Die Logik der ungarischen Politik und ihrer Akteure nachzuvollziehen, ist generell kein leichtes Unterfangen. In letzter Zeit kommt noch erschwerend hinzu: Regierung und Opposition duellieren sich jeder für sich, auf jeweils anderen Gebieten.
Während sich die Regierung auf die Außenpolitik eingeschossen hat, versucht die Opposition entlang verschiedener inländischer Problemzonen zu punkten. Und als wäre dies nicht schon verwirrend genug, bemühen sie sich auch noch, die realen Probleme künstlich aufzubauschen, damit ihre Problemlösekompetenz in einem noch besseren Licht erscheint.
Während die Regierung die externe Bedrohung Ungarns durch den Migrantenstrom und den islamistischen Terrorismus möglichst groß und gefährlich erscheinen lassen möchte, versucht die Opposition, bei internen Problemen etwas nachzuhelfen und diese politisch aufzuladen. So erhalten gewisse Fachthemen eine zusätzliche Schwere und Dramatik.
Bei den Themen ist man nicht wählerisch. Selbst der Schutz einiger Bäume im Stadtwäldchen wird dankbar für die Profilierung und als Mittel für politischen Raumgewinn genutzt. Die durchaus vorhandenen Defizite im Bildungswesen werden natürlich erst recht ausgenutzt.
Im Endeffekt wird es für Außenstehende immer schwerer zu beurteilen, wie es sich bei gewissen Themen tatsächlich verhält. Ist Ungarn wirklich so gefährdet, wie einem das massive Auftreten von TEK-Einsatzkräften im Budapester Stadtbild kurz nach den Brüsseler Anschlägen suggeriert? Und ist die Situation im Bildungswesen tatsächlich so schlecht, wie einem die Äußerungen von Oppositionspolitikern glauben machen möchten? Sind die protestierenden Lehrer tatsächlich so konstruktive Gesprächspartner, wie sie selbst zu sein vermeinen? Und sind die Vertreter der Regierung wirklich so unkonstruktive Partner, wie von den Protestierern behauptet?
Sind die Pläne zur Umgestaltung des Stadtwäldchens und des Burgviertels nun begrüßenswerte städtebauliche Initiativen oder das ganze Gegenteil? Ist Olympia gut oder schlecht fürs Land? Schwer zu sagen, weil auf beiden Seiten so massiv verzerrt wird, dass darüber der reale Kern der strittigen Themen immer mehr verschwindet.
Dieses eigenartige Schauspiel ist nicht nur für externe Beobachter höchst verwirrend, es ist leider auch kontraproduktiv für das Land und die Lösung seiner Probleme, vom Gesundheitswesen bis hin zum gegenwärtig leidenschaftlich diskutierten Bildungswesen. Welche Forderungen der Lehrer sind gerechtfertigt und welche nur im Eifer des politischen Gefechts entstanden oder zumindest „verfeinert“? Fraglich dürfte auch sein, inwieweit den Problemen des Bildungswesens geholfen ist, wenn einige Pädagogen mit einem, ganz offensichtlich unerfüllbarem Ultimatum an die Adresse der Regierung vorrücken.
Sicher dürfte es auch nicht im Interesse des Landes liegen, wenn Budapest international touristisch langsam immer mehr durch seine, im Vergleich zu westeuropäischen Großstädten beneidenswerte öffentliche Sicherheit punktet, die Regierung aber gleichzeitig entscheidet, Mitarbeiter des GSG 9-Pendents TEK schön sichtbar durch Metrobahnhöfe patrouillieren zu lassen und dadurch einen ganz anderen Eindruck von Budapests Sicherheit zu erwecken. Das ist zwar gut für Kräfte, die von einem gestiegenen Bedrohungsgefühl der Bevölkerung zu profitieren hoffen, aber natürlich schlecht für das Land und seinen Tourismus.
Obgleich die Versuchung groß ist, sich als Journalist mit voller Verve für die eine oder andere Seite ins Kampfgetümmel zu stürzen, werden wir als Budapester Zeitung weiterhin versuchen, uns nicht von den PR-Maßnahmen der verschiedenen politischen Seiten blenden zu lassen, und uns strikt auf die reinen Fakten zu konzentrieren. Das ist zwar nicht so spektakulär – sauberer und ehrlicher ist es aber bestimmt. Und ganz gewiss besser für Ungarn mit seinen vielen zu lösenden realen Problemen, aber auch unstrittig positiven Gegebenheiten.
