Erzählt man ungarischen Bekannten vom Alltagsstress, werden diese regelmäßig antworten: „Dann fahr doch nach Hévíz!“ In dem westungarischen Kurort stehen etwa 10.000 Gästebetten bereit. Der Tourismus machte den Ort zu einer der reichsten Städte Ungarns. Sich selbst preist Hévíz mit großen Worten an. Doch stimmen die Versprechungen?
Hévíz ist ein Ort, über den gewichtige Worte verloren werden. Die hauseigene professionell gestaltete Internetpräsenz nennt die Stadt eine „Quelle des Lebens“. In einem Imagefilm ist man nicht nur bei Massagen in guten Händen. Es ist von Fürsorge, hilfsbereiten Einheimischen und Fischgerichten mit einen „Wow-Effekt“ die Rede. Die Menschen im Video fühlen sich aktiv und frei, sehen durchweg entspannt und glücklich aus. Ein älterer Herr ist durch seinen Aufenthalt in Hévíz sogar so beflügelt, dass er es schafft, eine junge Frau auf Händen zu tragen. Der Mensch überwindet also die Naturgesetze? Dies müssen in der Tat Szenen sein, die einem biblischen Paradies gleichen. Ist so etwas möglich? Schafft es Hévíz, den Himmel auf die Erde zu holen?
Kleine Ortschaft, heilende Wirkung
Lassen wir zunächst einmal die Fakten sprechen. Hévíz (deutsch: warmes Wasser) ist mit gut 4.300 Einwohnern eine kleine Stadt in Westungarn, wobei die Entfernung zum Plattensee circa fünf Kilometer beträgt. Die Hauptattraktion des Kurortes ist sein Thermalsee – mit 4,4 ha der größte seiner Art in Europa. Im Sommer ist das Wasser meist zwischen 33 und 36 Grad warm, so sollte man nicht länger als eine halbe Stunde ununterbrochen baden. Im Wasser sind heilende Elemente wie Schwefel, Hydrogenkarbonat, Kalzium und Magnesium. So hilft ein Bad bei Rheuma, Magenbeschwerden und motorischen Krankheiten. Im Winter kann man in einem 23 bis 25 Grad warmen See baden und durch die Dampfentwicklung inhalieren, was die Gesundheit der Stimmbänder fördert. Eine weitere Therapiemöglichkeit ist die Trinkkur.
„Der See ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert“
Jährlich kommt mit circa 90.000 Gästen ein internationales Publikum nach Hévíz. Die Stadt ist besonders bei Deutschen und neuerdings auch Russen beliebt. Die Internetseite wurde – bisweilen etwas holprig – in neun Sprachen übersetzt. Läuft man durch die Hévízer Straßen, wird man nur schwerlich ein Haus finden, auf dem kein Schild mit den deutschen Lettern „Zimmer frei“ befestigt ist. Seien Sie also als Kurreisender mit geringen Ungarisch-Kenntnissen nicht besorgt.
Auch Kornélia Kerekes aus Tata gehört zu den regelmäßigen Gästen in Hévíz. Die Gymnasiallehrerin entspannte sich dort schon über zwanzig Mal. „Der See ist immer eine Reise wert, unabhängig von der Jahreszeit“, sagt sie. Wenn Kornélia über den Badeort spricht, merkt man ihr die Begeisterung förmlich an. Sie beschreibt Hévíz als schön, sauber, gastfreundlich, grün und ruhig. Also genau richtig, um den Alltagsstress zu vergessen. Auch für den leeren Ma- gen weiß der Stammgast Abhilfe. Wer traditionelle Gypsy-Klänge mit einer herrlichen Mahlzeit verbinden möchte, dem empfehle ich das Restaurant „Magyar Csárda“. Nach dem Essen spaziere ich dann gerne zur alten Herz-Jesu-Kirche im Stadtteil Egregy. Hier hat man auch einen schönen Blick auf die Weinberge. Der beste lokale Wein ist meiner Meinung nach der „Cserszegi Fűszeres“ („Würziger aus Cserszeg“, Anm. d. Red.).“ Diesen trockenen oder halbtrockenen Weißwein kann man übrigens in ganz Ungarn erwerben.
Nach dieser durchweg positiven Erfahrung werden wir nun einen Blick auf die Meinungen im Internet werfen. Manche sprechen von überteuerten Preisen und einem unfreundlichen und aufdringlichen Personal am See. Mit den Preisen sowie gelegentlich genervten Mitarbeitern muss man wohl, wie in jeder touristischen Gegend, leben. Beim Betreten einer empfindlichen Naturschönheit sollte man zudem Vorsicht walten lassen.
Die überwiegende Mehrheit der Rezensenten aber zeigt sich von Hévíz außerordentlich begeistert. Ursula berichtet von grenzenloser Entspannung, gelinderten Rückenbeschwerden und zivilen Preisen. Jutta beschreibt das Personal als freundlich und hilfsbereit. Insgesamt bewerteten ehemalige Gäste den Hévízer See auf dem Onlineportal TripAdvisor mit vier Komma fünf von fünf möglichen Sternen. Die Website stellte dem Erholungsort ein Zertifikat für Exzellenz aus.
Der Enthusiasmus bezüglich Hévíz scheint mithin begründet zu sein. So steht der biblischen Heilung nichts im Wege. Über die Verbindung des Badenden mit dem See dichtete József Erdélyi einst: „Diese Quelle quillt aus meinem tiefen Herzen, die Wärme aus meinem Herzen, und dies friert nie zu.“