Unter Ungarn gehört László Garaczi schon lange zur Riege der etablierten und viel gelesenen Schriftsteller. Kritiker loben ihn für seinen spielerischen Umgang mit Sprache und seinen trockenen Humor, der oft ins Groteske geht. Doch auch im deutschsprachigen Raum erhält der ungarische Romancier immer mehr Zuspruch. In seinem zuletzt erschienenen Roman „MetaXa“ nimmt er den Leser mit auf eine atemlose Reise in die groteske Welt eines aus dem Gleichgewicht geratenen Geistes.
Bereits 2005 erschien „MetaXa“ in Ungarn, doch ganze zehn Jahre sollte es noch dauern, bevor der Grazer Literaturverlag Droschl den Roman in einer großartigen Übersetzung von György Buda im vergangenen Jahr auch für deutschsprachige Leser zugänglich machte. Die Geschichte des circa 160 Seiten umfassenden Buches ist schnell umrissen:
Der namenlose Protagonist befindet sich in der Nervenheilanstalt. Auf Anraten seiner Therapeutin wagt er einen Rückblick auf die Ereignisse, die seine Lebensordnung so tief erschüttert haben. Eigentlich meint es das Schicksal ja gut mit ihm – er spielt die Bratsche in einem Quartett, ist in einer festen Beziehung und darf sogar die Welt bereisen. Doch bei einer seiner Tourneen in die USA stellt die Begegnung mit einer Frau plötzlich sein ganzes Leben auf den Kopf, lässt ihn Verpflichtung und Vergangenheit vergessen. Zurück in Ungarn versucht er neue und alte Liebe unter einen Hut zu bringen, verliert bei diesem Versuch jedoch alles: seine Beziehungen, seine Karriere und zu guter Letzt sogar seinen Verstand.
Garaczi versteht sich darauf, den Leser in die nervöse und von bitterem Sarkasmus geprägte Gedankenwelt des Protagonisten zu ziehen. Dazu nutzen die drei Kapitel des Romans jeweils unterschiedliche Erzählperspektiven – vom „ICH“ über das „DU“ hin zum distanzierten „ER“. Dies spiegelt die zunehmende Entfremdung des Protagonisten von sich selbst wieder. Die retrospektiven Betrachtungen präsentiert Garaczi in einem nie enden wollenden Strom der Erinnerungsfetzen – der wortwörtlich ohne Punkt, dafür aber mit zahlreichen Kommas – die Handlung von Ereignis zu Ereignis treibt. Dieses pathologische Rasen der Gedanken wirkt meist bedrückend, an vielen Stellen aber auch belustigend. So beobachtet und kommentiert der Protagonist mit beinahe augenzwinkerndem Humor das Treiben im Streichquartett und gibt dem Leser einen Einblick hinter die Kulissen des musikalischen Betriebs. Er führt in eine Welt der Wahrnehmung, wie sie wohl nur dem Schädel eines Musikers entspringen kann: Da zirpen Grillen in fis-Moll und auch der Rasenmäher summt in seiner eigenen Tonart. Garaczis breit gestreuter Wortschatz und seine narrative Virtuosität, mit der er scheinbar unzusammenhängende Gedankenfetzen wie Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild zusammensetzt, machen die Lektüre von „MetaXa“ zu einem Vergnügen.
László Garaczi wurde 1956 in Budapest geboren. Seit dem Abschluss seines Studiums an der Pädagogischen Hochschule in Eger, dem er ein Philosophiestudium in Budapest anschloss, ist er als freier Schriftsteller, Theaterautor und Übersetzer tätig. Für seine Werke wurde Garaczi in seiner Heimat Ungarn bereits mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt. Unter anderen mit dem Zsigmond-Móricz-Stipendium, dem Attila-József-Preis als auch mit dem jährlich in Budapest vergebenen Sándor-Márai-Literaturpreis. Neben MetaXa erschienen bisher auch sein Debütroman „Plastik“ (1990), die Theaterstücke „Tanz der Wale“ (1994), der Doppelroman „Die wunderbare Busfahrt“ (1999) sowie die Erzählungen „Picasso sieht rot“ (2002) und „Bekenntnisse eines Lemuren“ (Roman, 2011) in deutscher Sprache.
Katrin Holtz
László Garaczi: „Metaxa“
Roman, erschienen 2015 im Literaturverlag Droschl
Aus dem Ungarischen von György Buda
ISBN: 9783854209706
19 Euro