Vielleicht ist es ja wirklich besser für die Regierung, dass sie das für sie unglücksselige Sonntagsschlussgesetz ohne Rücksicht auf weitere Verluste einfach kurz entschlossen beerdigt hat. Bevor ihre Abwehrmaßnahmen noch das Niveau der Glatzenaktion von vor ein paar Wochen unterbieten, lieber schnell weg damit!
Das volkswirtschaftlich unsinnige und ohne Druck von Seiten der Bevölkerung geborene Gesetz stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Keine Beifallsstürme von den einzigen direkten Profiteuren, den Kleinhandelsangestellten. Kein Applaus aus den eigenen Reihen, dafür aber mit der Zeit immer lauter werdendes Getuschel. Möglich, dass zumindest von Seiten des Initiators KDNP jemand geklatscht hat, aber wen interessiert das schon!
Schön reingeritten haben die KDNPler den Fidesz! Ihr Selbstprofilierungstrip hat mal eben so nebenbei die beste Angriffsfläche für eine ungarische Opposition seit Gyurcsánys Lügenrede geschaffen. Und das Bemerkenswerte: Alles war so absehbar! Das einzig wirklich Überraschende war, dass die tollpatschigen Sozialisten, die sich in ihrer Themennot dankbar dieser Steilvorlage annahmen, diesmal ausnahmsweise alles richtig machten.
Ihr Stehvermögen wurde belohnt. Der Punkt ging klar an sie. Voll im Siegestaumel wollen sie jetzt nicht wieder vom Feld. Wenn die Regierung geglaubt hat, dass die Opposition die Ankündigung vom Fall des Sonntagsschlussgesetzes so zur Kenntnis nimmt, wie sie gemeint war, nämlich als Schlusspfiff, dann hat sie sich auch hier verkalkuliert.
Dumm gelaufen für den Fidesz: Aber die Sozialisten legen jetzt erst richtig los. So leicht lassen sie sich die bisher beste Möglichkeit, massenwirksamen Wahlkampf auf Kosten der Regierung zu machen, nicht nehmen! Das Thema ist einfach zu gut. Zumal sowohl die grenzwertige Glatzenaktion als auch das panikartige, plötzliche Einknicken der Regierung für sie überdeutliche Indikatoren dafür sind, dass hier noch mehr zu holen sein könnte.
Während die Regierung bei den zurückliegenden, nicht leichten Kämpfen gegen Banken, IWF, Energieunternehmen, Migranten, Terroristen und andere Widersacher mit Blick auf den Ausbau ihrer Macht und Popularität bisher alles richtig gemacht hat, scheint sie jetzt an diesem lächerlichen, völlig überflüssigen Gesetz über den Sonntagsschluss komplett zu verzweifeln. Von ihrer sonst so vorzüglichen Instinktsicherheit und ihrem untrüglichen Gespür für möglichen politischen Terraingewinn ist bei diesem Gesetz nichts zu spüren. Auch ihre bisher eiserne Fraktionsdisziplin lässt zu wünschen übrig.
Der Eingangsfehler vom letzten Jahr, nämlich ein solches Gesetz überhaupt vom Stapel zu lassen, potenziert sich immer weiter und produziert mehr und mehr Fehler. Insofern kann es schon als Akt der Vernunft gelten, dieses aus Unvernunft geborene und immer mehr Unvernünftiges hervorbringende Gesetz einfach kurz entschlossen zu liquidieren, bevor es noch mehr Schaden anrichtet.
Klar hätte die Regierung auch weniger überstürzt einlenken und den Beteiligten mehr Zeit für den Übergang lassen können. Statt der trotzig verkündeten „Wiederherstellung des Ausgangszustandes“ hätte sie gemeinsam mit allen Beteiligten und vor allem im Interesse der Einzelhandelsbeschäftigten, um die es ihr ja angeblich geht, auch versuchen können, die gegebene Situation zum Besten für alle Beteiligten nach vorne zu bringen. Schöner Gedanke, aber erstens sind echte Konsultationen nun mal nicht das Steckenpferd dieser Regierung und zweitens sollte man sich lieber nicht vorstellen, zu welchen weiteren Kurzschlüssen dieses fatale Gesetz noch hätte führen können.
Dann lieber schnell weg damit und fertig! Je eher, desto besser. Die in Ungarn aktiven Einzelhandelsunternehmen sind eh schon abgehärtet genug, um sich über die erneute radikale Änderung ihrer Rahmenbedingungen noch aufregen zu können.
Und dass Teile der Opposition nun noch ein wenig Stimmung machen, und Unterschriften für ein Referendum bezüglich der Zurückziehung des soeben zurückgezogenen Gesetzes sammeln? Halb so wild! Solange sie sich an diesem Thema abarbeiten, kommen sie möglicherweise nicht auf die Idee, ihre soeben erfahrene Durchsetzungsfähigkeit anhand weiterer, ähnlich unangenehmer Referendumsfragen auszutesten.
Nicht auszudenken etwa, wenn im Fußball-EM- Jahr irgendein Spaßvogel von der Opposition auf die Idee käme, mal eine Frage in Sachen Fußball oder Stadionbau für ein Referendum vorzuschlagen!