
Ist der heimische Kleidervorrat „ausgemistet“, geht die junge Ukrainerin zunächst Pre-Shoppen. Dabei wählt sie Kleider aus, von denen sie glaubt, dass sie den Frauen steht sowie zu ihren vorhandenen Kleidern passt und lässt sie im Laden in der entsprechenden Kleidergröße hinterlegen. „Meistens gehe ich dann mit den Frauen in die Läden, um die Sachen anzuprobieren. Es gibt natürlich auch Frauen, die dafür keine Zeit haben. Denen bringe ich die Kleider dann zum Anprobieren nach Hause. Aber es ist besser, wenn die Frauen mitkommen. Ich lasse sie dann Kleidungsstücke auswählen und erkläre, warum ein Stück gut oder warum ein anderes nicht so gut zu ihnen passt.“ Neben den internationalen Marken mag Stacey auch die Budapester Designlabels, wie beispielsweise Kata Szegedi, Used Unused, Napsvgar oder Anh Tuan. Doch wirklich aufregend ist für sie das Shoppen in Secondhandläden: „Hier findet man verborgene Schätze – zum Beispiel Vintage-Designerstücke.“
Auf ihren zahlreichen Streifzügen durch Secondhand-Boutiquen hat Stacey auch viel für ihre eigene Kleiderbörse lernen können: „Es ist wichtig, dass man eine gute Atmosphäre schafft, in der sich die Leute wohlfühlen. Ich dekoriere und versuche, die Produkte möglichst attraktiv zu arrangieren. Ich sorge für gutes Licht und biete Getränke an. Die Leute mögen mein Konzept, weil sie wissen, dass es sich hier wirklich um hochwertige Sachen handelt, die nicht aus irgendeinem Kleidersack stammen, sondern von Menschen, die ich persönlich kennengelernt habe. Außerdem sind die meisten Sachen in meiner Kleiderbörse noch in ungetragenem Zustand. Darauf achte ich und sortiere vorher alle Stücke aus“, erklärt Stacey bestimmt. „Außerdem veranstalte ich Themenverkaufstage, zum Beispiel für teurere Designerstücke oder für Vintage-Kleidung.“
Folgen Sie Stacey Kosachova auf ihrem Modeblog MYOFS (Make Your Own Fashion Show) unter www.staceyko.blogspot.hu/ oder auf Instagram unter dem Nutzernamen stacey_ko. Am 7. Mai veranstaltet Stacey in der Falk Miksa utca 7 im VI. Bezirk ihren nächsten Gardróbvásár. Für eine persönliche Stilberatung kontaktieren Sie sie unter myofs.blog@gmail.com.
Katrin Holtz