In Ungarn gehört der Volkswagen-Dining Guide zu den wichtigsten nationalen Restaurantführern. Nächste Woche erscheint das „Who is who“ der ungarischen Gastronomieszene nun bereits im zwölften Jahr in Folge. Wer es nicht unter die Auswahl der 220 im Buch vorgestellten Restaurants geschafft hat, sagen die Herausgeber, ist auch nicht eines Besuches wert. Der Gastronom Zoltán Herczeg organisierte in diesem Jahr die Restauranttests. Der Budapester Zeitung erzählt er, worauf es dabei ankam.
Der 29. Februar wird ein wichtiger Tag für die ungarische Gastronomieszene. Auf einer festlichen Gala im Larus Étterem werden Sie die Ergebnisse Ihrer monatelangen Tests vorstellen. Was erwartet uns noch an diesem Abend?
Die Gala wird eine der größten Veranstaltungen der ungarischen Gastronomieszene. Rund 350 Gäste sind geladen. Darunter bedeutende Sterneköche, Gastronomen und andere in der Branche tätige, aber auch Berühmtheiten und sogar ein bisschen Politprominenz – so nimmt beispielsweise die Frau unseres Ministerpräsidenten an der diesjährigen Gala teil. An sich ist die Veranstaltung aber natürlich unpolitisch.
Es wird ein volles Programm geben. Zunächst werden wir die zehn besten Restaurants des Jahres 2015 vorstellen. Dann verleihen wir die Auszeichnungen in den einzelnen Kategorien. Dazu gehören der Preis für die innovativste Küche, das beste Streetfood und den „Chefkoch des Jahres“, aber auch der talentierteste junge Chefkoch wird ausgezeichnet. Die wichtigste Auszeichnung des Jahres bleibt aber selbstverständlich der Volkswagen-Dining Award für das Restaurant des Jahres. Zum Schluss werden wir auch die neue Ausgabe des im Buchformat herausgegebenen „Volkswagen-Dining Guide TOP 100 Restaurantführers“ vorstellen.
Was können sich die Leser von der zwölften Auflage des Restaurantführers erhoffen?
Unser Ziel ist es, die Leute mit Wissen zu versorgen und ihnen einen verlässlichen Kompass für die ungarische Gastroszene an die Hand zu geben. Insgesamt stellen wir 220 Restaurants in Ungarn vor, die unseren Ansprüchen an gute Gastronomie gerecht werden. Darunter sind jene Einrichtungen, die es in das Ranking der TOP 100-Restaurants in Ungarn geschafft haben. Es gibt aber auch eine Sektion für Restaurants, die nicht unter den TOP 100 sind, die wir aber trotzdem empfehlen. Einen weiteren Teil des Buches widmen wir einem Überblick über die besten Angebote im Bereich des immer beliebter werdenden Streetfoods.
Handelt es sich dabei um Restaurants und Angebote in Budapest oder wird es auch Empfehlungen für andere große Städte und das Land geben?
Ja, das wird es auch. Leider muss ich zugeben, dass sich 85 bis 90 Prozent der Empfehlungen auf Budapest beziehen. Hier bündelt sich nun einmal das gastronomische Potenzial des Landes. Gerade die Sektion über Streetfood konzentriert sich auf verschiedene kulinarische Hotspots in Budapest, wie beispielsweise die Gegend rund um die Ruinenbars im VII. Bezirk oder den Deak tér.
Sie haben als Chef der Testgruppe die anonymen Restaurantbesuche und -bewertungen organisiert. Worauf kam es dabei an? Wie können Sie sicherstellen, dass Sie unparteiisch bleiben?
Das ist natürlich eine sehr schwere Frage. Uns war es wichtig, dass wir in diesem Jahr ein besonders objektives und von äußerer Manipulation unabhängiges Ergebnis erhalten. Dazu haben wir ein neues, noch professionelleres Bewertungssystem erprobt. Es orientiert sich an einem in Italien gebräuchlichen Bewertungssystem (Espresso) und verwendet statt wie bisher Zehn- oder Zwanzig-, nun ein 100-Punkte-Rating. Damit erhält man eine aussagekräftigere Beurteilung.
