Verlässt der gemeine Ungar das Haus, läuft er auf dem macskakő. Zu Deutsch meint das „Kopfsteinpflaster“ – wörtlich aber „Katzenstein“. Die Vierbeiner scheinen für die Magyaren also eine im wahrsten Sinne des Wortes grundlegende Rolle zu spielen. Für Liebhaber gibt es in Budapest immer mehr Lokalitäten, die mit den Tieren kokettieren. Damit Sie nicht die Katze im Sack kaufen, haben wir drei davon getestet: das „CatCafé“, die „Zöld Macska“-Studentenkneipe und die „Macska“-Bar.
Man merkt, dass im „CatCafé“ nahe dem Stadtwäldchen Rékas ganzes Herzblut steckt. Sie renovierte umfassend, sodass hier überall gemütliche Ecken für Mensch und Tier entstanden sind. Die junge Mutter eröffnete das Budapester ihr Bistro als Möglichkeit für jeden, der für ein paar Stunden einen Schmusetiger streicheln möchte. Die Betreiberin glaubt, dass Menschen viel von Katzen lernen können – etwa, wie sie Verbindungen knüpfen und eine angenehme Harmonie ausstrahlen.
Mensch und Tier sind eine Familie
Und die Vierbeiner sind von der Vielzahl an Besuchern nicht abgeschreckt – eher im Gegenteil: „Als das Café einmal für ein paar Tage geschlossen war, warteten die Katzen nach dem zweiten Tag an der Eingangstür auf Gäste, um gestreichelt zu werden. Sie scheinen die Nähe also zu genießen.“ Im Katzencafé geht es vor allem um Gemeinschaft. „Ich komme hier mit vielen meiner Gäste ins Gespräch. Und obwohl ich die meisten nicht einmal kenne, kann jeder seine Ideen einbringen. Es ist hier wie ein großes Wohnzimmer.“ Der Großteil der Besucher ist nicht aus Ungarn – darunter vor allem viele Studenten. Das passt ganz in Rékas Konzept. „Mein Traum ist, dass mein Café Teil des studentischen Kosmos wird. Und sich möglichst viele meiner Gäste später daran erinnern.“ Ein ganz spezielles Exemplar der vier im „CatCafé“ wohnenden Miezen ist Imhotep. Der nach dem altägyptischen Würdenträger benannte Bengalkater ist ein richtiger ‚Bad Boy’: „Sahne vertragen Katzen eigentlich nicht. Wenn dann aber Gäste unsere heiße Schokolade bestellen, schlabbert er ohne Anstalten zu machen das Sahnehäubchen weg.“
Eine Studentenkneipe nicht nur für Studenten
Wir fahren mit der Metró 3 bis Klinikák. In der Nähe der Semmelweis- Universität befindet sich ein paar Treppenstufen abwärts die Studentenkneipe „Zöld Macska“– Grüne Katze. Das Publikum ist gemischt, bisweilen
lassen sich auch Professoren blicken. Der Keller ist mit wild gemischten Stühlen und nicht mehr ganz neuen, dafür aber umso gemütlicheren Sofas eingerichtet. Und wer Deko-Elemente wie zum Beispiel eine Messing-Teekanne auch in den eigenen vier Wänden aufstellen möchte, kann sie hier käuflich erwerben. Eine dieser typischen Studentenbars – könnte man meinen. Doch was hat sie mit Katzen zu tun? Steigt man in den Keller hinunter, stehen die Chancen nicht schlecht, auf Anna zu treffen. Sie arbeitet seit September hier. „In Werken des ungarischen Schriftstellers Jenő Rejtő sind die Orte nach Tieren benannt. Mein Chef nahm sich das zum Vorbild“, erzählt Anna. Warum dann aber grün? „Das könnte mit den Vereinsfarben des Sportklubs „Ferencvárosi Torna Club“ zusammenhängen“, mutmaßt die 20-Jährige.