Dichtung und Wahrheit, schon bei der Überschrift wird es schwierig. Ist es gestattet Wahrheit und Kunst mit-einander zu vereinen selbst wenn die Dichtung, die Kunst des Dichtens sei und nicht die, des zusammenreimes von Unsinn. Es fragt sich auch, ob das Gegenüberstellen von entweder oder legitim ist um sein „ich“ damit zu rechtfertigen. Nicht vor mir oder uns nur vor sich selbst, was keine Verlautbarung nötig hätte. Dichtung oder Wahrheit ein persönlicher Glaube, an das Hirn, das uns alles vorlegt, was es sieht und Sie dazu zwingt eine Schublade herauszusuchen mit entweder Dichtung oder Wahrheit oder andersherum und in der Hoffnung das andere Hirne etwas weniger gesehen haben. Ich lehne es ab Journalismus in Dichtung und Wahrheit einzuteilen das zerstört die Wahrheit sowie die Dichtung.
Für mich war die Wahrheit die, die auch schon eine Dichtung war und die Dichtung die, immer die Wahrheit sagt. Jedenfalls hätte es heißen müssen „ich sage lieber zu wenig als zu viel“ wobei wir weder das eine noch das andere annehmen dürfen.
Donna Krücke sie wissen wohl auch nix besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als jede Menge Mist zu posten. Aber so ist es halt, wenn man sonst keine anderen Hobbys mehr hat! Verschonen sie uns bitte in Zukunft damit und gründen sie ihren eigenen Blog. Gähn…..!
Sinnreiche Texte sind auf diesem Blog Mangelware, nicht das es sie gibt, deshalb kann man es verdenken, wenn der eine oder andere diesen und jenen nicht versteht. Doch diejenigen die ihn verstehen wollen werden ihn verstehen. Ist es Ihnen denn wichtig, den Text zu verstehen? Sehen sie Jan, das macht – Ihre Wahrheit und Dichtung.
Und was hatten Sie vor mit den Kommentar zu sagen? Habe mehrmals vergeblich versucht aus den Text was sinnvolles zum Beitrags Inhalt zu entnehmen. Sollte der Kom. das Ergebnis Ihr Windmühlen-Treffens sein müssten sie den Namen ändern da der Echte anschließend vernünftig wurde.
Ihr Name sagt schon alles!!!!!!!!!!!. Schwachsinn vorn und hinten. Ihren Kommentar
dreimal gelesen, die Botschaft nicht erkannt.
Gruß
Sancho Panza
Nachtrag an Don Kaputo: Verzeihung – habe gerade gesehen das der PL seit geraumer Zeit wieder mal keine neuen Artikel zustande bringt – daher ist es ja klar, das sie hier ihren Müll ablegen. Kleine Paypal Spende ihrerseits würde evtl. helfen und neue Artikel könnten erscheinen – nur Mut!
Streitkultur ist nötiger denn je.
Implodiert der öffentliche Diskurs ausgerechnet in dem Moment, in dem er allen Menschen mit einem Netzanschluss offensteht? Über den Unterschied zwischen kritischer und paranoischer Vernunft.
von René Scheu Neue Züricher Zeitung, 26.3.2016
Der Mensch ist das Wesen, das auf einen Screen starrt. Aufregung und Gefahr drohen nicht vom Horizont, sondern von der digitalen Schnittstelle. Wir leben im permanenten Strom der Meldungen und Meinungen, der Kommentierungen, Leseempfehlungen und hingeworfenen Geschmacksurteile. Um all die Reize zu verarbeiten, unterscheidet unser Gehirn auch im digitalen Zeitalter zwischen Signal und Rauschen, zwischen dem, was wir in unseren Sinnzusammenhang integrieren, und dem, was wir ausblenden. So schaffen wir uns unsere intellektuelle Nische, die wir mit vernetzten Gleichgesinnten teilen: unsere Informations- und Meinungsblase.
Wo Öffentlichkeit war, entstehen Ghettos mit eigener Pflege von Vorurteilen und Verdächtigungen. Es wird nicht mehr argumentiert, sondern diffamiert. Es wird nicht mehr gestritten, sondern geschrien. Und ja, es stellt sich nicht nur für Journalisten die Frage: Implodiert der öffentliche Diskurs ausgerechnet in dem Moment, in dem er allen Menschen mit einem Netzanschluss offensteht?
