Wirtschaftslage und Aussichten werden günstig eingeschätzt, spürbare Defizite bleiben im wirtschaftspolitischen Umfeld, die größten Risiken für den Standort aber birgt der deutlich gestiegene Fachkräftemangel. Diese Ergebnisse erbrachte die bereits traditionelle Befragung von deutschen und anderen ausländischen Investoren durch die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer.
Es ist bereits der 22. Konjunkturbericht, den die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer (DUIHK) dieser Tage vorlegte. In diesem Jahr beteiligten sich 227 Unternehmen an der daher recht repräsentativen Umfrage, die im Februar durchgeführt wurde. Da nahezu die Hälfte der Direktinvestitionen in Ungarn aus reinvestierten Gewinnen der bereits ansässigen Unternehmen stammt, sollte die Wirtschaftspolitik die Wahrnehmungen „ihrer“ Wachstumsträger aus dem deutschsprachigen Ausland ernst nehmen.
Die gegenwärtige Wirtschaftslage des Landes wurde von 31 Prozent der befragten Unternehmen als gut bezeichnet – ein so gutes Verhältnis wurde seit 2005 nicht mehr erreicht! Sahen die deutschen Unternehmen in den ersten vier Jahren der Orbán-Regierung seit 2010 keine Verbesserung der Wirtschaftslage, hat sich dies seit 2014 tendenziell geändert. In jenem Jahr sah jedes zehnte Unternehmen eine gute allgemeine Lage, 2015 war es bereits jedes fünfte, nunmehr beinahe jedes dritte. Was die Aussichten anbelangt, stagniert das optimistische Drittel derweil seit drei Jahren. Die Geschäftslage des eigenen Unternehmens wird gewöhnlich positiver beurteilt, dennoch sind 52 Prozent für eine gute und nur 7 Prozent für eine schlechte Geschäftslage rekordverdächtig. Dabei haben verarbeitendes Gewerbe und Großunternehmen den Durchschnitt kräftig angehoben, im Dienstleistungssektor und bei Kleinfirmen ist die Euphorie verhaltener.
Bei den eigenen Geschäftserwartungen rechnen nur 42 Prozent mit einer weiteren Besserung in 2016, wobei kritischer als die Umsatzentwicklung die Exporterwartungen beäugt werden. Was die Umsätze anbelangt, macht sich der Handel die wenigsten Gedanken, im Exportgeschäft glauben derweil das verarbeitende Gewerbe und Mittelständler besonders punkten zu können. Letzteres bleibt 2016 in den Prognosen relevanter Institutionen ein Wachstumsträger: Von der Ungarischen Nationalbank (MNB) bis zum Internationalen Währungsfonds (IWF) rechnen alle mit 6-7 Prozent Exportzuwachs. Dabei wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch um 2,5 Prozent wachsen.
Was mit den Investitionserwartungen zu tun hat, die von der EU-Kommission im negativen Bereich befürchtet werden. Die MNB-Experten hoffen zwar, dass Ungarn die Flaute beim Zufluss von Fördermitteln aus Brüssel mit einer stagnierenden Investitionskennziffer überstehen kann, doch wäre das auch nicht mehr als ein Trostpflaster. Umso erfreulicher, dass 38 Prozent der von der DUIHK befragten Unternehmen ihre Investitionen hochzuschrauben gedenken und nur 15 Prozent an dieser Position sparen werden. Damit ergibt sich in dieser Rubrik der beste Saldo positiver und negativer Antworten seit 2001. Eine überdurchschnittlich hohe Investitionsbereitschaft zeigen das verarbeitende Gewerbe beziehungsweise Mittelständler und Großunternehmen, die überwiegend für Exportmärkte produzieren.
Nach dem Saldo ergibt sich auch bei den Beschäftigungsplänen die beste Relation seit 2001. Gleich 43 Prozent der Befragten planen eine Personalaufstockung und nur 14 Prozent einen Personalabbau. Die größte Nachfrage geht von Exporteuren des verarbeitenden Gewerbes aus. Allerdings decken sich die Investitionspläne nicht in jedem Fall mit den Beschäftigungsplänen: Nur zwei Drittel der investitionsbereiten Unternehmen wollen auch mehr Personal, doch beinahe so viele Firmen brauchen mehr Arbeitskräfte, ohne ihr Investitionsbudget aufzustocken.
