
Ulrich Bettermann überreicht Hans-Dietrich Genscher im April 2013 am ungarischen Standort von OBO Bettermann in Bugyi den „OBO Management Award“. Flankiert wird er dabei von seinen Söhnen Christoph (links) und Andreas. (BZT-Foto: Jan Mainka)
- Ulrich Bettermann
Das Wirken von Hans-Dietrich Genscher in höchsten politischen und staatlichen Ämtern ist von geschichtlicher Bedeutung für das Leben der Menschen, Völker und Staaten in Deutschland, Europa und der Welt gewesen. Mit ihm verbindet mich seit über 40 Jahren auch eine enge und wirklich persönliche Freundschaft, die unvergessen bleibt.
Hans-Dietrich Genscher ist schon zu Lebzeiten eine Legende als Bundesaußenminister und Vizekanzler gewesen. Er hat Deutschlands Ansehen in der Welt wie kein anderer gemehrt. Die Wirkung seiner politischen Leistungen und Erfolge hält bis heute an und ist zum Maßstab geworden.
Hans-Dietrich Genscher ist Architekt und bauausführender Unternehmer bei der Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas gewesen. Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Aussöhnung und Frieden in der Welt sind die Meilensteine seines politischen Weges. Wir alle verdanken Hans-Dietrich Genscher viel.
Bei aller Freundschaft war für ihn entscheidend, dass die Dinge weiter vorangehen und wir nicht nachlassen in unseren Anstrengungen. Diese Einstellung hat uns beide persönlich miteinander verbunden. Für mich, der die Kriegsfolgen unmittelbar erlebt und den Zusammenbruch nach dem zweiten Weltkrieg nicht vergessen hat, blieben die staatliche Vereinigung Deutschlands in Freiheit und die Einheit Europas ein selbstverständliches politisches Gebot. Ich bin dankbar, dass wir das erreichen konnten.
Genscher war es, der zu Beginn der Kohl/Genscher-Regierung Anfang der 1980er Jahre den öffentlichen Fauxpas des neuen Kanzlers korrigieren konnte, Michail Gorbatschow nicht ernst zu nehmen. Hans-Dietrich Genscher hat in seiner unnachahmlichen Art, Vertrauen zu bilden, das durch einen unsäglichen Vergleich Kohls schwer beschädigte Porzellan wieder zusammengefügt. Später durfte ich dabei mithelfen; zwischen Gorbatschow und mir entwickelte sich eine Freundschaft, als seine an Leukämie erkrankte Frau hier in Westfalen in der Universitätsklinik Münster behandelt wurde.

Ulrich Bettermann, Außenminister a.D. Hans-Dietrich Genscher, sein späterer Amtsnachfolger Frank-Walter Steinmeier und Andreas Bettermann. (Foto: OBO)
2013 hat unser Unternehmen in seinem ungarischen Werk Hans-Dietrich Genscher mit dem OBO Management Award geehrt. Wir hätten kaum einen besseren Ort für diese Auszeichnung finden können als Ungarn. Denn die Ungarn haben 1989 den ersten Stein aus der Berliner Mauer gebrochen. Mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze war der eiserne Vorhang, der Europa seit 1945 von Lübeck bis nach Triest mitten durch den Kontinent geteilt hatte, durchlässig geworden und bald ganz gefallen. Der Kalte Krieg in Europa ging zu Ende. Europa hat seine Einheit in Freiheit wiedergefunden. Damals ging die Sonne für Europa in Ungarn auf.
Wenige Jahre später kam mein Freund Hans Dietrich Genscher zu mir und sagte: „Die Menschen vergessen schon wieder, was wir 1989 geschaffen haben. Wir sollten Michail Gorbatschow, dem letzten Präsidenten der Sowjetunion, dankbar sein.“ 1993 habe ich dann das Mendener Forum ins Leben gerufen und Michail Gorbatschow, Henry Kissinger und natürlich Hans-Dietrich Genscher auf die Bühne am Stammsitz unseres Unternehmens geholt. Die ARD übertrug weltweit, und wir Vier fanden uns am nächsten Tag sogar in Peking auf der Titelseite der China Morning Post wieder. Froh war ich, als wir 2014 die Bemühungen Hans-Dietrich Genschers um Freilassung von Michail Chodorkowskij unterstützen konnten und den von Russlands Präsident Wladimir Putin Begnadigten von St. Petersburg nach Berlin in einem OBO Jet ausfliegen konnten.
Bei meinem sechzigsten Geburtstag haben Gerhard Schröder und Hans-Dietrich Genscher aus dem Nähkästchen geplaudert. Coram publico berichtete Genscher, dass Franz Josef Strauß es war, der ihn mit mir zusammengebracht hatte und später ein wenig neidisch auf unsere gute Freundschaft war. Ebenfalls wusste er zu erzählen, dass wir nach der Einweihung der neuen deutschen Botschaft in Saudi-Arabien von Riad wollten zum damaligen irakischen Herrscher Saddam Hussein ins Kriegsgebiet nach Bagdad weiterfliegen wollten. Dort tobte in den 1980er Jahren der Iran-Irak-Krieg. Von Genschers zwölfköpfiger Delegation war nur noch einer übrig, was Genscher später so beschrieb: „Uli ist ein Mann, der sich nicht in die Büsche schlägt, wenn es brenzlig wird.“
Jetzt habe ich Gelegenheit, dieses großartige Kompliment zurückzugeben. Staatsmänner wie Hans-Dietrich Genscher schaffen den Rahmen, in dem Unternehmen wie OBO Bettermann weltweit erfolgreich sein können. Denn Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind auf Dauer unverzichtbare Voraussetzungen, um erfolgreich wirtschaften zu können, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Deshalb müssen wir Europa festigen und die Vertrauensgrundlagen erneuern. So bewahren wir das Erbe Hans-Dietrich Genschers.