Bald ein Jahr ist das Gesetz zum Sonntagsschluss in Kraft – und noch immer haben sich die Menschen nicht damit abgefunden. Meinungsumfragen zeigen, dass mehr als 60 Prozent der ungarischen Bevölkerung die oktroyierten Öffnungszeiten ablehnen. Kein Wunder also, dass die Opposition nach wie vor versucht, eine Volksbefragung dazu zu initiieren und eben, dass sie bei diesem Vorhaben erneut behindert wird.
Wer dachte, dass es nach der 30-sekündigen „Verspätung“ der sozialistischen MSZP und der auf wundersame Weise Einlass erhaltenden Ladenbesitzerin und Sonntagsschluss-Befürworterin in Sachen Volksbefragung nicht noch skurriler werden kann, der irrt gewaltig. Am Dienstagmorgen überschrieb die Realität einmal mehr alle Fantasiehochflüge von Komikern und Satirikern, als István Nyakó und Zoltán Lukács (beide MSZP) am Morgen am Nationalen Wahlbüro (NVI) eintrafen. Für Dienstag wurde das Urteil in der gerade anhängigen Frage erwartet, also brachten sich die Oppositionspolitiker bereits im Morgengrauen in Position. Das war zumindest der Plan. Seiner Verwirklichung standen jedoch mehr als ein Dutzend „Stiernacken“ wortwörtlich im Wege.
„Kein Kommentar“
Die muskelbepackten jungen Männer waren zu keiner Stellungnahme bereit, ebenso wenig wie die später am Morgen eintreffende ältere Dame, die, so wurde vermutet, ebenfalls eine Referendumsinitiative in petto hatte. Tatsächlich sah es einige Stunden auch so aus, als ob die jungen Männer lediglich sicherstellen sollten, dass die unbekannte ältere Dame ihre vermutete Frage einreichen kann, denn nach einer Änderung des Gesetzes über Volksbefragungen darf zu einem Thema immer nur eine Frage vom NVI zugelassen werden.
Kurz vor zwölf Uhr dann die Überraschung: Nachdem das Urteil der Kurie online veröffentlicht worden war – und damit der Themenkreis des Sonntagsschluss wieder „frei“ war – versperrten mehrere der jungen Männer Nyakó schlicht den Weg, während, wie sich herausstellte, einer der ihren selbst eine Frage einreichte. Dabei hatten sich weder die Dame noch ihre muskelbepackten Begleiter am Morgen dazu äußern wollen.
Nun hat das Rätseln begonnen. Was für eine Frage wurde eingereicht? Und vor allem: Wer sind diese eher an Fußball-Hooligans, denn an politisch interessierte Bürger erinnernden Männer? Eine Antwort auf zweite Frage gab der „Együtt“-Politiker Péter Juhász noch am Dienstagvormittag. In einem Facebook-Post veröffentlichte er eine an ihn adressierte Nachricht von einer „die inneren Angelegenheiten des Fradi gut kennenden Quelle“. Demnach sind die beim NVI aufgetauchten Männer keineswegs Fußball-Hooligans wie anfangs von Vielen vermutet, sondern bezahlte Mitglieder des Sicherheitsdienstes des traditionsreichen Fußballvereins Ferencváros, besser bekannt unter dem Kürzel Fradi. Zwei der Männer werden gar identifiziert als „Tibor K. und Loci J., beide sind rückfällig gewordene Straftäter“ und beide auf der Gehaltsliste des Fidesz-nahen Clubeigners Gábor Kubatov.
Rechtliche Schritte möglich
Nun wie weiter? Sollten die Herren in schwarz tatsächlich eine Frage zum Sonntagsschluss eingereicht haben, ist das Thema wieder für mehrere Monate gesperrt. Doch auch ein anderer juristischer Weg eröffnet sich nun. Wie der Blog 444.hu richtig anmerkte, kollidiert das Verhalten der vermeintlichen Security-Männer mit dem Strafgesetz. Denn dort wird die Behinderung einer, für das Einreichen einer Referendumsfrage berechtigten Person durch Gewalt, Bedrohung, Täuschung oder finanzielle Belohnung mit bis zu drei Jahren Haft sanktioniert. Nun liegt es an Nyakó, ob er den juristischen Weg einschlagen möchte.
Von offizieller Seite meldete sich HR-Minister Balog als erster zu Wort und verurteilte das Verhalten der Männer im NVI scharf. Gegenüber dem Blog 444.hu sagte er, sollten solche Vorfälle in Ungarn passiert sein, hielte er das für nicht hinnehmbar.