
KDNP-Fraktionschef Péter Harrach wird kurz vor der Abstimmung über die Streichung des sonntäglichen Öffnungsverbots am vergangenen Dienstag von Premier Viktor Orbán getröstet. Mit 163 Ja-Stimmen bei 2 Enthaltungen und 11 Gegenstimmen wurde das KDNP-Gesetz wenig später klar beerdigt. (Foto: MTI)
Von András Dezső
Wird die aggressive und rücksichtslose Machtpolitik Péter Harrachs oder die mit Attila József Mórings Namen eng verbundene Isolation in Zukunft die KDNP dominieren? Werden die Christdemokraten fähig sein, ihre über Jahre hinweg systematisch aufgebaute Basis zu halten, oder wird das Gegenteil eintreten und die Partei gezwungen sein, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass hunderttausende ihrer Wähler zum Fidesz abwandern? Diese zwei Fragen sind es, die die Prominenz der zweitstärksten Regierungspartei derzeit beschäftigen, nachdem ihre Organisation mit der Streichung des Sonntagsschlusses eine gewaltige Ohrfeige kassiert hat.
Es ist schon lange spürbar in der Parteielite der KDNP, dass zwei diametral entgegengesetzte politische Richtungen einander gegenüberstehen. Beiden Strategien ist die Bedeutungslosigkeit gemein. Doch während laut der einen Seite der Garant für das Überleben der Partei die auch öffentlich wahrgenommene Bedeutungslosigkeit ist, will die andere Seite das Gegenteil: Sie will zwar bedeutungslos scheinen, aber nebenher doch zumindest ein klein wenig dann doch nicht. Wenn nötig, wollen sie die Bildung reformieren; wenn nötig, reden sie rein, was die erste Zeile des Grundgesetzes sein soll. Dies ist die progressive Bedeutungslosigkeit.
Letztere bezeichnet die Machtpolitik der KDNP, der Sonntagsschluss war die Institutionalisierung eben dieser Machtpolitik. Und bis jetzt war dies auch gleichbedeutend mit dem Sieg der innerparteilichen Kräfte, die die Frontmänner dieser progressiven Bedeutungslosigkeit sind.
Das Scheitern des Sonntagsschlusses zeigt das Dilemma auf, mit dem sich die Partei Tag für Tag auseinandersetzen muss. (…)
Sollen sie solche symbolischen Entscheidungen initiieren, die eventuell das Missfallen Vieler, aber doch keinen offen gezeigten Widerstand auslösen, oder sich lieber an die Spitze von Ideen setzen, die wenig sichtbar, dafür aber umso spürbarer sind?
Mittlerweile hat vielleicht auch die Elite der KDNP eingesehen, mit dem Sonntagsschluss lagen sie daneben. (…)
Weiterhin hat die KDNP ereilt, wovon auch andere große Organisationen und Massenparteien nicht verschont bleiben: Sie sind zu groß geworden und wollen zu viel. Und in diesem riesigen Chaos und dem Aufblitzen der inneren Machtkämpfe besteht nicht einmal mehr darüber Einigkeit, wo der Widerstand beginnt und was die Auslöser sind. (…)
Vielen gibt es Grund zur Sorge, dass nicht nur innerhalb der KDNP, sondern auch in ihrem ersten Mann, Zsolt Semjén, Bruchlinien zu erkennen sind. Dies war früher unvorstellbar.
Dies sind nicht nur ideologische, sondern grundsätzliche Diskussionen. Der für seine starken Reden und seine emotionalen Ausbrüche bekannte Péter Harrach, der aufstrebende junge Bence Rétvári, der schäumende István Simicska – sie stehen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite der Barrikade sind die als „unsichtbare Kräfte” gewerteten, aber über mindestens ebenso viel Einfluss verfügenden Grauen Eminenzen zu finden. Semjén selbst balanciert – dank des ihm eigenen unstrittigen Charismas – diese verschiedenen Interessengruppen genial aus.
Die „Unsichtbaren” sollten jedoch keinesfalls unterschätzt werden. Wohl die wenigsten werden auf den Namen László Szászfalvi reagieren, dabei ist er nicht weniger als einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der KDNP! Aber wer kennt wohl Mátyás Firtl? Sehen Sie. Und auch Attila József Móring sollten wir nicht vergessen, den ich ebenfalls auf parlament.hu entdeckt habe und der ebenfalls zur KDNP gehört. Über die Zustände hinter den Kulissen sagte ein um Anonymität bittender Rétvári-ist gegenüber dem Online-Portal Index: „Gott sei mit uns, wenn die Móring-isten innerhalb der Partei das Ruder übernehmen gegenüber den Firtl-isten.”
Gute Kenner des Inneren dieser Partei sagen aber auch, es wäre unklug, die KDNP in zwei monolithische Blöcke unterteilen zu wollen. Die sich strikt nur anonym äußernden Insider sagen, die Machtspiele im Hintergrund seien viel komplexer. So gibt es Harrach-isten, die für etwas ganz anderes einstehen als die Rétvári-isten, die aber trotzdem in vielen Dingen mit Simicskó-isten übereinstimmen und gelegentlich mit den Semjén-isten gegen die Szászfalva-isten zusammenarbeiten. Jedes dieser Lager hat im Schnitt jeweils einen Anhänger, was bei einer Fraktionsstärke von 17 Personen zu unberechenbaren und verworrenen Intrigen führt.
Aber eben diese Intrigen sind es, die die KDNP am Leben erhalten. „Wenn der Vejkey-ist auf den Aradszky-isten trifft, bleibt kein Stein auf dem anderen, aber in solchen Momenten werden die Hollik-isten oder eben die Seszták-isten gestärkt. Und dann beginnt alles von vorn. Das ist ein Teufelskreis” erklärt uns unsere Quelle.
Der hier in Auszügen abgedruckte Kommentar erschien am 14. April auf dem Nachrichtenportal index.hu.
Aus dem Ungarischen von
Elisabeth Katalin Grabow