Berechenbarkeit macht zufrieden
Ein wesentlicher Punkt für Investoren ist die Standortqualität, weshalb die Kammer der Untersuchung von Aspekten wie Arbeitsmarkt, operatives Geschäftsumfeld und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sehr viel Platz einräumt. Allgemein kann vorangestellt werden, dass die Unternehmen mit dem Arbeitsmarkt weniger zufrieden als in den Vorjahren sind, während sie sich mit der Wirtschaftspolitik dieser Regierung zunehmend „anfreunden“. Dabei gilt es schon als großes Wort, dass die Unternehmen seit der letzten Umfrage kaum noch wirtschaftspolitische „Überraschungen“ erleben mussten. Vor einem Jahr sorgte beispielsweise das gerade im Januar, unter chaotischen Begleitumständen eingeführte elektronische Frachtkontrollsystem (EKÁER) für (negative) Schlagzeilen.
In diesem Sinne gab es bei den Durchschnittswerten für die Berechenbarkeit den deutlichsten Zufriedenheits-Gewinn. Zwar betrachtet auch weiterhin nur jeder achte Investor die Wirtschaftspolitik als berechenbar, doch ist das Lager der diese als unberechenbar deklarierenden Unternehmen von einst zwei Dritteln auf ein Viertel geschrumpft. Politische Stabilität und Rechtssicherheit, Steuersystem und Steuerbelastung sind weitere Punkte, die markant besser als im Vorjahr bewertet werden. Die DUIHK merkt jedoch an, dass „kleine Firmen offenbar mehr unter mangelnder Rechtssicherheit leiden, als mittlere und große Unternehmen“.
Korruption ist allgegenwärtig
Die Einschätzung der von der Regierung verrichteten Arbeit bewegt sich im Werturteil der ausländischen Unternehmen spürbar weg von „schlecht“ zu „befriedigend“. Das aber nimmt sich schon positiv aus neben den typisch ungarischen Kritikpunkten Korruption, fehlende Transparenz der öffentlichen Vergabe und Verwaltung. In punkto Korruption sind nach wie vor drei von vier Unternehmen unzufrieden – das sind übrigens genauso viele wie beim Amts antritt der zweiten Orbán-Regierung 2010 und signifikant mehr als zur Zeit der sozialistisch- liberalen Medgyessy-Regierung! Laut Umfrage ist die Korruption allgegenwärtig, also unabhängig von Größe, Branche oder Sitz des befragten Unternehmens.
Bei der Auftragsvergabe belastet der Mangel an Transparenz wiederum kleinere Firmen sowie Unternehmen des Handels- und des Dienstleistungssektors stärker. In Verwaltungsfragen kommt der Bürokratieabbau vor allem deshalb nicht voran, weil positive Maßnahmen immer wieder durch zusätzliche Belastungen auf anderen Gebieten „kompensiert“, die positiven Effekte somit ausgelöscht werden. Dennoch schneidet die Verwaltung mit Gesamtnote 3,5 ganz anständig ab, gemessen an Note 4 für Berechenbarkeit der Wirtschaftspolitik, Transparenz von öffentlicher Vergabe oder gar Bekämpfung von Korruption.
Konsolidierte Steuerpolitik offenbart ungarisches Phänomen
Mit Steuersystem und -behörden ist nur noch jedes zweite Unternehmen unzufrieden – und damit bereits der beste Wert erzielt. Die Höhe der Steuerbelastungen stimmt sogar „nur noch“ 45 Prozent der Befragten unzufrieden; abgesehen vom euphorischen Umfragejahr 2011, als die Manager nur wenige Monate nach ihrem Amtsantritt noch den Worten der Orbán-Regierung Glauben schenkten, ist dies ein Rekordwert, wie er auch zu Zeiten der linksliberalen Regierungen in Ungarn nicht machbar war.
