Am vergangenen Mittwoch nahm das Parlament eine Änderung am Haushaltsgesetz vor, die es in sich hat: Fortan kann die Regierung ohne Zustimmung der Abgeordneten über gewisse Ausgabenpositionen entscheiden. Während die Opposition nunmehr das Ende der parlamentarischen Demokratie gekommen sieht, beruhigt der Fidesz die Öffentlichkeit mal wieder mit europäischen Praxisbeispielen. Die Wahrheit liegt wie so oft wohl auch dieses Mal irgendwo in der Mitte.
Einen Monat musste sich der das Ministerpräsidentenamt leitende János Lázár gedulden, bis seine Vorlage zur Modifizierung des Haushaltsgesetzes behandelt wurde. Dann ging es umso schneller: Im Haushaltsausschuss wurde die Novelle in nur 20 Minuten durchgewunken, im Parlament nach einigen Stunden abgehakt. So geschieht das neuerdings mit allerhand Rechtsnormen, die nach dem Geschmack der mit annähernder Zweidrittelmehrheit weiterhin uneingeschränkt regierenden Fidesz-KDNP- Koalition zurechtgezimmert werden. So geschehen nun auch mit dem Haushaltsgesetz, das künftig mittels Regierungsbeschluss oder Verordnung einzelner Minister korrigiert werden kann, ohne dass dazu die Meinung des Parlaments eingeholt werden muss. Damit wird aber nicht etwa nur die Opposition, sondern ebenso das für die Haushaltsplanung zuständige Wirtschaftsressort und obendrein das Kontrollgremium des Budgetrates ausgebootet.
Steuermehreinnahmen flexibel handhaben
Lázár ging es in der Vorlage darum, Mittel für öffentliche Aufgaben bereitzustellen, auch wenn die Deckung in dem Moment nicht gegeben ist. Der Wirtschaftsminister wird angehalten, dieses Haushaltskapitel gewissermaßen nachträglich einzurichten bzw. die Mittel innerhalb des Haushalts aus anderen Kapiteln umzuschichten – bis zum Jahresende sollten alle auf diese Weise entstehenden Löcher im Budget wieder gestopft sein. Zur Rechtfertigung wurde angegeben, Mittel dürften ausschließlich unter Verwendung frisch erwirtschafteter Ersparnisse bereitgestellt werden, nicht jedoch auf dem Weg eines höheren Defizits. Hinsichtlich der Haushaltsreserve bleibe zudem die Schranke bestehen, wonach im ersten Halbjahr maximal 40 Prozent zugewiesen werden dürfen.
Es geht der Regierung um eine flexiblere Handhabung der Haushaltsmittel – im vergangenen Jahr zum Beispiel mussten drei Haushaltskorrekturen erst langwierig im Parlament abgestimmt werden. Der praktische Hintergrund sind die in jüngster Zeit regelmäßig überschüssig anfallenden Steuereinnahmen, die Lázár erklärtermaßen ohne Umschweife und zweckdienlich einsetzen würde.
Regieren per Dekret – undemokratisch wie in den USA
Die Opposition glaubt der Regierung aber nicht, dass die Kontrolle des Parlaments bewahrt bleibe, nur weil nachträglich über jede einzelne Haushaltsmodifizierung Rechenschaft abgelegt werden müsse. Die Vorwürfe handeln vom Regieren per Dekret, von einem „unmündig gemachten Wirtschaftsminister Mihály Varga“ und ständig weiter beschnittenen Befugnissen des Parlaments. Da die Gesetzesänderung mit der Haushaltsplanung für 2017 zusammenfällt und 2018 Wahlen anstehen, liegt außerdem der Verdacht nahe, dass hier ein typischer Wahljahr-Haushalt zusammengezimmert wird. (Dabei schichtet die amtierende Regierung vor dem Wahltermin im Frühling schwere Milliardenbeträge um, in dem Glauben, dass eindrucksvoll inszenierte Übergaben von Infrastrukturprojekten, von Autobahnen, Kliniken, Schwimmbädern oder Bahnhöfen die Wähler bei der Stange halten.)
Diese Kritiken relativierend sei angemerkt, dass die Umgruppierung von Finanzmitteln innerhalb eines gegebenen Haushaltskapitels schon bislang Vollmacht der Regierung und nicht des Parlaments war. Nun werde der Wirtschaftsminister beauftragt, die nachträglichen Umschichtungen vorzunehmen. Die von den Sozialisten angebrachte Generalkritik, in einem demokratischen Rechtsstaat sei das Regieren per Dekret unzulässig, kann der Fidesz nur aus seiner Position der Stärke abschmettern. Die Regierungspartei verweist bei der Verteidigung ihres Vorgehens recht bemerkenswert auf das Beispiel Italiens, wo gerade die übermächtige Stellung des Parlaments in Haushaltsbelangen wiederholt zu Regierungskrisen führte. Dabei hätte man in der Demokratiedebatte ganz einfach das angebliche Musterland bemühen können: In den USA ist nicht erst der amtierende Präsident Barack Obama dahinter gekommen, den Kongress mittels Dekreten zu übergehen.