Es sind Ideen, die Staatengebilde zusammenhalten, es können aber auch Ideen sein, die sie zu Sturz bringen. Entgegen der von Staatsmann Metternich bemühten antiliberalen Restauration und „Einheit des Reiches“ lagen der ungarischen Revolution von 1848 liberale Reformabsichten und die Idee der nationalen Unabhängigkeit zugrunde. Poetische Schützenhilfe für die ungarischen Revolutionäre kam ausgerechnet von einem Österreicher, Nikolaus Lenau. Sein Bild von Ungarn als Raum der Freiheit und als Sehnsuchtsort ist heute noch aktuell.
Der 15. März wird seit vielen Jahren als einer von drei ungarischen Nationalfeiertagen begangen. Es wurde viel über die wichtigsten, selbstverständlich ungarischen Persönlichkeiten der Mitte März beginnenden Revolution von 1848 geschrieben. Dass es jedoch kein reiner Antagonismus der Magyaren gegen die Österreicher war, sondern auch aufseiten der deutschsprachigen Habsburger ausgeprägte Verfechter der „ungarischen Idee“ gab, ist weniger bekannt. War Nikolaus Lenau tatsächlich mehr als ein reiner Naturlyriker? Wie sah er Ungarn und seine Bewohner? Und schließlich: Welche Bedeutung kommt Lenau damals wie heute zu?
Das System Metternich und die Freiheitskämpfer
Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773-1859) war jener österreichische Staatsmann, der antiliberale und antinationale Ziele verfolgte, der für die Monarchie und den Ständestaat kämpfte. Auch wenn Metternich den Ungarn etwa bei der Sprachenfrage Zugeständnisse machte – die „Einheit des Reiches“ war vorrangig. Da gab es für Partikularismus und echte nationale Bewegungen keinen Platz.
Gänzlich anders war der Geist der ungarischen Revolution und des Unabhängigkeitskrieges von 1848/49: Von Adam Smith inspiriert, war der „größte Ungar“ István Széchenyi die Leitfigur des neuen Liberalismus. Er kritisierte etwa das Feudalsystem und befürwortete eine Wirtschaftsförderung. Lajos Batthyány ging es um eine nationale Unabhängigkeit Ungarns und politische Reformen innerhalb des Systems. Lajos Kossuth radikalisierte sich im Laufe der Revolution, sodass er eine Eigenständigkeit auch mit Gewalt erreichen wollte.
Lenau, der Naturlyriker – Lenau, der politische Dichter
Nikolaus Lenau (eigentlich Nikolaus Franz Niembsch), der 1802 als Sohn eines habsburgischen Beamten geboren wurde und in Budapest aufwuchs, brachte im Laufe seines Lebens Weltliteratur zu Papier. Wer seinen Namen hört, denkt zuallererst an Melancholie, Naturlyrik und Biedermeier.
Doch Lenau hat eine andere, weniger erforschte politische Seite: Der Österreicher, obwohl der ethnischen Herkunft nach lediglich begrenzt zugehörig, begriff sich als Deutsch schreibender Ungar. Sein Leben und Werk durchzieht ein zur Gänze positives Ungarnbild und seine Gegnerschaft mit dem System Metternich. Sein Ungarntum verbindet er mit seinem zentralen Motiv, der Freiheit. Lenau wurde vorgeschlagen, seine Werte auf politischer Ebene zu verfolgen und für den ungarischen Landtag zu kandidieren. Darauf antwortete er, er spreche nicht gut genug Ungarisch und verstehe wenig vom ungarischen Recht. Am wichtigsten sei aber, dass „ich […] nicht mit meiner Bildung zu meinen Landsleuten [passe], ich rühme mich nicht dessen als eines Vorzuges, vielmehr möchte ich so urwüchsig, so feurig und so naiv, so hußarentapfer und gutherzig sein, wie sie.‘‘
Im weiten Ungarnland
Ein schönes Beispiel für Lenaus Ungarnpoesie ist das außerordentlich lange Gedicht Heidenschenke, in dem das lyrische Ich „durchs weite Ungarnland“ streift. Hier zeigt sich ein Gegeneinander, aber auch die Verschränkung aus einem emotional distanzierten, sehnsüchtigen Ich und der Natur. Im Ich kommt Lenaus Perspektive zum Vorschein, während die Ungarn als vogelfreie Helden, Räuber und Rebellen der Natur entspringen.
Am Ende des Gedichts entfernen sich die Räuber vom Ich. Es werden Lieder über Rákóczi gesungen – der ungarische Adlige, der bereits Anfang des 18. Jahrhunderts gegen die Habsburger aufbegehrte, war das Vorbild des Räuberhauptmanns im Gedicht. Fraglich ist: Bleibt der Betrachter distanziert oder wird er vom Rebellenton mitgerissen?
„Und eh das Herz mir dreimal schlug, So saßen sie zu Pferde, Und auf und davon im schnellen Flug, Daß rings erbebte die Erde. Doch die Zigeuner blieben hier, Die feurigen Gesellen, Und spielten alte Lieder mir Rakoczys, des Rebellen.“ (Quelle: Insel Verlag)
Das Land der Magyaren bleibt ein Sehnsuchtsort
Wegen zunehmender geistiger Umnachtung wurde Lenau 1844 in eine Nervenheilanstalt eingeliefert und hatte bei der Revolution selbst keine aktive Rolle inne. Mit seiner Poesie war er jedoch an der Schaffung der ideellen Grundlagen für die Umwälzung von 1848 beteiligt. Lenau lehnte einen Gesamtstaat, wie ihn beispielsweise Robert Menasse in seinem Essay „Land ohne Eigenschaften“ skizziert, ab. Ungarn als Gegenpol zum Metternich’schen Habsburgerreich, Ungarn als Sehnsuchtsort, Ungarn als Inbegriff der Freiheit – darauf kam es Nikolaus Lenau zusammenfassend an.
Auch heute ist Ungarn für viele deutschsprachige Menschen ein Sehnsuchtsort. Sie kommen, um hierzulande ihren Lebensabend zu verbringen, um sich freiwillig zu engagieren, oder um ihre Karriere voranzutreiben. Lenau war nicht nur der vielleicht erste große österreichische Ungarn-Fan, sondern leistete auch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der deutschen Vorstellung von Ungarn damals wie heute.
Ein ebenfalls sehr lesenswerter Artikel von Paul Hefty in der FAZ. Er dient dem Verständnis Ungarns wie des Balkans. Ein Muss für alle Ahnungslosen, die behaupten, Ungarns nationales Selbstverständnis beruhe auf Ethnie. Wenn solche Journalisten wie Hefty zu Wort kommen, dann ist das fast eine angenehme Ausnahme in der deutschen Presselandschaft.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/frankfurter-anthologie/frankfurter-anthologie-sandor-petoefi-freiheit-liebe-14119133.html
Freiheit, Liebe!
Die beiden brauche ich.
Für meine Liebe opfere ich
Das Leben,
Für die Freiheit opfere ich
Meine Liebe.
(Pest, 1. Januar 1847, Sándor Petöfi )
In diesen Tagen sollte man die Ruhe bewahren und sich nicht von der Medienhysterie beeinflussen lassen. Alles schlimm genug. Da absehbar ist, dass Brüssel als europäische Hauptstadt nicht traugt, denn Belgien verkörpert das Chaos sein langem, schlage ich vor, Budapest zur europäischen Hauptstadt zu krönen. Da kann man wenigstens richtig schön Baden gehen und Städtebau genießen.
Allen ein frohes Osterfest
Danke, gleichfalls!