Dabei verweist die DUIHK auf den bemerkenswerten Umstand, dass es 2015 und 2016 gar keine substantiellen Steuererleichterungen gab. Es handelt sich um ein weiteres ungarisches Phänomen: Schon allein die konsolidierte Steuerpolitik nach den häufigen und oft erheblichen Veränderungen der Vorjahre sorgt für bessere Stimmung. Diese kommt auch bei EU-Fördermitteln auf, denn der Zugang zu solchen wurde so positiv wie seit 2006 nicht mehr bewertet. Und das ist nicht irrelevant, wenn zum Beispiel im verarbeitenden Gewerbe nahezu jedes dritte Unternehmen angibt, dass Investitionsentscheidungen „in starkem Maße“ durch die Gewährung von Beihilfen beeinflusst werden. Ein Ausbleiben solcher Förderungen könnte daher Investitionen verzögern, möglicherweise sogar ganz vereiteln oder eine Verlagerung in ein anderes Land bewirken, resümiert die Kammer.
Neuen Anlass zur Sorge gibt derweil die Entwicklung am Arbeitsmarkt, war doch das Arbeitskräftepotential immer einer der wichtigsten Standortvorteile Ungarns im internationalen Wettbewerb. Zum ersten Mal überhaupt ist mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer (54 Prozent) unzufrieden mit der Verfügbarkeit von Fachkräften; gegenüber 2010/11 hat sich ihre Zahl verdoppelt. Besonders stark ausgeprägt ist der Mangel bei großen, exportorientierten Unternehmen, vor allem in Transdanubien. Die DUIHK hat eine eindeutige Korrelation gefunden: Unternehmen, die mit dem Fachkräfteangebot zufrieden sind, zeigen eine wesentlich höhere Investitionsneigung. Daraus leiten sich die Forderungen ab, die Bildungssysteme (noch stärker) auf die Erfordernisse der Wirtschaft auszurichten bzw. die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte gen Westen einzudämmen, was neben reduzierten Einkommensunterschieden auch über andere, nicht primär materielle Faktoren möglich sei.
Vermutlich parallel zum Fachkräftemangel hat sich die Beurteilung der Qualifikation der Beschäftigten leicht verschlechtert; mittlerweile sieht jedes fünfte Unternehmen diese kritisch (im verarbeitenden Gewerbe ist es sogar jedes dritte). Trotz eingeleiteter Reform der Berufsausbildung erhielt dieses System schlechte Noten: Beinahe jeder zweite Befragte zeigt Bedenken. Die Kammer erklärt dies neben Anlaufschwierigkeiten mit dem Mehraufwand, der sich reformbedingt bei den Firmen ergibt, ohne sich bislang in Ergebnissen niederzuschlagen.
Kostenanstieg bitte einkalkulieren!
Hinsichtlich Arbeitskosten und Produktivität sind die Umfrageteilnehmer weiterhin mehrheitlich zufrieden. Kostendruck sieht am ehesten der Dienstleistungssektor, allgemein wird ein Kostenanstieg um knapp 5 Prozent einkalkuliert. Bei einem Viertel des deutschen Kostenniveaus zeigt sich ein weiterer klarer Zusammenhang: Der Handel will die Löhne am wenigsten erhöhen, klagt aber zugleich über die unzureichende Verfügbarkeit von Fachkräften.
Im operativen Geschäftsumfeld gilt die gut ausgebaute Infrastruktur als eindeutiger Standortvorteil Ungarns, mit der beinahe die Hälfte der Unternehmen zufrieden ist. Auch die Zahlungsdisziplin verbessert sich; hier überwiegt mit 30 Prozent zum ersten Mal überhaupt der Anteil zufriedener Firmen. Gute lokale Zulieferer sind schwer zu finden; beinahe jeder vierte Befragte klagt bezüglich Verfügbarkeit oder Qualität. Was die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung betrifft, sinkt der Anteil der unzufriedenen Firmen, liegt aber mit rund 30 Prozent noch immer doppelt so hoch, wie der Anteil der zufriedenen Firmen.
Der vollständige Konjunkturbericht kann kostenlos von der Interseite der DUIHK unter www.ahkungarn.hu heruntergeladen werden.
In der kommenden Woche zeigen wir die Ergebnisse des Konjunkturberichts der DUIHK eingebettet in die Region Mittelosteuropa.
Na, dann ist es aber verwunderlich, dass man erneut in Ost-Ungarn 580 Mill. Euro investiert.Nur Gewinnoptimierung kann es nicht sein.Stimmt, da ist man schlauer und bildet seine eignen Leute aus http://gyar.mercedes-benz.hu/nachrichten/1010