Das Café – ein Ort, an dem man bei einem Kaffee entspannen, mit der Freundin schnacken oder in einem Buch versinken kann. Doch immer häufiger auch ein Ort, an dem man die Hausarbeit oder das neue Freelancing-Projekt beendet. Heutzutage bieten viele Cafés und Bistros einen kostenfreien Arbeitsplatz der anderen Art. Aber welche Spielregeln gelten für das Arbeiten in öffentlichen Einrichtungen?
„Als ich mit Henrik Vörös vor zwei Jahren meinen Traum verwirklichte, ein Café in Budapest zu eröffnen, war es mir sehr wichtig, das wir unserer Kundschaft nicht nur einen Platz anbieten, um guten Kaffee zu trinken, sondern einen Ort zum Wohlfühlen und Arbeiten – einen Ort mit Wohnzimmeratmosphäre“, berichtet Cafébesitzer Tibor Tímár über sein Kelet-Cafè. Das neue Angebot bringt auch neue Kundschaft. Cafés wie das Kelet und Bistros wie das Konyha ziehen Kaffeetrinker an, die sich beim Arbeiten nach einem Tapetenwechsel sehnen. Sie sind gemütlich mit Retromöbeln, Sesseln und Regalen voller Bücher eingerichtet. Auch Sándor Kenyekes vom Konyha Restaurant hat sich auf seine arbeitende Kundschaft eingestellt: „Wir sind eine Mischung aus Café und Restaurant mit innovativer Küche. Als ich mit meinen Partnern Gergő Fábián, Levente Trellay, Balázs Glódi und Zoltán Sáfár vor anderthalb Jahren das Konyha eröffnete, wollten auch wir nicht nur das reguläre Konzept verfolgen, sondern eine Atmosphäre kreieren, die zum Verweilen einlädt. Wir haben einen Kundenkreis, der zum Arbeiten zu uns kommt. Dadurch, dass diese Gäste zu einer Zeit kommen, in der wir kaum Essen servieren, funktioniert das Prinzip bisher gut.“
Neuer Arbeitsplatz, neue Regeln
Besonders Studenten scheinen sich von dem Angebot angesprochen zu fühlen. An langen Tafeln, kleinen Tischen oder Sofas mit Steckdosen sitzen sie mit ihren Laptops oder dicken Wälzern und können in einer Atmosphäre wie im heimischen Wohnzimmer ihre Arbeit erledigen. Auch kostenloses Wifi steht inzwischen fast überall zur Verfügung.
Diese Art von Langezeit-Café-Besuchen setzt neue Maßstäbe an die Verhaltensregeln. Ganz automatisch scheint sich die arbeitende Kundschaft, von der, die zum Kaffeeklatsch oder Essen kommt, in verschiedene Bereiche zu teilen. „Normalerweise haben wir keine Probleme mit Kunden, die zum Arbeiten zu uns kommen. Manche essen etwas und fangen danach mit dem Kaffee an zu arbeiten. Wenn es Zeit für Mittag oder das Abendessen wird, ziehen sie automatisch an kleinere Tische oder gehen nach Hause“, berichtet Kenyekes über seine Erfahrung im Konyha. Auch wenn ein Lokal einlädt, für mehrere Stunden zu bleiben, sollte die Gastfreundlichkeit nicht überstrapaziert werden. „Einmal hatten wir einen Kunden, der lediglich einen kleinen Saft bestellte, den halben Tag im Sessel saß und las“, erinnert sich Sándor Kenyekes, „Irgendwann kam eine Angestellte zu mir und meinte, dass sie ziemlich sicher ist, dass unser Saft eine andere Farbe hat. Scheinbar hatte der Kunde das Glas mit einem mitgebrachten Getränk wieder aufgefüllt. Solche Erlebnisse sind für uns, die wir sehr viel Arbeit und Liebe in das Restaurant stecken, sehr ernüchternd. Zum Glück kommt so etwas eher selten vor.“ Tibor Tímár hat in seinem Café ähnliche Erfahrungen gemacht. Im Kelet, sind bewusst zahlreiche kleine Tische auf zwei Stockwerken verteilt, damit Besucher, die zum Arbeiten kommen, sich Zeit nehmen können. „Aber natürlich ist es klar, dass jemand, der für Stunden hier sitzt, nach einer Weile Hunger bekommt; auch deshalb bieten wir Kleinigkeiten zum Essen. Eine Stammkundin von uns fing eines Tages an, von zu Hause ihr Mittag mitzubringen und obendrein noch die Reste bei uns zurückzulassen. Das geht natürlich nicht.“ Die beiden unausgesprochenen Gesetze für Langzeitbesucher sind also zum einen, zu Stoßzeiten auch mal Platz für neue Gäste zu machen, und zum anderen, keine mitgebrachten Speisen und Getränke zu verzehren. Gerade das, sollte für jeden Kunden selbstverständlich sein, besonders wenn das Bistro selbst dieses Angebot deckt.
Auch klassische Café-Besucher müssen Rücksicht nehmen
Auch für die klassischen Café-Besucher gibt es ein paar neue Verhaltensregeln. Tibor Tímár berichtet über sein Café: „Da wir primär eher besonderen und hochqualitativen Kaffee servieren, und eben kein Restaurant sind, haben wir kaum Stoßzeiten, zu denen die Tische überfüllt sind. Natürlich kommen nicht nur Leute zum Arbeiten ins Kelet-Café, doch es wird gerade als ein Ort dafür, immer bekannter. Dadurch, dass wir kostenfreies Wifi anbieten, lädt es Gäste wohl zum Skypen ein. Ab und zu müssen wir darauf hinweisen, dass wir Kunden haben, die hier arbeiten und 30bitten darum, dass etwas leiser gesprochen wird.“ Cafés wie das Kelet und Bistros wie das Konyha bieten eine andere Art des Arbeitsplatzes für eine neue Klientel. Ohne Frage werden solche Einrichtungen immer beliebter. Sie funktionieren aber nur so lange, wie das Café oder Bistro nicht überlaufen ist und es sich leisten kann, Langzeitkunden zu haben, die gegebenenfalls innerhalb von Stunden lediglich zwei bis drei Getränke bestellen. Das Konzept beruht auf einem ausgewogenen Verständnis der Gäste, was es heißt, im Dienstleistungssektor tätig zu sein und kann nur so lange bestehen, wie das Angebot nicht schamlos ausgenutzt wird.