Gergely Kiss
Wenn die Opposition die Produktion der Plakate für die Referendumskampagne schon in Auftrag gegeben hat, sind diese hoffentlich noch nicht in Druck gegangen. Nicht dass man sich in Unkosten stürzt. Am Montag wurde nämlich bekannt, dass die Regierung mit dem Vorschlag vors Parlament treten wird, die gesetzliche Regelung über das Verbot der Sonntagsarbeit zu widerrufen. Damit ist in dieser Angelegenheit eine Volksbefragung hinfällig geworden.
Vor etwas mehr als einem Jahr trat am 15. März 2015 die Rechtsnorm in Kraft, die die Sonntagsarbeit im Handel für Geschäfte mit einer Grundfläche von mehr als 200 Quadratmetern verbot. Das von den Christdemokraten (KDNP) initiierte Gesetz wurde damit begründet, dass man die körperliche und seelische Gesundheit der Arbeitnehmer in dieser volkswirtschaftlich wichtigen Branche fördern muss. Dazu wäre die Gewährleistung einer entsprechenden Ruhezeit notwendig. Außerdem würde dadurch der Zusammenhalt innerhalb der Familiengemeinschaften gestärkt.
Daraufhin eröffnete die Opposition ein regelrechtes Kreuzfeuer auf die Regierung. Dem Angriff schlossen sich auch die Interessensvertretungen der Unternehmen an. Schließlich versuchte man sich mit der immer höher angesetzten Bezifferung der Schäden, die der Ladenschluss verursachen würde, gegenseitig zu überbieten. Am weitesten lehnte sich dabei der Landesverband der Unternehmer und Arbeitgeber aus dem Fenster. Ihm zufolge entstünde im Budget ein Loch von etwa 200-250 Milliarden Forint (rund 720 Millionen Euro). Außerdem wären 50-55.000 Arbeitsplätze gefährdet.
Im Nachhinein ist man natürlich immer klüger, aber heute wissen wir, dass die Panikmache unnötig war. Es gab sogar Leute, die öffentlich zugaben, dass man die zu erwartenden Konsequenzen falsch beurteilt hätte. Denn was war passiert? Letztes Jahr stieg der Umsatz im Einzelhandel um 5,6 Prozent. Wegen des Sonntagsladenschlusses wurden keinerlei Arbeitskräfte auf die Straße gesetzt.
Im Gegenteil: Man kämpft in der Branche mit einem Arbeitskräftemangel. Den Daten zufolge wird auch ersichtlich, dass die kleineren Geschäfte von den Maßnahmen profitierten. Nebenbei gewöhnten sich die Handelsmitarbeiter ziemlich schnell um und erfreuten sich der freien Sonntage. Das Gesetz traf also im Wesentlichen ins Schwarze.
In der letzten Zeit wurde allerdings auch klar, dass es die Bevölkerung deutlich spaltet. Ein Großteil der Bürger lehnt diesen Schritt bis zum heutigen Tag ab. Für sie ist es uninteressant, ob die Angestellten im Handel den letzten Tag der Woche mit der Familie oder an ihrem Arbeitsplatz verbringen.
Viele erlebten diese Veränderung als Einschränkung. Nach dem Motto: Die Regierung soll gefälligst nicht entscheiden, wer am Sonntag was zu tun habe. Andere könnten sich vielleicht daran gestört haben, dass sich im Zuge des veränderten Kaufverhaltens an Samstagen etwas längere Schlangen bildeten.
Über all diese Dinge könnte man noch weiter großartig diskutieren, besser wäre es aber, an dieser Stelle Viktor Orbán in Sachen Internetsteuer zu zitieren, die damals recht hohe Wellen schlug: „Wir sind keine Kommunisten. Wir regieren nicht gegen die Menschen, wir regieren gemeinsam mit den Menschen“, so der Premier 2014 in einem Radio-Interview.
Das Regierungskabinett zog auch jetzt die Bilanz und stellte sich der Tatsache, dass man im Laufe des vergangenen Jahres die Mehrheit der Menschen nicht vom Erfolg der Maßnahme überzeugen konnte.
Mit ihrer letztlichen Entscheidung könnte die Regierung auch als Gewinnerin hervorgehen. Durch den Widerruf des Gesetzes wurde unter Beweis gestellt, dass sie, wenn es sein muss, durchaus auch nachgeben kann. Das war bei ungarischen Regierungen nicht immer der Fall. Denken wir nur an die Praxisgebühren-Volksbefragung von 2008 zurück. Die linksliberale Führung zeigte sich wenig beeindruckt, dass die Mehrheit der Bevölkerung nichts mit ihren – sich Reform schimpfenden – Maßnahmen zu tun haben wollte. Sie fuhr gegenüber dem Volk permanent auf Konfrontationskurs. Die Regierung Orbán wählte einen anderen Weg und bekam rechtzeitig die Kurve. Damit bewies sie nicht nur ihre demokratische Einstellung, sondern nahm zugleich der Opposition den Wind aus den Segeln.
Und wenn es die ach so sozial-sensiblen linken Parteien als einen Sieg feiern, dass die Handelsangestellten jetzt wieder am Sonntag arbeiten müssen, dann stellt es ihnen ein bezeichnendes Zeugnis aus.
Der hier wiedergegebene Kommentar erschien am 12. April auf dem Online-Portal der Regierungszeitung Magyar Idők.
Aus dem Ungarischen von
Dávid Huszti