Der ungarische Zoologe Ottó Herman sagte einmal: „Es gibt zahlreiche Begebenheiten, bei denen auch ernsthafte Menschen sich an Vögeln erfreuen können.“ Ob Herman wohl jemals versucht hat, mit dem Fahrrad einer Taube auszuweichen? Den meisten Menschen jedenfalls sind Vögel in der Stadt eher ein Ärgernis. Der erst vor Kurzem mit dem André-Kertész-Preis ausgezeichnete Fotograf István Fazekas hat das Zusammenleben mit unseren gefiederten Freunden in Budapest einmal genau unter die Linse seiner Kamera genommen. Noch bis zum 15. Mai können die dabei entstandenen Bilder im Mai Manó Haus besichtigt werden.
Obwohl sich Fazekas in seiner Funktion als Pressefotograf bei der Wochenzeitung Hvg sonst eher mit der Flüchtlingskrise, politischen Akteuren oder Weltereignissen befasst, ist der Hauptakteur seiner aktuellen Ausstellung „Budapest aus der Vogelperspektive“ die geflügelte Gemeinde der ungarischen Hauptstadt. Sie verleiht seinen Motiven, die Szenen aus dem täglichen Budapester Leben zeigen, Dynamik. Die Vögel sind es auch, die den Straßen, den Plätzen oder etwa dem vom Nebel verhangenen Himmel vor dem Parlament in Fazekas‘ Bildern Leben einhauchen.
Vögel sind nicht die dankbarsten Fotomodelle – sie halten selten für die Linse still, daher ringt es einem beim Betrachten der Fotografien gezwungenermaßen Bewunderung für Fazekas unnachahmliches Timing ab. Dies gilt insbesondere für das Titelbild der Ausstellung, welches eine Taube beim Landeanflug am Donauufer nahe der Kettenbrücke zeigt. Doch Fazekas ist es auch gelungen, die gefiederten Zeitgenossen in scheinbar ungewöhnlichen beinahe menschlichen Posen, beispielsweise beim ordnungsgemäßen Überqueren der Straße auf dem Zebrastreifen, festzuhalten. Begleitet wird die leider nicht allzu umfängliche Auswahl an Fotografien, die noch dazu wenig öffentlichkeitswirksam im Buchladen des Mai Manó Haus ausgestellt wird, von Erklärungen zu den jeweiligen Schauplätzen in Budapest, wie dem Flughafen Ferihegy oder etwa der Statue Prinz Eugens vor dem Budaer Burgpalast, aber auch zu Belanglosigkeiten, wie etwa dem evolutionären Sinn von Zebrastreifen.
Trotz dieser nicht unbedeutenden Makel lohnt es sich, einen Blick auf die Ausstellung zu werfen, denn zum einen ist Fazekas derzeit Ungarns erfolgreichster Pressefotograf, zum anderen ist der Eintritt frei und damit zumindest im finanziellen Sinne kein Verlust. Zumal sich ein Besuch gut mit einem Boulevardspaziergang auf der nahe gelegenen Andrássy út vereinbaren lässt. Das Mai Manó Haus liegt auf der Nagymező utca, die aufgrund ihrer Vielzahl an Theatern auch „Pester Broadway“ genannt wird. Unmittelbar gegenüber dem achtstöckigen Baudenkmal im Stil der Neorenaissance befindet sich das Operettentheater und nur zwei Hauseingänge weiter das Thália-Theater. Das heute als Haus der Ungarischen Fotografie dienende Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom k.-u.-k.-Hoffotograf Manó Mai errichtet und ist mit seiner ungewöhnlichen Fassade ein absoluter Hingucker.
Katrin Holtz
Mai Manó – Haus der Ungarischen Fotografie
Budapest, VI. Bezirk, Nagymező utca 20
Öffnungszeiten: werktäglich zwischen 14 und 19 Uhr, am Wochenende 11 bis 19 Uhr
Eintritt: frei
Weitere Informationen finden Sie unter www.maimano.hu