„Dual“ – an diesem Begriff kommt man heutzutage in Ungarn nicht mehr vorbei. Die Idee ist es, in der Berufsschule oder Hochschule Theorie und Praxis zu kombinieren und so junge Menschen zu kompetenten Fachkräften auszubilden. Das klingt theoretisch gut – doch wie sieht die Umsetzung in Ungarn aus?
Letzten Dienstag versammelten sich auf Einladung der „Swisscham Hungary“ und weiteren Partnern Gäste aus Wirtschaft und Bildung im Veranstaltungszentrum Larus, um sich über duale Ausbildung auszutauschen. Unternehmer aus den unterschiedlichsten Branchen zeigten sich sehr interessiert, dieses hierzulande neue System kennenzulernen.
Obwohl Ungarn das baden-württembergische Modell adaptierte, habe auch in der Alpenrepublik die duale Ausbildung von Unternehmen und Berufsschulen eine lange Tradition, führte der Schweizer Botschafter in Ungarn, Jean-Francois Paroz, aus. “Sag es mir und ich werde es vergessen, zeig es mir und ich werde es vielleicht behalten, lass es mich tun und ich werde es können”, zitierte er den US-amerikanischen Erfinder und Staatsmann Benjamin Franklin. Von einem dualen Ausbildungssystem profitieren Paroz zufolge alle: „die jungen Menschen haben Jobaussichten, die Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter und der Staat eine geringe Jungendarbeitslosigkeit.“ Außerordentlich wichtig sei es, zu vermitteln, dass eine Ausbildung eine Karrierechance für junge Menschen sei – und kein Studium zweiter Klasse. Eine solche fehlgeleitete Einschätzung führe zu einer höheren Arbeitslosigkeit unter Akademikern und einem Mangel an Arbeitskräften in praktischen Berufen.
In Ungarn wird die Ausbildung ähnlich wie in den deutschsprachigen Ländern von Kammern organisiert, berichtete László Odrobina, stellvertretender Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Es wird ein trilateraler Vertrag zwischen Schüler, Unternehmen und Schule abgeschlossen, wobei sichergestellt werden müsse, dass die Rechte aller Parteien, insbesondere aber der jungen Menschen berücksichtigt werden. Momentan bestehen in Ungarn circa 54.000 Verträge verteilt auf 9.550 Firmen. Ziel für die Zukunft sei es, doppelt so viele Firmen zu gewinnen.
Ádám Szigeti, Abteilungsleiter im Sozialministerium, erklärte, dass Ungarn zwar das duale Studium von Baden-Württemberg übernommen habe, aber Ungarn vielleicht noch besser sei, denn in Deutschland sei Bildung nicht zentralisiert gestaltet, was ein Hindernis sei. Im Semester 2015/16 studierten 400 Studenten an 19 Hochschulen dual. Das Feedback sei durchweg positiv: Duale Studenten haben trotz einer höheren zeitlichen Belastung bessere Noten als nicht-duale. Damit steht eine Expansion außer Frage: Bis 2020 sollen laut Szigeti acht Prozent der Studenten Theorie und Praxis kombinieren.
Bei der Diskussion wurde im ersten Panel unter anderem der Wert von kleinen und mittelgroßen Unternehmen als „Bauch“ der Wirtschaft und der Durchlässigkeit des Systems betont. Weiterhin wurde gefragt, inwieweit weitere Berufszweige dual ausbilden können – möglich sei dies auch für Naturwissenschaften und die soziale Arbeit. Eine Umsetzung bei Fächern wie Kunst oder den Sozialwissenschaften sei aber eher schwierig. Im zweiten Panel konnten Vertreter aus Bildung und Wirtschaft der Regierung Verbesserungsvorschläge unterbreiten: Es wurde dabei unterstrichen, wie bedeutend es sei, Unternehmen durch Werbung und finanzielle Anreize zu locken. Auch ein dualer Master sei eine gute Idee. Am wichtigsten aber sei es, in Unternehmen einen Kulturwandel zu fördern, sodass sie jungen Studenten bereits verantwortungsvolle Aufgaben anvertrauen.