Im säkularen Europa, wo religiöse Überzeugungen als Privatsache gelten, sind nun Glaubensfragen in die öffentliche Domäne eingebrochen. Avi Snyder ist der europäische Direktor von „Juden für Jesus“ und lebt seit fünf Jahren in Budapest. Die Budapester Zeitung sprach mit ihm über die Osterbotschaft, eine Botschaft des Friedens.
Was ist „Juden für Jesus“? Viele Leute würden meinen, dies sei ein Widerspruch. Entweder ist jemand Jude oder Christ?
Wenn Jesus der jüdische Messias ist, dann ist es die natürlichste Sache der Welt, dass wir als Juden an Ihn glauben. Aufgrund von Geburt und kulturellem Erbe sind wir Juden. Aber wir glauben, dass Jesus oder Yeshua, wie Er auf Hebräisch genannt wird, der jüdische Messias ist. Wir sind also jüdische Christen oder messianische Juden. Yeshua wurde uns im Alten Testament versprochen. Moses und die Propheten erklären, dass der Messias für unsere Sünden sterben und dann von den Toten auferstehen werde. In gewissen Sinn ähneln wir den Gläubigen des ersten Jahrhunderts, welche Juden waren. Wie sie möchten wir, dass die Menschen von der Botschaft Gottes erfahren und dass sie Kenntnis von Seiner Liebe haben, Seinem Angebot von Vergebung und von Seinem Versprechen, Frieden zu bringen.
Viele Menschen haben großen Zweifel, welchen Friedensbeitrag die Religion leisten kann. Tatsächlich existiert immer mehr die Überzeugung, dass die Religion selbst das Problem ist. Wie denken Sie darüber?
Niemand kann bestreiten, dass im Laufe der Geschichte im Namen Gottes viel Unrecht verübt worden ist. Aber die Religion an sich als Ursache für alle Aggressionen zu bezichtigen, ist wirklich nicht korrekt. Die Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen und Römer der Antike haben gnadenlose Kriege geführt, um ihre Reiche auszudehnen, nicht um ihre religiösen Ideen zu verbreiten. Allein im letzten Jahrhundert haben faschistische und kommunistische Regime Millionen von Menschen abgeschlachtet, ohne an einen Gott zu appellieren.
Im Lichte der Flüchtlings- beziehungsweise Migrantenkrise, den letzten Terroranschlägen und der Möglichkeit weiterer Gewalt wird den Menschen bewusst, wie zerbrechlich der Frieden ist, und dass anhaltender Friede möglicherweise nur eine Illusion ist.
Wirklicher Friede ist nicht gleichzusetzen mit dem Fehlen oder der Unterbrechung von Feindseligkeiten. Der Friede, den Jesus anbietet, ist viel umfassender und reicher als der Friede, den wir uns normalerweise wünschen. Die Idee des biblischen Friedens kann man am besten mit dem hebräischen Wort „Shalom” umschreiben. Es beinhaltet einen Sinn von Ganzheit, Erfüllung und Zufriedenheit. Wenn der auferstandene Messias seine Jünger trifft, grüßt Er sie mit den Worten: „Shalom alechem – Friede sei mit Euch!”. Ostern feiert die Tatsache, dass Yeshua lebt. Weil Er lebt, können wir uns Ihm nähern, seine Vergebung erhalten und in Seinen perfekten Frieden eintreten. Die hebräischen Schriften bezeichnen den Messias als Friedensprinz. Jesus selbst verspricht: „Meinen Frieden hinterlasse ich Euch, meinen Frieden gebe ich Euch; Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn; Lasst Eure Herzen nicht verzagen; Fürchtet Euch nicht.” (John 14:2). Sollten wir nicht herausfinden, ob dieses Versprechen wahr ist, besonders in einer Zeit, in der das Verlangen nach Frieden so viel bedeutet?
Man könnte argumentieren, dass das Fehlen von Frieden in der Welt zeigt, dass Jesus nicht der Messias war.
Die Schriften sagen ganz klar, dass der Tag kommen wird, wenn „die Wölfe bei den Lämmern wohnen” (Jes. 11:6) und Nationen „ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden” werden (Jes. 11:4). Die Schriften sprechen aber auch davon, dass der Messias für unsere Sünden sterben und von den Toten auferstehen muss (Jes. 53), bevor Er universellen Frieden bringt. Zusammenfassend könnte man sagen, dass Jesus das Grundproblem überwinden musste, nämlich unsere Entfremdung von Gott – mehr noch, unseren Kampf mit Gott. Er bietet Seinen Frieden, Seine Vergebung und Seine immerwährende Freundschaft als Geschenk für alle, die Ihm vertrauen und an Ihn glauben. Wir könnten also sagen, dass das Fehlen von Frieden seinen Grund in der Ablehnung dieses Angebotes hat.
Im Nahen Osten gibt es einen Konflikt zwischen Juden, Christen und Muslimen, weil diese unterschiedliche Ansichten darüber haben, wer die richtige Beziehung zu Gott hat und wer folglich von Gott begünstigt wird. Glauben Sie, dass es Hoffnung für diese Region gibt?
