Gehören auch Sie zur Gruppe der Freiberufler und Arbeitsnomaden ohne festes Büro? In Budapest hat sich in den letzten Jahren eine neue Arbeitskultur etabliert, die eine Alternative zum heimischen Küchentisch oder dem Arbeitsplatz im Café bietet – die Coworking Spaces. Wir stellen Ihnen fünf ganz unterschiedliche Anbieter für Gemeinschafsbüros in der ungarischen Hauptstadt vor.
Die Arbeitswelt ist im ständigen Wandel: Flexible Arbeitsformen, wie Telearbeit und Co., nehmen zu. Dadurch wächst seit Jahren das Heer der Arbeitsnomaden. Viele ziehen sich ins Home-Office zurück. Doch wer den ganzen Tag allein in den eigenen vier Wänden schuftet und keine sozialen Kontakte pflegt, dem fällt irgendwann die Decke auf den Kopf. Deshalb entscheiden sich immer mehr Menschen für das Arbeiten im Coworking Space, einer Art Gemeinschaftsbüro für Selbstständige und Mikro-Unternehmer. Hier können Kunden empfangen und auf eine bereits vorhandene Büroinfrastruktur zugegriffen werden. Das macht es auch für Start-ups in der Gründerphase zu einer kostengünstigen Alternative zur klassischen Büroimmobilie. Aber auch die Chancen zum Netzwerken, die ein Gemeinschaftsbüro bietet, sind nicht zu unterschätzen.
Doch Coworking Space ist nicht gleich Coworking Space. Zwar ähneln sich die einzelnen Gemeinschaftsbüros in ihrer Grundausstattung – doch hat jedes seine ganz eigene Persönlichkeit.

Auf dem Sofa lümmelnd, am Schreibtisch oder am Bartisch, am Fenster – das KAPTÁR bietet den richtigen Arbeitsplatz für jeden Geschmack.
Meine kleine Familie im KAPTÁR
Das KAPTÁR ist eines der kleineren, dafür aber umso familiäreren Gemeinschaftsbüros der ungarischen Hauptstadt. Der Coworking Space ist nur einen Steinwurf von der St.-Stephans-Basilika entfernt in der Révay köz zu finden. Auf den ersten Blick mutet die Atmosphäre im luftigen Arbeitsraum, wie eine Mischung aus Café und Bibliothek an. Schreibtische, aber auch Bartische mit bequemen Hockern, zwei Sofas und mehrere bequeme Sessel sowie ein riesiges Regal voller Bücher füllen die Fläche.
Die Konferenzräume sind in Form von gläsernen Kabinen in das offene Design des Gemeinschaftsbüros integriert. Durch die Glaswände werden auch die abgetrennten Räume von natürlichem Licht erhellt, gleichzeitig verhindert die Schallisolation aber, dass auch nur ein Mucks nach draußen dringt. Die Konferenzräume für zwei, vier bis fünf oder bis zu zwölf Personen können von Mitgliedern des Coworking Space kostenlos genutzt, aber auch von Außenstehenden angemietet werden. Bei Bedarf steht der gesamte Event Space auch für größere Veranstaltungen zur Verfügung. Neben der für Coworking Spaces typischen Grundausstattung, wie eine schnelle Internetverbindung, Drucker und Scanner, eine Küche oder die Möglichkeit, seinen Firmensitz über das KAPTÁR zu registrieren, sind es insbesondere die sozialen Angebote und das Gemeinschaftsgefühl, die das KAPTÁR zum perfekten Arbeitsplatz für kontakthungrige Freiberufler macht.
Mitbegründer Áron Levendel ist bemüht, neue Mitglieder im Coworking Space schnell in die Gemeinschaft zu integrieren: „Wir veranstalten zahlreiche Events und Workshops, bei denen sich die Mitglieder kennenlernen können. Jeden Mittwoch haben wir ein gemeinsames Mittagessen, bei dem sich über die Arbeit, aber auch Privates ausgetauscht wird“, erzählt Levendel. Tatsächlich entstehen beim gemeinsamen Arbeiten im KAPTÁR oft nicht nur fruchtbare Geschäftsbeziehungen, sondern auch Freundschaften – und in der Gesellschaft von Freunden zu arbeiten, macht gleich doppelt Spaß.
