Von Albert Gazda
Das wunderbare Referendum- Thema wirft eine Frage auf, die bisher etwas untergegangen zu sein scheint. Wie hat es sich der Fidesz vorgestellt, dass dieser Skandal, so wie er vor sich gegangen ist, für ihn nützlich sein wird? Das ist total unverständlich. (…)
Die glatzköpfigen Kerle haben mit der guten Dame Hand in Hand die MSZP überrumpelt. Und jetzt darf man beim Anblick der frisch eingeschlagenen Nägel im Sarg der ungarischen Demokratie und des Rechtsstaates Krokodilstränen weinen.
Es gibt hier aber noch ein feines Detail: Die Sozis haben es einen Tag vorher schon gespürt, dass da etwas im Busch sein könnte. Der Partei-Vize berichtete, dass viele ausgerüstet mit Kameras und Fotoapparaten zum Wahlbüro aufbrechen werden. Den Aufmarsch konnte man deshalb schon vorher planen, weil man genau wusste, dass die Kurie den gerade aktuellen Tagesordnungspunkt über die Sonntagsschließung am Dienstag in der Früh abschließen wird und sich dadurch die Möglichkeit eröffnet, diesbezüglich einen neuen Antrag einzureichen. Die MSZP hatte sich aber umsonst abgemüht, Frau Erdősi und ihre kernigen Enkelsöhne setzten sich schließlich durch.
Die wahren Organisatoren scheinen aber kein Blatt vor den Mund zu nehmen, dass sie selbst die glatzköpfigen Kerle an den Ort des Geschehens geschickt hätten. Es zählt nicht als Terroranschlag, dass radikale Organisationen stolz und sofort damit vor der Öffentlichkeit prahlen, wie großartig sie wären. (…)
Außer Zweifel steht jedenfalls: Wir haben wieder eine Grenze überschritten. Für Ungarn war es bisher nicht typisch, dass sich irgendwer mit Hilfe roher, physischer Kraft kleine politische Vorteile verschafft. (…) Schämt sich die Macht nicht, jetzt zu solchen Mitteln zu greifen? Den Zeichen nach vermutet jeder, dass es sich bei den glatzköpfigen Kerlen um die Leute des Fidesz-Parteidirektors Gábor Kubatov vom Fußballclub Fradi handle. Die Regierungspartei dementiert dies zwar und lenkt vom Thema ab, so richtig kann man ihr aber nur schwer Glauben schenken. Auf jeden Fall ist die Aktion – je nach Betrachtungswinkel – beängstigend bis lächerlich.
Fest steht aber auch: Als Witz war sie zu derb. Immerhin liegt hier mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Straftat vor. Klar ist auch, dass solche Methoden eher in Ländern östlich von uns zum Repertoire der Herrschenden gehören. Hauptsächlich in der Ukraine, wo der Einsatz von Provokateuren eine gängige Praxis des politischen Lebens ist. Ebendort gehört physische Gewalt übrigens auch zum parlamentarischen Alltag. (…)
Kurz und gut: Wir sind wirklich zügig unterwegs, die ungarische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf eine spektakuläre Art und Weise bloßzustellen. Wir haben es nicht anders verdient, würde ich sagen, wenn wir es wirklich nicht anders verdient hätten. Schließlich wollte es die Mehrheit von uns, dass es so kommt.
Oder wollte dies unsere Mehrheit doch nicht?
Ja, genau hier liegt der Hund im Wesentlichen begraben. Aufgrund der Reaktionen und Kommentare fange ich mit einer immer größeren Überzeugung an zu glauben, dass der Fidesz schön langsam den klaren Verstand und die Kontrolle verliert. Die Selbstkontrolle. Immerhin treiben solche Aktionen die komplette Opposition auf eine Plattform – von der DK bis hin zu Jobbik. Die Position der Regierungspartei ist dabei aber noch nicht besonders gefährdet. Obwohl es schon sein kann, dass Glatzköpfe auch unter deren Anhängerschaft nicht besonders beliebt sind.
Das, was wir gesehen haben, ist nichts anderes mehr als Trollpolitik. Den Trollen zu gefallen, ist aber kein Programm. Die Trolle sind vergeblich laut und sie reiben sich vergeblich ihre schmutzigen Hände, während sie in diesen Momenten hämisch lachen. In Wirklichkeit sind die nicht viele. Das werden sie auch niemals sein. Auf sie zu bauen, bringt keinen langfristigen Erfolg.
Ein Troll-Ungarn ist kein Land. Das wird sich früher oder später auch dann bewahrheiten, wenn für die linke Führungsriege im Moment selbst eine Frau Erdősi noch als zu großer Happen erscheint.
Der hier in Auszügen wiedergegebene Kommentar erschien am 23. Februar auf dem Online-Portal der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet.
Aus dem Ungarischen von
Dávid Huszti