Noch Immanuel Kant, der grosse Philosoph und klassische Liberale, sah in der Allmende der Öffentlichkeit das Fundament aufklärerischen Handelns. Er beschreibt sie als Trainingsfeld der menschlichen Vernunft: Jeder Bürger ist, wenn er sich öffentlich äussert, ein «Gelehrter», der «zum eigentlichen Publikum» spricht – der potenziell unbegrenzten «Leserwelt». Er darf sich als Bürger der grossen Vernunft-Gemeinschaft fühlen, die Streit als wertvollen Beitrag zu kulturellem Fortschritt versteht. Jeder ist frei, sich mitzuteilen und mit anderen zu messen, wobei er zugleich weiss, dass er sich am Gesagten messen lassen muss. Was Kant im Sinne hatte, war die wohl grossartigste nichtreligiöse Utopie der Moderne: eine Selbstzivilisierung des Menschen durch vernunftbasierte Rückkoppelung im Raum des Sprechens. Dabei war für den Philosophen aus Königsberg klar, dass der menschliche Geist des beständigen kulturellen Trainings bedarf. Die untrainierte Vernunft verliert an Elastizität, sie wird schlaff – oder, und das scheint mir in vielen aktuellen Auseinandersetzungen der Fall, sie steigert sich zur Paranoia. Und auch die Paranoia kennt ihre Rückkoppelungseffekte.
Der Medientheoretiker Boris Groys erblickte schon vor Jahren im Verdacht das Zeichen des digitalen Zeitalters. Seine Diagnose ist bedenkenswert. Waren es während Jahrhunderten ein paar randständige Philosophen, die hinter der Erscheinung stets das verborgene Sein suchten, misstrauen heute alle Nutzer der medialen Oberfläche. Wir starren auf eine anonyme digitale Schnittstelle, sehen dort eine flimmernde Flut von Zeichen und Pixeln und fragen uns instinktiv, woher sie wohl kommen. Was Groys den «medienontologischen Verdacht» nennt, ist dabei nicht bloss eine subjektive Befindlichkeit, sondern eine objektive Gegebenheit. «Wir sind als Medienbetrachter» – schreibt er – «schlicht und einfach ausserstande, in den Medien etwas anderes zu sehen als Orte der verborgenen Manipulation. Da der innere submediale Raum strukturell vor uns verborgen ist, können wir gar nicht anders als verdächtigen, projizieren, unterstellen.»
Die Absender der Zeichen aus dem submedialen Raum sind natürlich stets irgendwelche Akteure – aber welche genau, und was führen sie im Schilde? Die Vernunft beginnt frei zu flottieren, im besten spekulativen Sinne. In der Digitalwelt herrscht eine Art des Lesens und Verstehens vor, die einst als Spezialität der geisteswissenschaftlichen Fakultäten galt: die Hermeneutik des Verdachts. Was einer äussert, ist bloss Symptom dessen, was er verschweigt. Jedes Statement hat den Ruch eines Täuschungsmanövers, jede Behauptung gilt als geschickt inszenierter Vertuschungsversuch. Dabei stellt die pauschale Verdächtigung das Gegenteil echter Kritik dar. Denn die kritische Vernunft muss sich stets auf den Sinn einer Aussage beziehen. Sie impliziert mithin ein Minimum an Sachlichkeit und Respekt gegenüber dem Absender, insofern sie ihm – man beachte den antiquierten Ton der Worte – Rechtschaffenheit, Redlichkeit, Wahrhaftigkeit unterstellt.
Die paranoische Vernunft hingegen foutiert sich um jede Referenz und beschäftigt sich einzig mit dem mutmasslichen Absender der Aussage. Sie entwickelt dabei eine eigene unaufhaltsame Dynamik: Hinter jedem sichtbaren Absender kann sich wiederum ein unsichtbarer Absender verbergen. Der Verdacht lässt sich niemals falsifizieren. Jeder Widerlegungsversuch bestärkt die paranoische Logik bloss in ihrer einmal gewonnenen Gewissheit. Sie hat sich gegen Aussensichten immunisiert. Der Streit ist aus ihrer Sicht nicht nur zwecklos, sondern unmöglich. Denn wer streitet, hat sich einen Restzweifel an der eigenen Position bewahrt. Er weiss, dass die Wahrheit in niemandes exklusivem Besitz ist, sondern – um einen Satz aus der Fernsehserie «X-Files» zu zitieren – «irgendwo da draussen liegt».
Doch dieses Draussen schwindet. Facebook oder Google bilden eine neue Art von Netz- und Suchumgebung, die unserer Tendenz zum Leben im überschaubaren Kreis entgegenkommt. Die Selbstisolation ist Programm, selbst wenn wir uns dagegen sträuben. Selbstlernende Algorithmen sorgen dafür, dass wir uns im Netz im Umkreis des Vertrauten bewegen. Was vertraut ist, entscheidet die Software. Sie schafft für uns auf der Basis unserer Interaktionen und Einstellungen, unserer Suchgeschichte und unseres Standorts eine eigene personalisierte Umwelt. Als User leben wir in einer digitalen Echokammer, in der jene Meldungen, Meinungen und Gerüchte widerhallen, die unserem aktuellen Nutzerprofil entsprechen. Die Pointe dabei: Es gibt keinen Manipulator im Hintergrund. Es ist nicht «das Netz», das uns kontrolliert, noch sind es «die Lügner» aus dem Silicon Valley. Wir selbst sind es, die das Netz beeinflussen – mit jeder Bewegung, jedem Like, jeder neuen Suche.
