Am 15. April protestierten Lehrer, Krankenschwestern, Ärzte und Sozialarbeiter gemeinsam. Trotz des gemeinsamen Streiks blieb der „Tag in schwarz” hinter den Erwartungen – und Hoffnungen – zurück. Das Nachrichtenportal index.hu fasste in fünf Punkten die Gründe für diese Einschätzung zusammen.
1. Das Ganze ist undurchsichtig geworden
Eine ganze Reihe von Artikeln befasst sich mittlerweile damit, wie und wann welche Gruppe nun gerade in Sachen Bildung demonstriert. Es ist immer schwieriger, den Geschehnissen zu folgen. Während es am 15. März noch offensichtlich war, wer was wann organisiert (István Pukli und die Seinen übergaben Premier Orbán ein Ultimatum, und drohten mit zivilem Ungehorsam). Seitdem sind wir binnen eines Monats dahin geraten, dass mehrere Veranstaltungen sogar gleichzeitig laufen.
So fand am vergangenen Freitag der Warnstreik der Pädagogengewerkschaft statt, dem sich István Pukli und die „Ich will unterrichten!”-Bewegung anschlossen. Diese Aktion war zugleich aber auch die Fortsetzung des zivilen Widerstands vom 30. März. Aber was genau sucht Mária Sándor hier? Die „Schwester in schwarz” hatte einen „Tag in schwarz” für diesen Tag ausgerufen. Dies hatte zur Folge, dass sich nicht einmal ein einheitlicher Name für das Ereignis finden ließ. Schließlich wurde das Ereignis als „Tag in schwarz, kariert” ausgerufen.
2. Dieser Streik ist noch nicht DER Streik
Die Situation wird zusätzlich dadurch erschwert, dass für diese Woche Mittwoch durch den geschaffenen Streikausschuss und den Leiter der größten Pädagogengewerkschaft PSZ ein Warnstreik ausgerufen worden ist. Frau Istvánné Galló bat weiterhin darum, dass das Land aus Solidarität für fünf Minuten stillstehen sollte. An der Organisation des Streiks vom 15. April hatte sich die PSZ nicht beteiligt, und aus mehreren Schulen erreichte uns auch die Information, dass statt der vergangenen Woche lieber in dieser Woche demonstriert würde.
Aus Sicht der Lehrer wäre es wirkungsvoller gewesen, die Streikkräfte zu bündeln, denn so zersplittert die Aufmerksamkeit und den Demonstrierenden bleibt weniger Energie für das eigentliche Geschehen. Die parallelen Demonstrationen führen – wie in diesen Fällen unweigerlich immer – zu einer Schwächung, oder gar einem gegenseitigen Auslöschen. Allerdings haben viele Teilnehmer der Demonstrationen der vergangenen Woche bereits zugesagt, an der kommenden Aktion mit noch größerem Elan teilzunehmen.
3. Eine Demonstration, über die nicht gut sichtbar berichtet werden kann
Die Demonstration der vergangenen Woche war ein offizieller Streik, abgehalten innerhalb der Schulen. Statt zu unterrichten, saßen die Lehrer in ihren Klassenräumen oder im Lehrerzimmer, die Presse hatte dort jedoch keinen Zutritt. In vielen Schulen wurde der Unterrichtsbeginn auf 10 Uhr am Morgen verschoben, sodass weniger Schüler und Lehrer per se die Möglichkeit hatten, am Streik teilzunehmen.
Das hatte zur Folge, dass vor vielen Schulen nicht einmal eine Handvoll Demonstranten zu sehen waren und sich die Presse vergeblich vor dem von István Pukli geleiteten Blanka Teleki Gymnasium sammelte; so aktionsgeladenen Fotos wie am 30. März waren mangels Menschenkette schlicht nicht machbar. Unser Reporter musste fast ein Dutzend Budaer Schulen abgrasen, ehe er sichtbaren Protest fand. Man muss die streikenden Lehrer ernst nehmen, allerdings ist eine Demonstration innerhalb der Schule weit weniger sehenswert als eine Demonstration außerhalb.
4. Die Regierung droht mit Repressalien
Wir dürfen den Faktor, dass die Regierung nun eine gänzlich andere Kommunikation einsetzt als noch bei den Demonstrationen am 30. März, nicht unterschätzen. Damals beteuerten die Spitzenpolitiker von Staatssekretär László Palkovics bis hin zu Minister János Lázár, dass sich niemand vor Retorsionen fürchten muss, der als Lehrer am zivilen Ungehorsam teilnimmt. Nun jedoch teilte der für Bildung zuständige Staatssekretär Palkovics mit, dass jeder, der während des Streiks vor das Schulgebäude tritt, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat (dem Gesetz nach muss sich der Streikende während des Streiks im Inneren des Gebäudes aufhalten). Denn dies gehöre nicht mehr zum Streikrecht, sondern müsse anderweitig bewertet werden.
Außerdem hätten die Streikenden, so ließ die Regierung wissen, damit zu rechnen, dass die mit Streik verbrachten Arbeitsstunden anteilig vom Lohn abgezogen würden. Dies sind zwar nur ein paar Forint und können gegebenenfalls aus der Streikkasse ausgeglichen werden, jedoch kann auch dies bereits eine abschreckende Wirkung auf viele Lehrer haben.
5. Die Regierung verhandelt und gibt nach
Der fünfte Grund hingegen, warum der erneute Lehrerprotest leiser ausfiel: Die Regierung hat tatsächlich begonnen, mit den Lehrergewerkschaften zu verhandeln und ist bereits an mehreren Punkten eingeknickt. So beispielsweise in der Frage der Schulverwaltungszentrale KLIK und ihrer Umgestaltung; dass Schüler, die bis 16 Uhr in der Schule sein müssen, nicht noch zusätzlich mit Hausaufgaben belastet werden; dass das Lehrerkontrollsystem überarbeitet wird und dass auch die Rechte der Direktoren wieder erweitert werden.
Den Gewerkschaften reicht dies nicht, doch in der öffentlichen Wahrnehmung scheint es, als bemühe sich die Regierung bei den Verhandlungen um einen Durchbruch. Und unter diesen Umständen ist es schlicht schwieriger, einen Großprotest zu verwirklichen.
Szabolcs Dull