Eine Stunde Arbeitsniederlegung? Um Himmels Willen! Das ist wahrlich eine Bedrohung für Orbán und sein System!
Von István Stumpf
Als würde ich eine Serie anschauen. Schon lange. Der Drehbuchschreiber findet nach so langer Zeit keinen neuen Dreh für die Geschichte, keine neuen Konflikte, er wiederholt also das bereits Gesehene mit neuen Darstellern. Einmal hat es bereits funktioniert, sicher wird es auch ein weiteres Mal die Zuschauer unterhalten. Dieses Gefühl hatte ich gestern. Die alte Geschichte, alte und neue Darsteller, aber ausschließlich die alten Rollen.
Es scheint, als wären wir zurück im Jahr 2012. Einer der Darsteller ist unverändert: Viktor Orbán. Mit dem Degen in der Hand, der auch jetzt gen Brüssel zeigt. Schon einmal hat das funktioniert und es wird auch nun wieder funktionieren. Das Apropos ist ein anderes, diesmal ist es nicht die von „Nicht Moskau“ gefährdete Bankensteuer, sondern die Migrantenfrage, die ganz Europa gefährdet, aber warum die Rolle des Oberbösewichts neu besetzen?
Was nicht kaputt ist, muss nicht verändert werden – ein schöner, konservativer Grundgedanke. Selbst dann nicht, wenn gerade nicht Brüssel für das Stümpertum und die missglückte Handhabe der Migrantensituation verantwortlich ist, sondern viel eher die Nationalstaaten, allen voran die Bundesmutti selbst. (…)
Und hier kommt das noch heftigere déja vu. In den gestern gegen Orbán aufmarschierenden Massen. Kurz: Hier haben wir die neue Milla. Ob die neue Leitfigur Péter Juhász oder Gordon Bajnai sein wird, wissen wir noch nicht, für István Pukli scheint ein Sitz in der Selbstverwaltung jedoch durchaus möglich. Anhand seiner gestrigen Leistung ist mehr allerdings nicht drin.
Eine Stunde Arbeitsniederlegung? Um Gottes Willen! Das ist wahrlich eine Bedrohung für Orbán und sein System! Eine große, nationale Widerstandsmittagspause! Sicherlich hat der Regierungschef bereits sein Büßerhemd hervorgekramt, um das zu verhindern.
Denn genau so viel fordert er, also Pukli.
Natürlich wäre es gut, wenn sich Orbán von seinem Staatssekretär für Bildung und von Minister Balog trennen würde, aber das sind eher hehre Wünsche. Die einzig harte Forderung ist jetzt aber, dass Viktor Orbán um Entschuldigung bittet. Entschuldigung! Und wofür? Na, für alles. Für die Erniedrigung und das Leiden seiner Untergebenen. (…)
Und natürlich soll nicht nur Orbán um Entschuldigung bitten! Auch János Áder. Auch er natürlich für alles.
So sieht es also aus, wenn das Häschen die doppelläufige Schrotflinte in die Hände bekommt. Zwei Läufe, denkt sich Häschen, dann erlege ich gleich zwei auf einmal! Das kann ja nur schief gehen. (…)
Doch zurück zu Pukli: Vielleicht hat der große pädagogische Anführer einen großen Masterplan, mehr noch, vielleicht hat er die Taktik der lächerlichen Ultimaten von unserem anderen Hauptdarsteller, von Viktor Orbán, abgeschaut. Dieser setzte diese ja vor fast zehn Jahren noch als Oppositionsführer ein. Wir erinnern uns, oder? 72 Stunden gab er Gyurcsány für seinen Rücktritt. Auch damals stellte sich die Frage, was, wenn nicht? Offensichtlich nichts.
Es geschah dann auch nichts. Augenscheinlich. Nur, dass Orbán hinter der zum Scheitern verurteilten Gyurcsány-Regierung seine eigene Koalition in Stellung brachte und so den Keim für den späteren Zweidrittel-Wahlerfolg säte. Orbán blickt weit. Er hat eine Strategie, nicht nur eine Taktik.
Bei Pukli sehen wir nichts davon. Dabei würde es nicht schaden, wenn es nach dem Herumdilettieren der Regierung in Bildungsfragen eine wirkungsmächtige Kraft geben würde. Denn ohne eine solche rührt die Regierung, wie wir wissen, nicht einmal ihren kleinen Finger. Kraft wird gebraucht, die Masse wird gebraucht, aber das sind keine Superattribute an sich, sondern Mittel zum Zweck. (…) Nur, dass Pukli genau hier nicht mitmachen möchte. Er würde lieber sagen, wer der Minister sein soll und wer der Staatssekretär, dann würde er eventuell bereit sein, zu verhandeln. Nur bestimmt auf ganz natürliche Weise der Ministerpräsident, wer Minister wird und nicht ich oder István Pukli.
Wenn aus einem Kämpfer für eine ganz konkrete Sache (damals die Pressefreiheit, heute die Bildungspolitik) ein Möchtegern-Regierungschef wird, dann ist das wahrlich nichts anderes als die Milla-Story von vor vier Jahren.
Der hier in Auszügen erschienene Kommentar erschien am 16. März auf dem konservativen Meinungsportal mandiner.hu.
Aus dem Ungarischen von Elisabeth Katalin Grabow