Gut umsorgt ins intellektuelle Abenteuer
Bestellen kann man zum Beispiel einen „Gute-Nacht-Kuss“ – ein Mix aus Whiskey, Honig, Zimt und warmer Milch. Anna allerdings serviert besonders gern die Spezialität des Hauses, riesige Palatschinken. Die sind selbst für gute Esser eine Herausforderung. Während der Saison werden hier oft Theaterstücke aufgeführt. Gerade läuft „Zene nélkül mit ér a dal?“ (Deutsch: „Was ist ein Lied schon ohne Musik?“). Dabei werden Liedtexte ohne Musik nachgesprochen und so zu einer Geschichte verwoben. Anna war allerdings nicht immer begeistert. „Einige der Texte ergeben wirklich gar keinen Sinn“, meint die Angestellte. Uns zieht es derweil weiter auf der nächtlichen Suche nach dem nächsten Katzen-Etablissement.
Entspannen wie Caesar
In einer Straße mit heruntergekommenen Fassaden und einem wie ein Hochsicherheitstrakt abgeriegelten Kindergarten ist das kunstvoll gestaltete Schild der „Macska“-Bar nicht zu übersehen: eine schwarze Katze auf weißem Grund. Der Name des Pubs ist Programm: Überall finden sich Abbildungen und Statuen der Vierbeiner; an den Wänden hängt jeden Monat wechselnde Fotokunst. Im oberen Stockwerk muss man seine Schuhe ausziehen, kann sich in flauschige Kissen fallen lassen und fühlt sich fast wie Caesar, wenn man in Seitenlage an einer hausgemachten Limonade nippt. Musikalisch begleitet wird der Genuss jeden ersten Mittwoch im Monat vom „Maultrommelclub“, denn „Maultrommel spielen“ klingt auf Ungarisch wie „Schnurren“. Der Gast kann dieses ungewöhnliche Instrument lernen und Teil einer Jam-Session werden. Bei einem solchen Ambiente wird der Besucher sein liebgewonnenes neues Zuhause – wie ein Stubentiger – so schnell nicht mehr verlassen wollen.
Vielfältigkeit zählt
„Das Macska soll ein Ort der Freiheit und Unabhängigkeit sein – ähnlich wie der Charakter einer Katze. Bei uns sind alle willkommen, denn Homogenität ist der Tod, Heterogenität ist das Leben“, erzählt Betreiber Szabolcs. „Deshalb ist am Eingang auch ein Aufkleber mit ‚Refugees Welcome’ angebracht. Unabhängig von der politischen Lage machen wir unser eigenes Ding. Provozieren wollen wir aber nicht.“ Die Bar befindet sich in Józsefváros, dem VIII. und nach allgemeiner Auffassung gefährlichsten Distrikt der Hauptstadt. Szabolcs meint aber: „Im VIII. Bezirk ist es bunt, mit vielen unbekannten Religionen und Nationalitäten. Die Leute sind zu faul, das kennenzulernen, deshalb empfinden sie es vielleicht als bedrohlich.“ Mit den anderen Lokalen in der Nähe will „Macska“ nicht konkurrieren, sondern zusammenarbeiten: So wurde zum Beispiel mit der „Csiga“ – zu Deutsch: Schnecke – ein gemeinsamer Bierdeckel entworfen.
Fleischlose Küche und regionale Biere
Vegetarische, glutenfreie und vegane Gerichte kann man im „Macska“ bestellen. „High-End-Qualität bieten wir nicht – wir bieten Essen, das wir von Herzen servieren können“, sagt Szabolcs. Für Gewohnheitstiere gibt es Klassiker wie Krombacher oder den weißen Welschriesling. Aber auch Erzeugnisse von regionalen Kleinbrauereien werden angeboten. Die Mitarbeiter der drei Lokale haben etwas gemein: Es geht ihnen vor allem darum, ihren Gästen eine gute Zeit zu bereiten – dabei erscheint ihnen Leidenschaft in den Gerichten und dem Interieur wichtiger zu sein als der Umsatz. Daher können wir eine ausdrückliche Empfehlung aussprechen – nicht nur für Menschen, die mehr für Katzenfutter als für ihr eigenes Essen ausgeben.
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