Weitere Informationen: www.kaptarbudapest.hu/en/
Die Perle aller Coworking-Büros: LOFFICE
Arbeiten mit der Crème de la Crème der Kreativszene Budapests in einer der anregendsten Arbeitsumgebungen der Stadt – das bietet das LOFFICE. Das von den Geschwistern Kata und Panni Klementz gegründete Unternehmen war der erste Anbieter von Coworking Spaces in Ungarn. „Damals gab es im Ungarischen noch nicht einmal ein Wort dafür. Wir mussten bei null anfangen“, erinnert sich Mitbegründerin Kata Klementz.
Dadurch hatte das LOFFICE einen prägenden Einfluss auf die hiesige Coworking-Szene. „Wir waren als erste da. Deshalb haben wir die Standards und Preise gesetzt, an denen sich bis heute alle orientieren.“ Die Geschwister Klementz haben sich für die Gründung ihres Gemeinschaftsbüros unmittelbar durch den Gründer der Coworking-Bewegung, Brad Neuberg, inspirieren lassen. 2007 fanden sie ihren ersten Standort in dem ehemaligen Druckereigebäude der nahegelegenen Musikakademie in der Paulay Ede utca, das sie über einen Zeitraum von zwei Jahren renovierten. Dadurch erhielt es nicht nur seinen ursprünglichen Charakter zurück, sondern entspricht heute auch aktuellen Nachhaltigkeits- und Energieeffizienzkriterien – geheizt wird mit alternativer Energie, die sich aus der Donau speist.
Seit seiner Eröffnung 2009 ist das LOFFICE dafür bekannt, dass hier neben einem starken Maß an Umweltbewusstsein und gesellschaftlicher Verantwortung, auch Design eine große Rolle spielt: Die Büros, Konferenz- und Veranstaltungsräume wurden in Zusammenarbeit mit Designern und zeitgenössischen Künstlern eingerichtet. „Wir wollten keine 08/15-Büroräume, sondern einen Ort, der die Leute inspiriert“, erklärt Klementz den besonderen Fokus dieses Coworking Spaces. Diese Qualität hat ihren Preis: Im Vergleich ist das LOFFICE eines der teuersten Gemeinschaftsbüros. „Davon wollen wir auch nicht absehen. Unser Ziel ist es, Leute anziehen, die es zu schätzen wissen, in so einer attraktiven Umgebung zu arbeiten“, so Klementz. Und davon gibt es viele, denn derzeit sind alle LOFFICE-Büros vermietet und die noch freien Arbeitsplätze heiß begehrt.
In Zusammenarbeit mit den OXO-Labs-Accelerator-Programm des ehemaligen Finanzministers Peter Oszkó und der Existenzgründerhilfe Power-Angels veranstaltet das LOFFICE den Start-up-Wettbewerb „CEE Lift Off!“, der zu einem der angesehensten der Region gehört. Heute verfügt das LOFFICE bereits über vier verschiedene Standorte in Budapest und ist seit 2013 sogar mit einem Büro in Wien vertreten.
Weitere Informationen: www.budapest.lofficecoworking.com/
Bodenständig in Buda mit Colabs
Pest ist das wirtschaftliche Zentrum der Hauptstadt, während Buda oft als Ort zum Wohnen betrachtet wird. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Coworking Spaces östlich der Donau befinden. Das Colabs ist eine der wenigen Ausnahmen, die sich im Haus der Ungarischen Handelskammer am wunderschönen Krisztina tér in Buda eingenistet haben.
