Die „Schwester in schwarz“, Mária Sándor, zieht sich aus der ersten Reihe der Bewegung der Gesundheitsarbeiter zurück. Doch mit ihrem Rückzug eröffnet sie neue Optionen.
Von Blanka Sulyok
Ich bin nur eine Lehrerin, und ich möchte Mária Sándor, die „nur eine Schwester“ ist und erschöpft, etwas mitteilen:
Die Nachricht (ihres Rückzugs aus dem öffentlichen Raum – Anm.) haben viele so aufgefasst, als würde sie aufgeben – dabei steigt sie nur aus der „Frontlinie“ aus. Sie bleibt weiterhin mit uns.
Liebe Mária! Wir können Dir nicht dankbar genug sein, dass Du Dich unserer Bewegung angeschlossen hast. Heute gibt es in Ungarn niemanden, der uns und den Bildungssektor glaubwürdiger vertreten könnte. Du kannst Dich nicht verleugnen, denn selbst mit Deinem (teilweisen) Rückzug versuchst Du zu helfen – und bittest die im Gesundheitswesen Arbeitenden, wenn sie Dir neue Hoffnung geben wollen, sollen sie sich uns, den protestierenden Lehrern anschließen.
Ihr, im Gesundheitswesen und im Sozialwesen Arbeitenden, und wir, die Pädagogen, arbeiten für die Menschen, die die Hilfe am meisten brauchen. Ihr für die Kranken, für die Verletzten, die Armen. Wir für die Kinder. Für die, die sich selbst nicht verteidigen können und deren Schicksal fast zur Gänze von der Menschlichkeit derer abhängt, die für sie arbeiten. Was wird mit ihnen, wenn die Luft um Krankenschwestern, Ärzte, Pfleger, Lehrer, Krippenerzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Heilpädagogen und Sozialarbeiter knapp wird? Wir können Dir nicht dankbar genug sein – in der modernen Pädagogik ist es offensichtlich, dass nicht Moralpredigten, sondern nur durch das gelebte Beispiel solche Lehren gelehrt werden können, die wichtiger sind als die Wortarten und der Satz des Pythagoras.
Menschlichkeit, Mut, Empathie, Aufopferungsbereitschaft – alles leere, abgedroschene Phrasen, denen Du neues Leben und neuen Inhalt eingehaucht hast.
Sie sagen, wir sollen nicht „politisieren“ – wir sollen unsere Köpfe und unsere Stimmen nicht für die Unterdrückten, Gedemütigten erheben. Sie sagen, früher war es auch schlecht – soll das der Grund dafür sein, dass es nie gut wird? Uns, die wir uns Tag für Tag mit Menschen beschäftigen, ist es vollkommen gleichgültig, ob jemand aus christlichen Verhältnissen oder liberal-urbanem Umfeld stammt. Für uns zählen unsere Arbeit und der Mensch, nicht die Ideologie.
Ihr würdet heilen wollen, wir würden unterrichten wollen – unter ruhigen, der Zeit angemessenen und menschlichen Bedingungen.
Du hast Recht – vollkommen umsonst haben sich bisher zahllose Pädagogen für eine moderne, auf die Kinder fokussierte Bildungspolitik ausgesprochen; eine Chance auf Veränderung besteht nur dann, wenn die Gedemütigten zusammenhalten. Mit Deinem mutigen Auftreten hast Du ein Beispiel gegeben und damit eine riesige Last auf deine zarten Schultern geladen. Hoffentlich gehen die Geschehnisse hier nicht zu Ende, sondern fangen jetzt erst wirklich an. Jetzt sind wir an der Reihe, beispielhaft zusammenzuhalten. Jeder, der bisher bedauerte und sich dafür schämte, Dir bisher nicht geholfen zu haben, hat nun eine weitere Chance bekommen.
Sie sagen, Ärzte und Schwestern sollen sich um Kranke, Lehrer um Schüler kümmern.
Dabei fällt mir hierzu immer das Piktogramm im Flugzeug ein, das Erwachsene dazu aufruft, immer erst ihre eigene Sauerstoffmaske aufzusetzen, wenn es zum Druckabfall kommt. Vielleicht brauchen wir genau dies am dringendsten – ein tiefer Atemzug des Duftes von Freiheit und Wandel. Damit wir Kraft zum Handeln haben – auch über den letzten Moment hinaus.
Der hier wiedergegebene Brief erschien am 4. April auf der Homepage der „Ich will unterrichten!“- Bewegung tanitanek.com.
Aus dem Ungarischen von
Elisabeth Katalin Grabow