„…es gab jedoch ein Dorf voller Unbeugsamer, das erbitterten Widerstand leistete…“ Dieser Anfangssatz der Asterix-Comics passt auch zu den auf rumänischem Boden lebenden Széklern, die sich immer wieder gegen die rumänische Regierungsobrigkeit auflehnen. Sie scheinen auch dann unbeugsam, wenn es um die Erlaubnis zum Brauen des „Echten Csíker Bieres“ geht, bei dem vor Gericht zwar nicht gegen die Römer, aber gegen Niederländer gestritten wird.
Die Székler sind eine rund um das Karpatengebirge lebende ungarischsprachige Volksgruppe, zu der weltweit knapp eine Million und in Rumänien etwa 660.000 Menschen zählen. Sie sind ebenso stolze ungarische Patrioten, wie die Ungarn, und nutzen jede Gelegenheit, um dies zu demonstrieren und Autonomie für das „Szeklerland“ (ung. Székelyföld, rum. Tinutul Secuiesc) zu fordern.
Ebenso wie bei ihren Speisen und Bräuchen verfügen die Szekler auch in Sachen Bierbrauen über eine eigene, lange Tradition. Das aktuell in den Medien präsente „Csíker Bier“ (Csíki sör) etwa wird Wikipedia zufolge bereits seit 1516 in der Brauerei in Csíkszentsimon nach dem damaligen bayrischen, heute deutschen Reinheitsgebot gebraut. Es gibt jedoch auch Aufzeichnungen auf Alt-Ungarisch von Mönchen über andere Sorten und Brauereien aus den Jahren 1584, 1659 und 1727, bevor ab den 1860er Jahren durch die aus dem Sudetenland übersiedelte Familie Romfeld die industrielle Produktion begann.
1974 wurde in Csíkszereda eine Brauerei errichtet, die 1993 der niederländische Heineken-Konzern übernahm und die seit 2003 das „Ciuc Premium“ (ung. Csík Prémium) braut und vertreibt; seit 2007/08 ist „Ciuc Premium“ rechtlich geschützt. Die Brauerei in Csíkszentsimon unter der Leitung des Szeklers András Lenárd wiederum ließ 2013 den ungarischen Markennamen ihres Gerstensaftes, „Csíki Sör“ (dt.: Csíker Bier) beziehungsweise „Igazi Csíki Sör“ (dt.: Echtes Csíker Bier), namensrechtlich schützen, bevor es im November 2014 auf den Markt kam. Im selben Jahr ließ Heineken auch den ungarischen Namen „Csíki Prémium“ schützen. Aufgrund der starken Ähnlichkeit der ungarischen Produktnamen war ein Konflikt zwischen beiden Herstellern vorprogrammiert.
Widersprüchliche Urteile
Anfang 2015 versuchte Heineken per Gerichtsbeschluss eine sofortige Schließung der Szekler Brauerei durchzusetzen, doch das Tafelgericht in Suceava wies den entsprechenden Antrag zurück. Es folgte eine Klage von Heineken vor dem Gerichtshof des rumänischen Kreises Hargita gegen den Markennamen des Konkurrenzproduktes.
Das Gericht in Hargita entschied in erster Instanz zugunsten von Heineken und untersagte Lenárds Unternehmen die Nutzung des Markennamens „Igazi Csíki Sör“. Doch dieser ging in Berufung, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig wurde. Das europäische Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (OHIM), wo Heineken ebenfalls geklagt hatte, urteilte wiederum zugunsten der Szekler Brauerei und wies den Antrag von Heineken auf Streichung des Markenschutzes für „Igazi Csíki Sör“ zurück.
