Eine Woche in Budapest genügte: Der englische Autor und Journalist Adam Barnes besuchte im letzten Jahr die Donaumetropole zum ersten Mal – und entschied sich, zu bleiben. Seitdem flaniert er durch die Straßen der Hauptstadt, die ihn zum Schreiben inspirieren.
„Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Tage in dieser fantastischen Stadt. Es war Herbst, Spaziergänge in den Straßen, von bunten Blättern übersät und von der Sonne ebenso beleuchtet wie die geschichtsträchtigen Bauten. Das gab mir direkt ein Wohlgefühl; und die Inspiration, nach der ich schon so lange gesucht habe“, erklärt Barnes. Budapest – das wirkte für den jungen Engländer schon nach wenigen Monaten wie ein Zuhause. Hier lebt er nun seine Leidenschaft aus, die schon in der Kindheit begann: das Schreiben.
„Früher schämte ich mich“
„Als ich elf Jahre alt war, musste ich eine Kurzgeschichte schreiben. Damals hatte ich gerade ein neues Abenteuervideospiel – und ich liebte es“, grinst Barnes. Die literarische Umsetzung ließ dann nicht lange auf sich warten. „Ich schrieb aus der Perspektive der Hauptprotagonistin, ließ sie am Ende sterben. Dadurch kam schließlich heraus, dass das Geschehen nur ein Spiel ist – wie ein Videogame. Das war der Tag, an dem ich Gefallen am Schreiben fand.“
Während der Schulzeit blieb Barnes dann seiner Leidenschaft treu, schrieb Geschichten und gab sie seinen Lehrern zur Korrektur. Gute Bewertungen hin oder her – seine Mitschüler sollten davon nichts mitbekommen. „Ich wollte nie, dass die Texte vorgelesen werden. Wenn die anderen mitbekommen haben, dass ich Blätter an die Lehrer weitergeben hatte, wurden aus meinen Texten Bewerbungsschreiben für ein College. Dafür war es aber natürlich noch etwas zu früh.“ Wenig überraschend studierte Barnes später Englische Sprache, Literatur und Kreatives Schreiben.
Nach der Uni arbeitete er für fünf Jahre in einem Verlag. Seine Arbeitsschwerpunkte: Verfassen von Bedienungsanleitungen und Artikel über Computerspiele und neue Technologien. „Der sich ständig wiederholende Schreiballtag füllte mich nie wirklich aus. Meine Sehnsucht wuchs: nach einem Ortswechsel und der Arbeit als freier Autor.“
Barnes stammt aus Blackburn. Früher Zentrum der Textilindustrie, scheint es bis heute das Klischee englischer Industriestädte zu bestätigen. „Unter der Woche wird gearbeitet und am Wochenende trinkt man mit seinen Kumpels im Pub. Aus kleinen Orten kommt man schwer raus und gereist wird dort auch nicht gerne. Ich bin da eher die Ausnahme – und das schwarze Schaf der Familie. Aber als Autor bin ich eben nicht wirklich ortsgebunden“. 2014 kündigte Barnes den Job beim Verlag und begann, als freier Journalist zu arbeiten. Heute schreibt er regelmäßig für englischsprachige Print- und Onlinezeitungen und berichtet über beinahe alles, was ihm vor die Füße fällt: von der klassischen Pressekonferenz bis hin zum verlorenen Pass in Kanada, der ihm eine Rundreise aufzwang. Direkt vor Ort muss er für seine Artikel in der Regel nicht sein. „Viele Redakteure kenne ich noch von meiner Arbeit in England. Durch diese Vertrauensbasis kann ich auch von einer Distanz von 1882 Kilometern aus problemlos arbeiten.“
Tapetenwechsel Budapest
Diese Umstände gaben ihm letztendlich die Möglichkeit, sich auf seinen eigentlichen Wunsch zu konzentrieren: ein eigenes Buch. „Nachdem mich kaum noch etwas in England hielt, wollte ich raus in die Welt; in ein Umfeld, das mich inspiriert“, erzählt Barnes. Eigentlich wollte er schon immer nach Griechenland, doch entschied er sich wegen der ökonomischen Lage dagegen. Mehr durch Zufall fand er dann im vergangenen November einen günstigen Flug nach Budapest. Sofort fühlte er sich angezogen. „Die prachtvollen Bauten, das umfangreiche Kulturangebot und die vielen kleinen Bars und Restaurants haben mich überzeugt. Schon nach einer Woche habe ich eine eigene Wohnung und durch Treffen mit Expats auch recht schnell Anschluss gefunden.“
Verglichen mit seiner englischen Heimat sieht Barnes vor allem Unterschiede im sozialen Umgang miteinander. „In England habe ich mich eher als introvertierte Person wahrgenommen. Das ist in Budapest ganz anders: Ich kann mich hier öffnen; kann mal der lustige Nerd, der Pausenclown oder der ernsthafte Schreiber sein. In einer Kleinstadt musst du dich nicht bemühen, mal rauszukommen. Hier muss ich das – und das tut mir gut.“
Die Stadt gibt den Takt
Das Leben in Budapest ist für die meisten Ausländer, verglichen mit den Preisen in Pfund und Euro, recht günstig. Auch die Verkehrsanbindungen ziehen an. „Manchmal reise ich zu Pressekonferenzen nach England, das geht von Budapest aus problemlos“, meint Barnes. „Es ist grotesk: Wenn ich von hier aus zu meiner Familie in England fliege, ist es günstiger, als den Zug von London aus zu nehmen. Besonders der Wechselkurs ermöglicht es mir hier, ein verhältnismäßig luxuriöses Leben zu führen. Die letzten zwei Jahre lebte ich in Bournemouth, wo die Lebenskosten überdurchschnittlich hoch sind und man gezwungen ist, jeden Cent umzudrehen.“
Doch die finanziellen Vorteile stehen für Barnes eher im Hintergrund. „Der Ort und die Leute bieten mir an jeder Ecke eine neue Inspirationsquelle. Es lohnt, sich einfach mal auf eine Bank zu setzten und das Treiben der Leute zu beobachten. In Budapest bestimmt das erste Mal der Ort, was ich mache, und nicht anders herum. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen die Stadt für mich noch bereithält.“