Kurz vor dem EU-Türkei-Gipfel traf der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am vergangenen Freitag in Budapest mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zusammen.
Um möglichen Fehldeutungen dieses Treffen zweier Merkel-Kritiker so unmittelbar vor dem EU-Gipfel von vornherein den Boden zu entziehen, bestritten die beiden Spitzenpolitiker zu Beginn ihrer Presseerklärungen erst einmal wortreich ein gemeinsames Paktieren gegen Bundeskanzlerin Merkel. Genau dies hatten SPD und Grüne Seehofer zuvor vorgeworfen. Dieser wünschte der Kanzlerin nun von Budapest aus viel Erfolg für den EU-Gipfel. Orbán stellte wiederum klar, dass das Treffen keinesfalls zum Ziel gehabt habe, die deutsche Kanzlerin zu schwächen, genau das Gegenteil sei der Fall. „Die ungarische Regierung ist am Erfolg der CSU und CDU, an einer starken deutschen Regierung interessiert.“
Der ungarische Premier nutzte die Gelegenheit aber auch, um sich bei Seehofer für das Verständnis Bayerns für die ungarische Flüchtlingspolitik zu bedanken. Ungarn erachte es nun als wichtig, dass es bei dem Gipfeltreffen EU-Türkei zu einer Vereinbarung in der Flüchtlingskrise kommt. Dennoch könne eine solche Vereinbarung nicht den Schutz der nationalen Grenzen aus eigener Kraft ersetzen. „Wir müssen in der Lage sein, unsere Grenzen abzuriegeln. Diese Aufgabe wollen wir niemandem anderen überlassen“. Orbán bekundete die Bereitschaft zu einer Beteiligung Ungarns an den geplanten Milliardenhilfen der EU für die Türkei. Eine Visa-Freiheit für türkische Bürger in der EU lehnte Orbán ebenso wie Seehofer ab.
Seehofer begrüßte jedoch, dass die Länder der Balkanroute durch strengere Grenzkontrollen die Anzahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge deutlich reduziert haben. „Es gibt eine Wende in der Flüchtlingspolitik durch die weitgehende Schließung der Balkanroute“, sagte er. „Deutschland profitiert davon.“ Seehofer betonte zudem, dass die Zahl der Flüchtlinge nachhaltig gesenkt werden müsse. Dazu müssen die Flüchtlingsströme an den EU-Außengrenzen gestoppt werden. Solange dies nicht geschieht, unterstütze Bayern strenge nationale Grenzkontrollen. Ziel ist es, erneut kontrollierbare Regeln aufzustellen. Beide Politiker sprachen sich nachdrücklich für eine „Kultur der Einhaltung von Verträgen“ aus.
Seehofer-Besuch an der Andrássy-Universität: „Ungarn und Bayern sind Freunde“
Nach einem Besuch bei Premier Viktor Orbán im Parlament und einer anschließenden internationalen Pressekonferenz stattete der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer am Freitag auch der Andrássy-Universität (AUB) beziehungsweise einer dortigen Konferenz einen Besuch ab.
Der eher generische Titel der ungarisch- bayrischen Konferenz an der AUB lautete „Aktuelle Herausforderungen für Europa“ – dabei war es für die Teilnehmer kaum eine Überraschung, dass das Flüchtlingsthema die Hauptvorträge dominierte. Wegen einer knapp einstündigen Verspätung der bayrischen Delegation eröffnete schließlich Sozialminister Zoltán Balog die Konferenz, die unter anderem von der CSU-nahen Hanns-Seidel- Stiftung organisiert worden war. Anschließend sprach Parlamentspräsidenten László Kövér davon, dass durch die „geistigen Attentate“ der nahen Vergangenheit Europas Identität aktuell auf dem Spiel steht, woraus schnell „physische Attentate“ erwachsen können. Des Weiteren verdeutlichte er, auf die sinkenden Geburtenraten Bezug nehmend, wie wichtig es sei, dass im Land wieder mehr Kinder geboren werden. Der Parlamentspräsident schloss mit dem Ausspruch: „Wenn Gott mit uns ist, wer soll dann gegen uns sein?“
Zeit für Fragen
Dem beipflichtend trat Horst Seehofer zum Rednerpult und grüßte das Publikum der bayrischen Formel gemäß erst einmal mit „Grüß Gott“ und verdeutlichte dann die Bedeutung christlicher Werte für die guten Beziehungen zu Ungarn sowie die herausragende Stellung des offenen Dialogs, weswegen er lieber persönliche Besuche abstatte und sich über die vorgelagerte mediale Aufregung eigentlich nur wundern könne. Dem Zwiegespräch scheint Herr Seehofer jedoch auch nur gewogen zu sein, wenn das Gegenüber stimmt – für das Publikum der Andrássy Universität war eher ein Monolog vorgesehen. Kanzlerin Angela Merkel hatte sich bei ihrem Besuch an der AUB vergangenes Jahr etwa eine Stunde Zeit genommen, um den Fragen, hauptsächlich von Studierenden, Rede und Antwort zu stehen.
Neben dem Lob für die Gemeinsamkeiten zwischen Bayern und Ungarn – „Ungarn und Bayern sind Freunde“ – zollte der bayrische Ministerpräsident seinen Respekt für die Politik von Premier Viktor Orbán. Nicht nur die klaren Worte sowie die ehrliche Problembenennung in der Flüchtlingspolitik seien lobenswert. Auch das Wirtschaftswachstum sei in Ungarn dank entsprechender Maßnahmen höher als in der Bundesrepublik Deutschland und die Arbeitslosenquote niedriger. Des Weiteren seien auch die öffentlichen Finanzen ohne einen europäischen Rettungsschirm solide. Europa beziehungsweise die EU haben mehrere bedeutungsschwere Problemfelder zu bedienen. Unter anderem die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die Frage der Implementierung des umstrittenen transatlantischen Handelsabkommens (TTIP).