Wie das LOFFICE eröffnete auch das Colabs bereits 2009 und gehört damit zu den erfahrensten Anbietern in Sachen Coworking. Seit der Gründung hat sich allerdings viel verändert, erzählt Zsolt Bakó, Mitbegründer des Colabs. Ursprünglich habe alles mit ein paar Bekannten begonnen, die es satthatten alleine am heimischen Küchentisch zu arbeiten. Noch bevor Coworking in Budapest zu einem Begriff wurde, mietete Bakó mit Anderen eine Wohnung an, in der man sich zum gemeinsamen Arbeiten traf. „Nach einer Weile kamen jedoch immer mehr Leute und wir beschlossen, das Ganze professionell aufzuziehen“, so Bakó. Das war etwa zur selben Zeit, als das LOFFICE eröffnete.
Heute beherbergt das Colabs vor allem Büros für Start-ups, aber auch etablierte Kleinunternehmen, die die gemeinschaftliche Atmosphäre zu schätzen wissen. Die Einrichtung ist unaufgeregt, auf pompösen Designschnickschnack wird weitestgehend verzichtet, dafür zieren Poster mit motivierenden Sprüchen die Wände. Flexible Tische zur Tagesmiete gibt es nur noch wenige. Wer also nach einer ruhigen und konzentrierten Arbeitsumgebung sowie die Nähe zu erfahrenen Kleinunternehmern sucht, die vielleicht auch den einen oder anderen Tipp geben können, wird dies im Colabs finden. Einziges Manko ist das Fehlen einer Rezeption, was den spontanen Besuch für Nicht-Mitglieder ohne vorherige Terminvereinbarung erschwert. Doch wie Bakó sagt, arbeite man schon an einer App, die durch Verschicken des Türcodes und per Onlineeinweisung auch das ermöglichen soll.
Weitere Informationen: www.colabs.hu/
Tierisch, sportlich, grün – KUBIK
Während die meisten Coworking Spaces der Stadt inmitten von Häuserschluchten verborgen sind, ist KUBIK neben einem kleinen Park am Jászai tér in unmittelbarer Nachbarschaft zur grünen Margareteninsel zu finden. Das vor knapp zwei Jahren von Rechtsanwalt Levente Rövid eröffnete Gemeinschaftsbüro bietet auf knapp 400 m² Platz für inspiriertes und ruhiges Arbeiten.
Wie auch das KAPTÁR gehört das KUBIK zur jüngeren Generation der Coworking Spaces in Budapest: „Als wir eröffneten, war die erste Welle der Bewegung schon über Budapest hinweggerollt. Wir konnten daher auf Erfahrungswerte zurückgreifen“, erinnert sich Rövid. Im Gegensatz zu mehr designorientierten Gemeinschaftsbüros wie etwa dem LOFFICE legt Rövid im KUBIK auf eine mehr „businessorientierte Atmosphäre wert, die aber trotzdem cool und entspannt ist“. Derzeit beherbergt das Kubik eine breite Palette von Start-ups und jungen Unternehmern, darunter IT-Spezialisten, Programmierer, Architekten, Grafik- und Webdesigner. Insgesamt 40 Einzelarbeitsplätze sind ab bereits 3.500 Forint am Tag bzw. 35.000 Forint für einen ganzen Monat verfügbar.
Außer Platz für Arbeitsnomaden bietet das KUBIK auch Raum für tierische Begleiter, nicht selten spazieren gleich zwei oder drei Hunde durch die Räumlichkeiten. Nicht umsonst wurde der Coworking Space 2015 als „Hundefreundlichster Arbeitsplatz“ ausgezeichnet. Was das Arbeiten im KUBIK weiterhin auszeichnet, ist einerseits der hervorragende Kaffee – denn anders als in anderen Coworking Spaces kommt dieser hier nicht aus der Filtermaschine, sondern aus einem professionellen Kaffeevollautomaten. Weiterhin ist es der Fokus auf Bewegung und Sport. So bietet das KUBIK nicht nur einen Fahrradkeller, sondern auch ein hauseigenes Fahrrad an, das von Mitgliedern jederzeit für Erledigungen oder einfach nur, um eine Runde zu drehen, geborgt werden kann. Auch Duschen stehen zur Verfügung, sodass man nach einer – regelmäßig auch gemeinschaftlich absolvierten – Laufrunde auf der Margareteninsel wieder erfrischt an die Arbeit gehen kann.