Wir hatten insgesamt zwölf Tester, darunter drei Ausländer, die für uns alle Restaurants besucht und bewertet haben. Wichtig ist, dass keiner von ihnen aktiv im Gastronomiegewerbe tätig sein durfte. Es handelt sich meist um Menschen in gehobenen Positionen, mit einer guten Ausbildung, die sich privat sehr für Restaurants interessieren und auch internationale Dining-Erfahrung mitbringen. Natürlich haben wir sie vorher geschult, damit sie wissen, worauf es ankommt und was eine gute Mahlzeit ausmacht.
Und was wäre das? Kommt es beim Essen nicht gerade auf den subjektiven Geschmack an? Wie kann man da ein objektives Urteil fällen?
Es gibt sehr viele objektive Kriterien: Zum einen kommt es grundlegend darauf an, ob hochwertige, frische Zutaten verwendet werden. Dann kommt es auf die Kompositionen der Zutaten und auf die Proportionen auf dem Teller an. Nehmen wir einmal ein Wiener Schnitzel: Im Zentrum sollte dabei natürlich das Schnitzel selbst stehen. Die Beilagen und Garnierungen dürfen ihm nicht die Show stehlen.
Ebenfalls in der Bewertung berücksichtigt, wird die Technik, mit welcher die Speisen zubereitet wurden. Wie anspruchsvoll ist diese? Passt sie zu den genutzten Zutaten? Zuletzt kommt noch der Aspekt der Innovation: Heutzutage ist es zum Beispiel vielen Menschen wichtig, ausgewogener zu essen, daher baten wir unsere Tester, darauf zu achten, wie das Verhältnis von Eiweiß, Kohlehydraten und Fett aussieht. Das hat viel damit zu tun, wie innovativ die Küche ist. Denn innovativ bedeutet hier nicht, dass man keine traditionellen Gerichte kocht, sondern, dass sich Gedanken darüber gemacht werden, ob die Mahlzeit den Anforderungen des modernen Menschen entspricht. Als wichtigster Aspekt fließt natürlich auch der Geschmack in die Bewertung ein.
Damit wir jedoch eine verlässliche, ebenso wie objektive Aussage über ein Restaurant treffen können, haben wir oft bis zu vier Tester unabhängig voneinander in ein Lokal geschickt. Anschließend verglichen wir die Bewertungen und bildeten daraus ein gemeinsames Urteil über das Restaurant. Gingen die Bewertungen zu weit auseinander, schickten wir erneut zwei Tester, die diesmal aber nur auf die strittigen Punkte achteten. So haben wir schrittweise die Vorauswahl für die TOP 100, dann die TOP 50 und die TOP 30 besten Restaurants getroffen. Für das Ranking der letzten 30 Restaurants haben wir uns zusätzlich noch die Expertenmeinung des renommierten italienischen 2-Sternekochs Nicola Portinari eingeholt.
Was hält Herr Portinari von ungarischen Restaurants?
Aus der Sicht des italienischen 2-Sternekochs fehlt es in der Gastronomielandschaft hierzulande an Regionalität. Bei seiner Ankunft haben wir für ihn 24 typisch-ungarische Gerichte zubereitet, damit er einen Eindruck der ungarischen Küche erhält. Als er von seinen Testbesuchen zurückkam, beschwerte er sich, dass er in den 30 besten Restaurants Ungarns kein einziges typisch ungarisches Gericht finden konnte. Seiner Meinung nach könnten sich diese Restaurants überall in der Welt befinden. Trotzdem mochte er sehr, was er dort probiert hat.
Wo wird der Restaurantführer demnächst erhältlich sein und wird es ihn auch auf Englisch geben?
Den Volkswagen-Dining Guide TOP 100 Restaurantführer wird es sowohl auf Ungarisch als auch auf Englisch geben. Er wird in den gängigen Buchläden, aber auch an Zeitungskiosken und Tankstellen für 1.690 Forint pro Buch erhältlich sein. Wir rechnen zunächst mit einer Auflage von 10.000 Stück. Wir planen weiterhin, den Dining Guide als kostenlose App fürs Smartphone herauszugeben. Damit soll man zweisprachig nach Restaurants in der Nähe des eigenen Aufenthaltsortes suchen und die entsprechende Dining Guide-Bewertungen abrufen können.
Das Interview führte Katrin Holtz