Von Bálint Misetics
Die „Ich will unterrichten!“-Bewegung (ung.: „Tanítanék“) rief dazu auf, die Arbeit für eine Stunde niederzulegen, um den zwölf sofortigen Forderungen und den langfristig verlangten Systemveränderungen im Bildungssektor Nachdruck zu verleihen. Die Bewegung ist der Unterstützung all derer würdig, die für Verfassungsmäßigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und gesellschaftliche Gerechtigkeit einstehen. All solche Werte, die von der aktuellen Regierung mit Füßen, ja mehr noch: mit schweren Stiefeln getreten werden. Die Kettensäge ist das derzeit beliebteste städteplanerische Werkzeug und gleichzeitig auch ein Symbol für das Verhältnis der Regierung zu allem, was in der Zeit zwischen 1990 und 2010 wichtig war – so auch die schulische Chancengleichheit und die Bemühungen zum Abbau der ethnischen Segregation.
Der Aufruf zum zivilen Ungehorsam der Zivilen Bildungsplattform und der Tanítanék-Bewegung ist deswegen so ausgesprochen schön, weil es in den zwölf Punkten (denen durch den Ungehorsam Nachdruck verliehen werden soll) eben nicht nur um die Probleme der Lehrer und der Mittelschicht im Bildungssektor geht, sondern darum, dass mit deutlicher Klarheit auch das Eindämmen der immer mehr um sich greifenden Segregation von Roma-Schülern gefordert wird; ebenso der breitere Zugang zur Mittleren Reife und die bessere Integration von Kindern mit individuellem Betreuungsanspruch.
Da das gültige Streikrecht eher dessen Verhinderung denn Ermöglichung dient, hat sich im Rahmen der Arbeitsniederlegung vom 30. März eine interessante Diskussion entwickelt: Geht es hier um einen Streik oder zivilen Ungehorsam? Dies sind aber keineswegs sich ausschließende Begriffe. Denn das Streikrecht hat sich gerade dadurch entwickelt, dass die Arbeiter trotz fehlender rechtlicher Grundlage vom Streik Gebrauch machten. (…)
Die Arbeitsniederlegung der Pädagogen ist gleichzeitig ziviler Ungehorsam und Streik („Wildkatzenstreik“, wie man in den USA sagt), unabhängig davon, was etwaige Gewerkschaftsführer oder die Buchstaben des Streikgesetzes sagen (…). Da das Streikrecht in Ungarn in einem erbarmungswürdigen Zustand ist (besonders für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst), ist schon allein das Verstoßen gegen dieses Gesetz ein herausragendes Beispiel für zivilen Ungehorsam im heutigen Ungarn. (…)
Liebe Pädagogen, ihr seid nicht allein. Wenn auch einige Gewerkschaftsführer nicht mit euch – oder nicht mit dem erforderlichen Mut mit euch sind, Millionen andere sind es. Seit dem Beginn der Bewegung ist Ungarn ein besserer, liebenswerterer Ort geworden, die Straßen sind schöner, die Luft sauberer geworden.
Wir, die nicht in der Lage sind, euch bei eurer Arbeitsniederlegung am 30. März zu unterstützen – sei es durch die Arbeitsniederlegung selbst oder durch die Unterstützung einer solchen Institution – wir können nur hoffen, dass ihr einander vertraut; vertraut darauf, dass sich genügend Menschen anschließen, sodass es die Regierung nicht wagt, Retorsionen gegen die Teilnehmer zu veranlassen; vertraut darauf, dass, sollte es doch dazu kommen, euch eure Brüder im Schicksal und im Geiste beistehen; vertraut darauf, dass ihr auch in der Not nicht allein bleibt.
Der unerwartete Erfolg der Geldsammelaktion der „Partei des zweischwänzigen Hundes“ (MKKP) (als die ungarische Gesellschaft binnen weniger Tage mehrere Zehnmillionen Forint spendete, um der fremdenfeindlichen Plakatkampagne der Regierung ein Gegengewicht zu bieten), der zivile Ungehorsam gegen Wohnungsräumungen im Budapester Bezirk Józsefváros (VIII. Bezirk – Anm.) vor wenigen Monaten (als das Vielfache der Geldbußen der beteiligten Aktivisten von Sympathisanten gespendet wurden), die finanzielle Unterstützung von Péter Juhász, der die Vermögensverhältnisse von Premiers Orbán ans Licht bringen will, oder die Demonstrationen, bei denen von den Teilnehmern oft mehr Geld gesammelt wurde, als die Veranstaltung letztlich benötigte, all dies zeigt: Wir sind viele und wir helfen gern, nicht nur moralisch, sondern, wenn möglich, auch mit unserem Geld. Wir helfen gerne all denjenigen, die mutig genug sind, für sich selbst, für andere und für uns alle einzustehen.
Der Kommentar erschien am 23. März auf dem Meinungsportal www.kettosmerce. hu. Der Autor ist Publizist und Aktivist der Gruppe „A Város Mindenkié“ (dt.: Die Stadt gehört allen).
Aus dem Ungarischen von
Elisabeth Katalin Grabow