Weitere Informationen: www.kubik.hu/
Internationale Kontakte knüpfen in thehub
Denken Sie auf globaler Ebene? Suchen Sie nach internationalen Kollaborationen? Dann ist thehub für Sie das Richtige. „Natürlich kann jeder einen Tisch bei uns mieten, aber wir interessieren uns besonders für Menschen, die nicht die x-te Shopping-App entwickeln, sondern deren Ideen das Leben vieler Menschen verändern wird“, erklärt Hauptgeschäftsführer David Trayford.
Der Brite gründete thehub gemeinsam mit Luca Sperenza 2012. Davor war er bereits in vielen verschiedenen Bereichen tätig, arbeitete etwa als Trainer für Start-ups und ist bis heute Projektcoach bei der Tech-Eliteschmiede Singularity University in den USA. So ist Trayford mit seinen vielen internationalen Kontakten auch eine der wichtigsten Ressourcen dieses Coworking Space. „Ich organisiere oft Vorträge international erfolgreicher Unternehmer. Das sind manchmal sehr kurz anberaumte Veranstaltungen, die exklusiv für unsere Mitglieder stattfinden“, so Trayford.
Auch mit der Definition des „Coworking“, das zu Deutsch Zusammenarbeit oder Kollaboration bedeutet, nimmt man es im thehub etwas genauer und fördert – „auch wenn es kein Muss ist“ – insbesondere die kreative und projektübergreifende Zusammenarbeit.
Im Vergleich zu anderen Coworking Spaces in Budapest, sind die Räume von thehub etwas nüchterner gestaltet und erinnern weit mehr an herkömmliche Bürogebäude – geradlinig und professionell. Dafür punktet thehub zum einen mit seinem Standort, der unmittelbar an den Liszt Ferenc tér mit seinen vielen Restaurants und Cafés angrenzt, und einer Dachterrasse, auf der im Sommer zum gemeinsamen Grillen eingeladen wird.
Weitere Informationen: www.thehub.hu/
Die Geschichte des Coworking
Wie viele Trends der New Economy kommt auch das Coworking ursprünglich aus den USA. Dabei ist das Konzept vor allem mit einem Namen verbunden: Brad Neuberg. Der Programmierer und Entwickler, der unter anderem für den Suchmaschinenriesen Google und den E-Mail-Anbieter Gmail tätig war, beansprucht, sowohl die Idee als auch den Begriff „Coworking“ geprägt zu haben. „Ich war damals selbstständig und wollte zwar die Freiheit und Unabhängigkeit genießen, die es mit sich bringt, sein eigener Boss zu sein, aber vermisste auch die Struktur und Gemeinschaft des gemeinsamen Arbeitens“, schreibt Neuberg auf seinem Blog Coding in Paradise über die Anfänge des Coworking. Den ersten Coworking Space eröffnet Neuberg 2005 in San Francisco. Nach einem etwa holprigen Start beginnt das Konzept schnell auf andere US-amerikanische Städte und dank des Internets auch auf Europa überzuspringen. 2009 eröffnet mit dem Betahaus der erste Coworking Space in Berlin. Im selben Jahr bringen auch die Gründer des LOFFICE, die Geschwister Kata und Panni Klementz, die Idee nach Budapest. Laut des letzten „Global Coworking Survey“ nimmt die Zahl der weltweiten Coworking Spaces weiter zu. Bis Ende des Jahres soll das 10.000 Gemeinschaftsbüro der Welt eröffnet haben. Etwa ein halbe Million Menschen arbeiten heute schon in solchen Einrichtungen.
Katrin Holtz