Meine Kollegen und ich sagen gerne, dass die Hoffnung für Frieden im Nahen Osten vor etwas mehr als 2000 Jahren geboren wurde. Friede ist möglich, aber nicht durch ein Programm, sondern durch eine Person, den Messias Jesus. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir einen Dokumentarfilm mit dem Titel „ Der verbotene Friede” produziert. Er enthält die erstaunlichen Geschichten von israelischen und palästinensischen Gläubigen, die aufgrund ihres gemeinsamen Glaubens an den Messias Yeshua in liebevoller Freundschaft verbunden sind. Zwei der Männer im Film, ein ehemaliger palästinensischer Terrorist und ein ehemaliger Soldat der israelischen Armee, sprechen in der ganzen Welt gemeinsam vor Gruppen über Frieden und Versöhnung, die für alle verfügbar sind, die Vertrauen in Yeshua haben.
Wie steht es mit den Gewalttaten derer, die behaupten, an Jesus zu glauben? Solche Handlungen machen es schwer, diese Botschaft ernst zu nehmen.
Als Jude bin ich mir sehr wohl der Liste von Verbrechen bewusst, die mit den Namen von Jesus verknüpft sind. Aber in aller Fairness: Ist es richtig, Jesus zu verurteilen, weil bösartige Menschen schreckliche Verbrechen in Seinem Namen begangen haben? Ihre Taten stehen in völligem Widerspruch zu allem, was Jesus gelehrt hat. Ebenso wenig wie wir die medizinischen Wissenschaften für die Verbrechen verurteilen, die Dr. Mengele in Auschwitz begangen hat, sollten wir Jesus für die Verbrechen verurteilen, die in Seinem Namen von grausamen Menschen begangen wurden.
Wie steht es mit der Aussage von Jesus: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert”?
Das „Schwert”, von dem hier die Rede ist, ist das Schwert der Unterscheidung oder Entscheidung. Wir müssen uns entscheiden, ob wir für Ihn sind oder nicht. Es kommt oft zu Konflikten innerhalb einer Familie oder unter Freunden, wenn jemand beschließt, Yeshua zu folgen. Dies kann insbesondere in Kulturen der Fall sein, die Gospel-resistent sind, wie die jüdische oder muslimische Kultur. Das Schwert der Unterscheidung trennt auch Gläubige, welche eine persönliche Beziehung zum Messias haben, seiner Lehre folgen und folglich den versprochenen Frieden ausstrahlen, von denen, die nur eine religiöse Überzeugung haben oder einer religiösen Tradition folgen aber keine Transformation erlebt haben.
Kennen Sie Familien, die ursprünglich entzweit waren, und dann später wieder zusammengefunden haben?
Es wäre eine große Freude für mich, wenn ich Sie mit meinen lieben Freunden, Manfred und Laura Wertheim bekannt machen könnte. Beide sind in Deutschland geborene Juden, die den Holocaust überlebt haben. Zu Beginn der 70er Jahre haben ihre beiden Söhne, Stephen und Robert, begonnen, an Jesus zu glauben. Manfred und Laura waren so ärgerlich, dass Manfred gedroht hatte, den jüdischen Gläubigen, der ihren Söhnen von Yeshua erzählt hat, vom Balkon zu werfen. Innerhalb eines Jahres haben aber Manfred und Laura die Veränderungen bemerkt, die Jesus im Leben ihrer Söhne bewirkt hat. Sie selbst studierten die Schriften mit offenem Verstand und fanden am Ende ebenso Frieden mit Gott durch ihren Glauben an Jesus. Jetzt glauben drei Generationen von Wertheims an Jesus. Manfred und Laura, ihre Söhne und Schwiegertöchter sowie die erwachsenen Enkel.
Christen auf der ganzen Welt haben vor kurzem Ostern gefeiert. In der zweiten Aprilhälfte werden die Juden Pessach feiern. „Juden für Jesus“ bietet christlichen Gemeinden an, den Kontext der Worte „dies ist mein Leib – dies ist mein Blut” zu erklären. Was genau passiert bei diesen Gelegenheiten?
Uns ist sehr daran gelegen, unseren Mitgläubigen ein tieferes Erleben und eine tiefere Wertschätzung der jüdischen Wurzeln unseres christlichen Glaubens zu vermitteln. Was Christen das Abendmahl, die Kommunion oder Eucharistie nennen, hat seine Wurzeln in einer Tradition, die auch heute während des Pessach-Festes lebendig ist. Nach dem Mahl nimmt man ein Stück ungesäuertes Brot, Matzah genannt, und einem Kelch Wein, den Kelch der Erlösung. Wir Juden essen das Stück Brot und trinken den Wein in Erinnerung an das Blut und die Leiber der ersten Pessach-Lämmer, die geschlachtet wurden, um uns von der ägyptischen Gefangenschaft zu befreien. Bei seinem letzten Abendmahl benutzte Jesus dieselben Elemente, um auf sein Opfer hinzuweisen, welches Er erbringen würde, um uns alle aus der Gefangenschaft von Sünde und Tod zu befreien. Kein Wunder, dass Johannes der Täufer Ihn „das Lamm Gottes nennt, das die Sünden der Welt hinweg nimmt“. (Joh. 1:29)
Informationen zum bevorstehenden Pessach-Fest gibt es, allerdings nur auf Ungarisch hier: www.zsidokjezusert.hu.
Das Gespräch führte Sonja Lázár.