Für Luca Rózsa ging es schon immer um die Kunst – das begann bereits als Jugendliche mit Malunterricht. Neben Tanz und Musik stand nach der Schule sogar Veterinärmedizin als Studienfach zur Auswahl. Heute ist die junge Budapesterin aber der festen Überzeugung, die richtige Wahl getroffen zu haben: Malerei.
Das Atelier der 25-Jährigen liegt unter dem Dach der Ungarischen Akademie der Bildenden Künste. Schon in der dunklen Eingangshalle riecht es nach Farben und Leinwand. Drei Stockwerke höher und die Räume werden heller; der Duft der Farben immer intensiver. Auf dem Gang zu ihrem Studio kurze Blicke durch Türspalte – Grafikdesigner, Bildhauer und Maler bei der Arbeit. Die Luft flimmert.
Das Atelierstudio teilt sich die junge Künstlerin mit vier anderen Masterstudenten der Bildenden Künste. Ihre Ecke: gleich vorne links. In dem großen, quadratischen Raum stapeln sich die Leinwände bis unter die Decke. Dazwischen: mit Farben bekleckste Stühle und ein ausgeblichenes, oranges Sofa. „Auf dem Flur ist noch ein größeres Atelier, dort habe ich gut 40 weitere Bilder stehen. Wenn ich bald mein letztes Semester abgeschlossen habe, muss ich mir einen anderen Raum zum Malen und Lagern suchen“, erzählt Rózsa.
Wie alles begann
Es war ein langer Prozess hin zum Studium der traditionellen bildenden Künste. „Eigentlich wollte ich Veterinärmedizin studieren. Aber mit 16 realisierte ich: Es reicht nicht aus, Tiere zu mögen – Biologie und Chemie sind mindestens genauso wichtig“, erinnert sich Rózsa. Malen war zwar schon immer zentraler Bestandteil ihres Lebens, aber deswegen auch im künstlerischen Bereich arbeiten? „Nur weil ich in einer Kunstschule gelernt habe, technisch gut zu sein, war ich noch lange keine Künstlerin. Ich bewarb mich schließlich doch an der Universität – hätte aber nie gedacht, auch beim Vorstellungsgespräch zu überzeugen“, reflektiert sie. Das Studium bestätigte sie aber – die Erfüllung liegt in der Malerei. Der Entschluss, als freie Künstlerin zu arbeiten, lag dann recht schnell auf der Hand. „Heute kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“
Die 25-jährige Künstlerin hat ihren Bachelor in Ungarn, Polen und in der Ukraine gemacht. „Die osteuropäischen, postkommunistischen Staaten inspirieren mich. Da, wo nicht alles perfekt ist, und die Leute trotzdem weitermachen. Es gibt viele hässliche Punkte – aber es riecht nach Leben.“
Inspiration in abstrakter Kunst
Der US-amerikanische Maler, Fotograf und Objektkünstler Cy Twombly zählt zu den wichtigsten Vertretern des abstrakten Expressionismus und ist für die junge Künstlerin eine große Inspirationsquelle. Seine Bilder vereinen die Züge der abstrakten Malerei mit typographischen Zeichnungen zu einem feinen gewebeartigen Grundduktus. „Ich kreiere keine abstrakte Kunst, finde sie aber sehr inspirierend“, erläutert Rózsa. Auch der deutsche Neoexpressionist Albert Oehlen steht auf ihrer Liste. Mit teils obszönen Details in seinen Gemälden, Objekten und Installationen erregte er in den 80er-Jahren immer wieder die Gemüter. „Ich könnte noch mehr berühmte Personen aufzählen, die mich täglich inspirieren. Aber nichts prägt mich so wie die Atmosphäre in der Kunsthochschule: Der Austausch mit meinen Kommilitonen in ihren Ateliers und die Entwicklung ihrer Werke – daraus ziehe ich die Motivation für meine eigenen Arbeiten“, berichtet die junge Künstlerin.