Lenárd formulierte damals gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, dass der große Konkurrent Angst habe, dass die Menschen sein Bier probieren und merken, dass es einen großen Unterschied zwischen Gerstensäften aus Industrieproduktion und jenen aus Mikrobrauereien gibt. Deswegen der ganze Aufruhr, so der Unternehmer, der den Unterschied zwischen den beiden Betrieben so beschrieb: „Heineken produziert mit seinen 50.000 Angestellten weltweit das Tausendfache unserer 50 Mitarbeiter; in seiner Brauerei in Csíkszereda an einem Tag so viel wie wir in einem ganzen Jahr. Wir sind ein Floh auf einem Elefanten, haben aber Wachstumspotenzial, und das ist es, was sie fürchten.“
Lieferung per Drohne
Bezüglich Letzterem spricht tatsächlich für Lenárd nicht nur, dass seine Brauerei aufgrund steigenden Interesses an der Kapazitätsgrenze produziert (im Sommer soll der zweite Betrieb eröffnen), man Wartelisten für Kunden einführen musste sowie dass das Getränk auch in Budapest angekommen ist. Lenárd gründete zudem 2015 mit „Spider Drone Security“ ein Unternehmen, das sich mit Drohnen-Technologie beschäftigt und mit 2 Stunden 6 Minuten den Weltrekord für die längste Drohnen-Flugzeit hält. Ferner gehört ihm auch ein Wasserkraftwerk, das den Drohnen Energie verschafft. Wie ein aktuelles Unternehmensvideo beweist, experimentiert Lenárd nun mit der Auslieferung des Igazi Csíki Sör per Drohne – was laut seinem Partner Attila Bustya den Preis um bis zu 60 Prozent im Vergleich zu einer ihrer Flaschen im Geschäft drücken soll. Einzig die noch nicht vorhandene rechtliche Regelung des Drohnenverkehrs in Rumänien halte sie noch auf.
Interessanter Eigentümerhintergrund
Im Dezember 2014 hatte Igazi Csíki Sör einen drolligen Zeichentrick-Werbespot veröffentlicht. Dort wird in idyllischer Natur ein typischer Szekler gezeigt, der sein Csíker Bier im Bach kühlt und plötzlich mit einem Bären um dieses kämpfen muss. Im September 2015, während also bereits das Verfahren gegen Heineken lief, legte man nach: in der Fortsetzung läuft der Kampf immer noch, während sich im Hintergrund ein anderer Mann die Flasche greifen will. Es ist recht deutlich, wen der gezeichnete Dieb darstellen soll, dennoch weist der Bär den Szekler darauf hin, dass „der Holländer“ sein Bier stehlen wolle. Auf einmal stellen die beiden zusammen den Täter, es setzt eine kräftige Ohrfeige, die den Holländer aus seinen Holzschuhen haut, der Bär und der Szekler gehen zufrieden davon. „Der Bär ist auf unserer Seite“, klingt es auf dem Off. Aufgrund der Werbung fand Igazi Csíki Sör weitere neue Anhänger, die gegen Heineken die Daumen drücken und dessen Produkte nun boykottieren.
Die Werbung und die immer wieder von Lenárd betonte Tatsache, dass die kleine Brauerei 50 Szeklern Arbeit gibt, verleitet dazu, sich auf die Seite der Kleinen zu schlagen; die so tapfer ihre eigene Bierbrau-Tradition gegenüber dem niederländischen Riesen verteidigen, dass sie sogar vor Gericht ziehen. Schnell könnte man den Konflikt auf Szeklerland vs. Niederlande reduzieren, doch das ungarische Enthüllungsportal Átlátszó offenbarte im Juli 2015, dass die Eigentumsverhältnisse dies nicht zulassen würden: Die Manufaktur in Csíkszentsimon wird betrieben von der S.C. Lixid Project S.R.L.; diese wiederum gehört zur Hälfte Lenárd – und zur Hälfte der in Rotterdam sitzenden Lixid Holding BV. Laut hvg.hu und Átlátszó war dies ein geschickter Schachzug Lenárds, denn bei einem möglichen – auf ein anderes noch ausstehendes Urteil des OHIM folgenden – Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof stünde dann ein niederländischer Konzern einem zum Teil niederländischen Unternehmen gegenüber, was die Chancen von letzterem erhöhe.