In der Sonntagsschlussfrage scheint die Regierung mit der Entscheidung der Kurie vom Mittwoch ganz offensichtlich am Ende ihres Lateins angelangt zu sein. Mit ihren vielfältigen Anstrengungen, das Zustandekommen einer sozialistischen Referendumsfrage zu verhindern, gab sie schon zuvor nicht gerade ein überzeugendes Bild ab. Jetzt kann man gespannt sein, ob sich die Regierungsseite mit dem für sie negativen Entscheid in Sachen Referendum abfindet, oder ob sie gerade daran tüftelt, mit irgendeiner juristischen Spitzfindigkeit der Morgenluft witternden Opposition in letzter Minute doch noch in die Referendumssuppe zu spucken und die für sie höchst unangenehme Volksabstimmung abzuwenden.
Dass einige im Regierungslager in der Wahl der Mittel, ein Referendum zu verhindern, nicht gerade zimperlich sind, hat die Glatzenaktion jüngst anschaulich bewiesen. Die bekundete Bereitschaft, ohne Rücksicht auf Verluste den penetranten sozialistischen Volksbefragern in die Parade zu fahren und wenn es sein muss, sogar jenseits der Grenze zur Legalität gegen sie weiterzufechten, lässt jedoch die Vermutung zu, dass die Regierungsseite in der Sonntagsfrage nicht so schnell klein beigeben wird und noch irgendein As im Ärmel versteckt hält. Bei der hohen Dichte an Juristen sollte es schon verwundern, wenn zeitgleich mit der Siegesfreude der Opposition auf Regierungsseite nicht gerade eifrig an möglichen juristischen Fallstricken für das Sonntagsreferendum gebastelt wird.
Dass die Regierung doch noch eine vage Hoffnung sieht, das Referendum zu verhindern, könnte auch erklären, warum sie bis zur letzten Minute nichts unternommen hat, um die Initiative zurückzugewinnen. Irgendeine Studie hätte sich doch sicher finden lassen, die plötzlich herausgefunden hat, dass am Sonntag geöffnete Geschäfte der Volkswirtschaft mehr nützen als schaden. Vielleicht hätte man auch der immer wieder beschworenen Terrorgefahr in diesem Fall etwas Positives abgewinnen können. Wäre es in Anbetracht der immer bedrohlicheren Gewitterwolken nicht sinnvoll dafür zu sorgen, dass sich die Bevölkerung auch an Sonntagen mit Lebensmitteln eindecken kann?
Das wären nur zwei mögliche Erklärungsansätze. Die gut bezahlten Regierungsberater hätten sicher noch weitere Gründe fabrizieren können, um der Bevölkerung nachvollziehbar klarzumachen, dass ihr sonntäglicher Einkaufsbummel wieder voll auf Regierungslinie liegt, ja geradezu erwünscht ist. Und überhaupt: Es hält sich das Gerücht, dass das sonntägliche Einkaufsverbot im Sinne seines Erfinders nur eine Machtdemonstration war. „Seht her, wenn ich will, geht keiner von euch mehr am Sonntag einkaufen. – Warum? – Weil ich die Macht dazu habe!“ Was für ein nettes Märchen vom Zugeständnis an den winzigen, sogenannten Koalitionspartner KDNP. Seit wann wedelt der Schwanz mit dem Hund?! Nein, es gab sicher ein höheres Interesse daran, die Läden am Sonntag zuzusperren.
Wenn wir es hier aber wirklich mit einer Machtdemonstration zu tun haben, dann könnte man mit geschickter PR auch das Wiedereröffnen der Geschäfte in eine ebensolche verwandeln. Der oberste Lenker des Landes schließt die Geschäfte an Sonntagen und lässt sie dann auf einen gnädigen Fingerzeig hin wieder öffnen. Und wenn er mal wieder an seiner Macht und Durchsetzungsfähigkeit zweifelt, dann schließt er sie eben wieder. An Sonntagen. Oder origineller Weise auch mal wie Museen an Montagen. Das Ganze taugt freilich aber nur dann als Machtdemonstration, wenn die Initiative zum Öffnen oder Schließen der Geschäfte von ganz oben kommt. Spätestens seit der jüngsten Kurienentscheidung in Sachen Referendum ist dieser Eindruck aber nur noch schwerlich aufrecht zu erhalten.
Derzeit sieht es sogar ganz so aus, als hätte die Regierung nur noch die Wahl, das sonntägliche Verkaufsverbot in Anbetracht eines sich klar abzeichnenden Referendumssieges der Sonntags-Shopper vorauseilend zu kippen oder abzuwarten, bis die Volksmeinung ihren Daumen über das betreffende Gesetz gesenkt hat und erst dann zu handeln. Im ersten Fall würde die Regierung immerhin noch einen Rest an Initiative behalten. Und natürlich würde sie, je eher sie handelt, auch die Zeitspanne verkürzen, in der die Opposition im Vorfeld des Referendums munter Wahlkampf betreiben kann. Die Orbán-Regierung ist immer für Überraschungen gut. Zieht man im vorliegenden Fall aber sämtliche Möglichkeiten und Szenarien in Betracht, dann beschleicht einen der Eindruck, dass sich die beim Beschreiten unorthodoxer Lösungswege sonst nicht verlegene Regierung hier doch etwas vergaloppiert hat und es für sie jetzt höchstens noch um die Minimierung des Imageverlustes gehen kann.
Aber warten wir erst einmal ab, welche Wendungen das Gerangel um das Referendum noch nimmt!