Die personalisierte Netzumwelt ist gleichsam der programmierte Confirmation-Bias, wie ihn die Kognitionspsychologie kennt: Bestehende Meinungen werden bestätigt und scheindemokratisch überhöht, abweichende werden geahndet und übertönt. Der Abweichungshass innerhalb der Community ist ein allgegenwärtiges Fluidum. Die Homogenität der Meinungen, Vorlieben und Positionen, die in einer Netzcommunity spielt, erreicht jene einer Gesinnungsgemeinschaft. Aus der Echokammer wird ein Echobunker. Im einstigen Fitnessraum der Vernunft gehen die letzten Lichter aus.
Mitglieder einer Community ersetzen die gemeinsame Suche nach Wahrheit durch das Streben nach Zugehörigkeit. Ihnen geht es nicht mehr um neue Erkenntnis, sondern um die eigene Identität. Abweichende Positionen werden als Angriff auf die eigene Person empfunden – und ebenso persönlich fallen die Reaktionen aus. Sie zielen nicht mehr auf den Sinn der Aussage, sondern – der Kreis schliesst sich – auf dessen Absender, der wahlweise diskreditiert, diffamiert, pathologisiert oder kriminalisiert wird. Die Mitglieder der Community verhalten sich untereinander solidarisch und verteidigen vehement die kuratierte Gruppenidentität. Jeder Angriff auf ein Mitglied wird zugleich als Angriff auf die Community taxiert und umgekehrt. Diese Verhaltensmuster erinnern an voraufklärerische Zustände, manche würden wohl sagen: an jene von Stände- oder Stammesgesellschaften.
Man verstehe mich nicht falsch: Man kann sich aus aufklärerischer Sicht mit Kant über die Netzöffentlichkeit nur freuen, weil nun jeder als «Gelehrter» agieren kann (auch wenn er aufgrund der Anonymität nicht mit seinem Namen für seine Statements bürgen muss). Mein Punkt ist ein anderer. Das Trainingsfeld der Vernunft verdient den Namen nur, wenn tatsächlich trainiert wird. Thomas Jefferson, auch er ein Aufklärer, sagte in wunderbar pathetischem Tonfall: «We are not afraid to follow truth wherever it may lead, nor to tolerate any error so long as reason is left free to combat it.» Die Wahrheit liegt irgendwo da draussen. Den Suchenden leitet die Überzeugung, dass nur der faire Widerstreit unter Freien und Vernünftigen eine Annäherung an sie gestattet. Er setzt auf die Vernunft und kennt dennoch ihre Grenzen. Er weiss, dass die Meinung des anderen stets auch (mehr als) ein Fünkchen Wahrheit enthalten kann, darum hört er erst einmal zu. Aber er erhebt auch jederzeit furchtlos Einspruch – und mischt sich dezidiert ein. Autorität hat allein das Argument und nie die Position oder Vita des Sprechenden. Die Welt ist alles, was sagbar ist. Dummheit ist nicht strafbar. Freiheit bleibt für alle eine Zumutung.
Ein liberales Feuilleton pflegt die lustvolle Kritik der eigenen Zeit. Es öffnet den Diskursraum – und hält ihn offen gegen alle Anfeindungen von «Faulheit und Feigheit» (Kant), mithin von voraufklärerischem
“ Im einstigen Fitnessraum der Vernunft gehen die letzten Lichter aus.
Mitglieder einer Community ersetzen die gemeinsame Suche nach Wahrheit durch das Streben nach Zugehörigkeit. Ihnen geht es nicht mehr um neue Erkenntnis, sondern um die eigene Identität. Abweichende Positionen werden als Angriff auf die eigene Person empfunden – und ebenso persönlich fallen die Reaktionen aus. Sie zielen nicht mehr auf den Sinn der Aussage, sondern – der Kreis schliesst sich – auf dessen Absender, der wahlweise diskreditiert, diffamiert, pathologisiert oder kriminalisiert wird.“
Ein Artikel, der treffsicher und verständlich formuliert.
Was ich hinzufügen möchte in Sachen Ungarn:
5 Jahre Berichterstattung über Orbáns Ungarn in deutschen und österreichischen Medien waren buchstäblich für den Eimer. Diese beiden Länder haben den moralischen Zeigefinger erhoben und sich dabei in der Drehtür dieser Tage alle Gliedmaßen eingeklemmt. Nun kehrt scheinbar Realpolitik zurück. Der Zeigefinger aber bleibt im deutschen Hosenschlitz der Selbstbefriedigung jederzeit aktionsbereit.