
Auch die Jüngsten wissen, worum es geht: „Fällt die Bäume nicht! Die Eichhörnchen haben sonst kein Zuhause!“
Vergangene Woche Donnerstag erschienen wie aus dem Nichts schwere Arbeitsgeräte im Stadtwäldchen. Ihr Auftrag: Das Fällen der ersten Bäume im Rahmen des Liget-Projekts. Binnen Stunden formierte sich Widerstand vor Ort, doch nicht nur im Stadtwäldchen macht sich Unmut über die Bauvorhaben in der Hauptstadt breit.
Der grüne Politiker Gergely Karácsony war gleich am ersten Abend vor Ort, seitdem organisieren sich Aktivisten via Facebook, um den begonnenen Bauarbeiten notfalls auch mit physischem Widerstand begegnen zu können. Tatsächlich gibt es seit Bekanntwerden der Baupläne eine Frage, die noch auf Antwort wartet: Wie viele Bäume werden gefällt? Wer glaubt, dass es hierbei nur um die Bedenken überzeugter Umweltschützer geht, der irrt.
Wie weiter?
Attila Sághi von der Városliget Zrt. sprach gegenüber dem Nachrichtenportal index.hu jüngst davon, es gäbe keinerlei Pläne, weitere Bäume im Stadtwäldchen zu fällen. Dies ist eine umso erstaunlichere Erklärung, da am Donnerstag bereits erste Bäume gefällt wurden. Karácsony teilte nur einen Tag später mit, rechtliche Schritte einleiten zu wollen. Seine Begründung: Der Beschluss vom 16. März ist sofort in Kraft getreten, für Rechtsmittel gab es keine Gelegenheit. Wie er sagt, gebe das Gesetz für Investitionen von besonderer Wichtigkeit (zu denen das Liget-Projekt ebenfalls gehört), dazu zwar eine rechtliche Grundlage, aber dies sei in einem echten Rechtsstaat unvorstellbar. Denn die Betroffenen, sprich die Zuglóer und ihre Selbstverwaltung hätten erst durch den Baubeginn überhaupt von all dem erfahren. Karácsony meint, die Regierung hätte hier ihre Macht missbraucht. Man wolle sich nun in dieser Sache auch an den Ombudsmann für Grundrechte wenden, denn der Politiker sieht das Grundrecht der Budapester auf eine gesundheitsfördernde Umwelt gefährdet.

Noch im Sommer war das Kertem eine der beliebtesten Freiluftkneipen der Stadt. (BZT-Foto: Nóra Halász)
Seit gut einer Woche halten die Proteste nun an, ein Abklingen ist nicht in Sicht. Denn obwohl die Városliget Zrt. beteuert, dass mehr Grünflächen entstehen werden, wollen sich Umweltschützer und Liget-Freunde damit nicht zufrieden geben. Ramóna, Mitte Vierzig, erklärt: „Grünflächen bringen nur wenig, wenn es keine Bäume gibt. Weder der Luftqualität noch der Lebensqualität helfen große Rasenflächen.“ Auch Renáta ist mit ihrem dreieinhalbjährigen Sohn Jerko vor Ort: „Das Stadtwäldchen ist eine der letzten grünen Oasen der Stadt. Mich macht es wirklich traurig, dass der Wille der Anwohner und der Stadtbevölkerung generell so komplett außer Acht gelassen wird.“ Was sie aber freut, ist, dass sich der Protest trotz des Angst einflößenden Gebarens der Regierung nicht abschrecken lässt, für das einzustehen, was ihnen wichtig ist. Renáta war bereits auf zahllosen Kundgebungen, dies sei aber die erste, an der ihr Sohn auch bewusst teilnehme und verstünde, worum es geht: „Er hat gesagt, wenn die Maschinen kommen, wird er sie verscheuchen. Schade, dass ein Kleinkind versteht, warum der Park wichtig ist, unsere Regierung jedoch nicht.“
Fachlich nicht tragbar
Doch nicht nur das Liget-Projekt sorgt für Wirbel. Seit rund eineinhalb Jahren steht bereits der Nationale Hauszmann-Plan, der auch den Umzug des Amtes des Ministerpräsidenten von der Pester Innenstadt in die Burg beinhaltet. Damit, so wird gemunkelt, erfülle sich Premier Orbán einen lange gehegten Wunsch. Denn bereits während seiner ersten Legislaturperiode von 1998 bis 2002 soll es auf Anweisung des damaligen und heutigen Regierungschefs im Sándor-Palais Umbauten gegeben haben. Im September 2014, kurz nach der Wiederwahl Viktor Orbáns wurde der Umzug dann wieder hervorgeholt und als „für die Volkswirtschaft herausragend wichtig“ etikettiert.

„Grünfläche“ ist nicht gleich „Grünfläche“, auch deswegen protestieren viele Menschen. (BZT-Foto: Nóra Halász)
Genau daran stoßen sich jedoch drei der Mitglieder des Fachrates des Plans. In einem offenen Brief finden Zsófia Csomay, Pál Lővei und István Schneller klare Worte: „Wir halten es schlichtweg für eine Sünde, dass aus der Burg und dem Burgviertel kulturelle und akademische Institutionen ausgelagert werden sollen, um Regierungsinstitutionen Platz zu machen, die hier völlig fehl am Platze sind.“ Seit Zustandekommen des Fachrates hätte die Regierung ihre Vorschläge, Anmerkungen und Meinungen außer Acht gelassen.
Das Nachrichtenportal index.hu schreibt, die drei Experten hätten bereits von Anfang an Bedenken gegenüber dem Hauszmann-Plan gehabt, hätten jedoch gehofft, durch ihre Fachexpertise Einfluss nehmen zu können. Sie könnten schlicht nicht mit der „antidemokratischen Art der Entscheidungsfindung und Umsetzung seitens der Regierung“ übereinstimmen. So sei es keine Seltenheit gewesen, dass die theoretisch in den Prozess eingebundenen Fachleute erst aus der Presse von neuen Änderungen im Plan erfahren haben. Die Gruppe um Csomay versuchte mehrfach auf die „eindeutig negativen Auswirkungen“ der Umbaupläne sowohl im Stadtwäldchen als auch in der Burg hinzuweisen, diese seien jedoch stets unbeantwortet geblieben.