Wortlose Emotionen
Mit ihrer eher traditionellen Kunst möchte Luca Rózsa Emotionen einfangen, für die Wörter meist nicht ausreichen. Besonders zwischenmenschliche Beziehungen, psychische Phänomene und ein mögliches Leben nach dem Tod faszinieren sie. „Ich erwarte nicht, dass der Betrachter meine Bilder auf Anhieb versteht oder genau das sieht, was ich in ihnen sehe“, umschreibt Rózsa ihre Kunst. „Aber ich möchte eine Emotion hervorrufen, wenn nötig, auch schockieren. Durch den Anblick soll ein besonderes Gefühl erzeugt werden.“ Mit groben Strichen und sanften Farbverläufen formt sie auf großen Leinwänden zumeist menschliche Figuren. Malerei ist für sie stetige Transformation. „Eine erlebte Emotion gibt mir den Anstoß für ein neues Bild. Manchmal verliere ich die Emotion, sie verändert sich und ich nehme sie anders wahr. Die Idee von dem Bild wandelt sich im Entstehungsprozess“, erzählt die junge Malerin. Oft überpinselt sie bereits Geschaffenes. Aber zumindest ein kleiner Fleck bleibt immer von der ersten Idee bestehen. Es ist eine der Wahrheiten hinter dem fertigen Werk – und die möchte sie nicht verstecken. „Manchmal spüre ich, dass ich Vorhandenes wieder verändern, es durch etwas ersetzen muss. Ich überdecke es dann mit weißer Farbe oder verwische es mit Chemikalien – kann ich dieses Gefühl dann doch nicht verbildlichen, dann bleibt es trotzdem so, denn dann passt es.“
Rózsa ist nach gut sieben Jahren fast am Ende ihres Studiums angelangt. Den Großteil dieser Zeit hat sie in Ungarn verbracht. „Ich möchte hier bleiben. Natürlich kann ich mir vorstellen, für einen gewissen Zeitraum auch im Ausland tätig zu sein – aber wenn alle unser Land verlassen, wird sich hier nie etwas ändern oder verbessern“, meint die junge Malerin. Sie möchte bewusst in Ungarn leben und arbeiten, auch wenn das Dasein als freie Künstlerin hier nicht immer einfach ist.
Malerei als brotlose Kunst?
Auch wenn die Kunstwerke in Galerien ausgestellt und schließlich gar verkauft werden – für den Lebensunterhalt reicht das oft nicht aus. Luca Rózsa gelingt das zwar regelmäßig, doch trotz fehlender Studiengebühren, Stipendiums und den Erlösen aus Wettbewerben fällt die Finanzierung der Kunst schwer. „Farben und Leinwand kosten alleine schon um die 25.000 Forint. Erst wenn das Bild verkauft ist, bekomme ich das Geld dafür wieder rein – und kann auch meinen Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten. Zum Glück kann ich mich leicht von den Werken trennen: Wenn ich ein Bild beendet habe, habe ich auch mit der Emotion abgeschlossen.“ Mit den finanziellen Problemen ist sie natürlich kein Einzelfall. Und dass sich daran voraussichtlich so schnell nichts ändern wird, weiß Rózsa auch. „Ich arbeite neben dem Studium als Bühnenbildnerin und verbringe den Sommer regelmäßig in einem Kindercamp, wo ich Kunst und Englisch unterrichte“, erklärt die 25-Jährige.
Doch das ist nicht der einzige Punkt, weshalb es schwierig sein kann, in Ungarn den Weg als freier Künstler zu gehen.
„Ich denke, dass wir sehr viele große Künstler haben, die weltweit nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, weil sie auf Grund der wirtschaftlichen und politischen Lage unseres Landes keine Chance haben, sich offen zu präsentieren. Das beginnt schon in der schulischen Bildung, wo Kunst an sich nur sehr oberflächlich gelehrt und die Theorie fast ausgelassen wird.“ Auch die Politik bezieht sie in ihre Kritik mit ein. „Gerade wenn die Entscheidungsträger nicht an Kunst interessiert sind, bleiben wir auf der Strecke. Zwar gibt es Konzepte wie die primär kontrollierte „Academie of arts“ – aber wenn ausschließlich Stillleben oder derart abstrakte Kunst akzeptiert wird, bei der sich oft nur erahnen lässt, welcher Gedanke dahinter steckt, ist es hart“, sagt Rózsa. „Kunst mit Aussage, insbesondere über politische oder wirtschaftliche Entwicklungen, wird kaum gefördert. Kritische Kunst ist scheinbar für die Politik ein Tabu. Aber die Frage ist doch: Sieht das die Gesellschaft auch so?“ Für Rózsa ein zusätzlicher Ansporn. „Ich male nicht, um reich zu werden, sondern, um etwas zu bewegen.“
Für weitere Informationen: