András Jámbor
Viktor Orbán dankte der Gesellschaft für das Opfer, das für die Pädagogen erbracht wurde. Sie erhielten nämlich eine Mittelaufstockung von etwa 700 Milliarden Forint (rund 2,25 Milliarden Euro). „Weder die Polizisten noch die Krankenpfleger verlangten, dass sie zuerst eine Lohnerhöhung erhalten“, so der Ministerpräsident im Kossuth-Radio.
Es kommt selten vor, dass sich der Premier zu einem gesellschaftlichen Problem höchstpersönlich zu Wort meldet, und wenn er so etwas tut, dann hat es auch Gewicht. Orbán hat sich im Radio für den Angriff beziehungsweise gegen die gesellschaftliche Solidarität entschieden. Was kann man denn überhaupt von einer Verhandlung erwarten, wenn Orbán die Lehrer derart attackiert, ihnen falsche Forderungen in den Mund legt, falsche Zahlen verwendet und Polizisten und Krankenpfleger gegen sie aufhetzt?
Wenn wir uns nämlich die Forderungen der Lehrer anschauen, etwa das 16-Punkte- Programm des Teleki-Gymnasiums, dann handeln 15 von ihnen von der Qualität des Bildungswesens und nicht von Gehaltserhöhungen. Ihre Hauptforderung ist also nicht eine Gehaltserhöhung, sondern dass sie unter normalen Bedingungen arbeiten können, dass man Druckerpatronen nicht erst im Rahmen eines wochenlangen Prozesses der öffentlichen Beschaffung bekommt, dass das Bildungssystem auf die Kinder und nicht die Verwaltung ausgerichtet ist, dass die Kinder aus normalen Büchern lernen können, darunter natürlich auch die Kinder von Polizisten und Krankenpflegern, und die zukünftigen Polizisten und Krankenpfleger.
Aber auch die Gehaltserhöhung wurde anfangs nicht gefordert. Mehrere Schulen zeigten sogar Solidarität mit dem Personal des Gesundheitswesens. Und überhaupt: Warum steht die Notwendigkeit der Gehaltserhöhung für Krankenpfleger und Polizisten ausgerechnet im Zusammenhang mit der Gehaltserhöhung für Lehrer und nicht etwa mit dem Bau von Fußballstadien? Warum erwähnte Orbán hier nicht die Schmalspurbahn von Felcsút oder seinen Günstling Lőrinc Mészáros, den Bürgermeister derselben Gemeinde? Warum stellte er nicht die hier fließenden staatlichen Gelder in Verhältnis zur Gehaltserhöhung für Lehrer?
Apropos Gehaltserhöhung: In Wirklichkeit hätten in diesem Jahr bereits am 1. Januar die Gehälter der Lehrer steigen sollen. Dies erfolgt jetzt aber erst im September, und zwar in einer Weise, dass dabei die Lehrergehälter Ende des letzten Jahres vom System der Bindung an das Mindestlohnniveau abgekoppelt wurden. So erhielten die Lehrer am 1. Januar nicht nur keine Gehaltserhöhung, ihr Gehalt wurde im Verhältnis zum Mindestlohn sogar noch reduziert, und das noch dazu in einem Umfang, der über der im September zu erwartenden Gehalterhöhung liegt. Zum Glück wurde diese Koppelung an das Mindestlohnniveau nicht bei jedem abgeschafft: Die obere Führungsriege der Ungarischen Nationalbank verdient genau deshalb seit dem 1. Januar deutlich mehr.
Die Schiebung besteht aber auch darin, dass das Bildungswesen etwa 700 Milliarden Forint mehr hätte erhalten sollen. Genauer gesagt hat es diese auch erhalten, nur wurde vorher viel mehr gestrichen, denn während laut dem Zentralamt für Statistik bis 2010 4,75 Prozent des BIP für Bildung ausgegeben wurden, betrug dieser Wert 2013 nur noch 3,93 Prozent und reduzierte sich seitdem kontinuierlich weiter. Unter den OECD-Ländern haben die ungarischen Lehrer die niedrigsten Einstiegsgehälter. Das unfähige Klebelsberg- Institut (KLIK) ist als zuständige Unterrichtsbehörde haushoch verschuldet. Nicht einmal für die Tafelkreide reicht es! Wo sind dann diese 700 Milliarden?
Das ist in dieser Form reine Verhetzung, denn die Gehälter der Polizisten und der Krankenpfleger sind nicht deshalb so niedrig, weil die Lehrer demonstrieren oder sie – Gott bewahre – sogar eine Gehaltserhöhung fordern würden, sondern weil ihre berechtigten Forderungen von der Regierung nicht erhört wurden. Orbán malt ein Bild von egoistischen, gierigen Lehrern, damit er unter den Staatsbediensteten, die für die Gesellschaft lebenswichtige Aufgaben versehen, Uneinigkeit und Neid schüren kann – auch unter seinen Wählern. Wäre ich Gewerkschaftsvorsitzender, würde ich mich solange nicht an den Verhandlungstisch setzen, bis sich der Ministerpräsident für seine Sätze aus dem Radiointerview entschuldigt hat.
Ich bin jedoch kein Gewerkschaftsvorsitzender und kann daher nichts anderes machen, als an künftigen Protestaktionen der Lehrer teilzunehmen, so wie ich in den vergangenen Jahren auch für Polizisten und Krankenpfleger auf die Straße gegangen bin. Ich bin nämlich nicht der Ansicht, dass die Lehrer, Krankenpfleger und Polizisten miteinander rivalisieren oder sich gar gegenseitig als Feinde betrachten sollten, sondern dass wir uns als Partner beim Aufbau eines lebenswerten Staates die Hände reichen sollten! Und so meine ich, liebe Polizisten und Krankenpfleger, auch ihr könnt die beste Antwort auf diesen Spaltungsversuch des Premiers nur in Form der Solidarität mit den Lehrern geben, die Eure Kinder unterrichten!
Der Kommentar erschien am 5. Februar 2016 auf dem regierungskritischen Portal www.kettosmerce.blog.hu.
Aus dem Ungarischen von
Dávid Huszti
Viktor Orbán dankte der Gesellschaft für das Opfer, das für die Pädagogen erbracht wurde.
Es muss heißen:
Viktor Orbán dankt der Gesellschaft für das Opfer, dass die ungarischen Menschen im Rahmen ihrer täglichen Arbeit erbringen – und dass sie die unfähigen Politiker jeglicher Coleur noch immer nicht außer Landes gejagt haben.
Wo ist das Volk !
Ich bin zuversichtlich. Der Protest wird irgendwann Orbán erreichen, noch deutlich vor der Wahl 2018.
Und in Europa: Viele müssten ihre Positionen verlassen, in Brüssel, Berlin ….
Als deutscher Unternehmensberater in Ungarn mache ich mir Sorgen um die Zukunftsfähigkeit Ungarns im internationalen Markt.
Der wichtigste Produktionsfaktor der ungarischen Wirtschaft ist die Qualität des Human Capitals. Dieser Produktionsfaktor hat auch eine hervorragende Bedeutung für ausländische Investoren. An dieser Qualität mangelt es jedoch in Ungarn in zunehmenden Maße. Deshalb ist es notwendig, vorrangig in den Bildungsbereich zu investieren; d.h. Verbesserung der Lernbedingungen für die Bevölkerung, angefangen vom Kindergarten über die Schulen und Hochschulen bis zur Weiterbildung.Dazu gehört notwendigerweise auch eine qualtitativ hervorragend aufgestellte Lehrerschaft.
Diese bekommt man natürlich nicht umsonst. Überdurchschnittlich hohe Gehälter bewirken einen starken Anreiz, beruflich in Forschung und Lehre tätig zu werden. Das beweisen die Erfahrungen in Südkorea, Japan und Finnland.
Deshalb ist es kontraproduktiv für die Volkswirtschaft Ungarns, wenn man hier glaubt, man könne einen anderen Weg gehen.
In Korea , Japan oder Finnland ist es schon seit Jahren Standard in den Bildungsbereich enorme finanzielle Mittel zu investieren. Dazu gehört auch, dass die Lehrersschaft sehr gut besoldet wird.
Ich mache mir eher Sorgen um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, wenn ich an kiffende Lehrer an den Schulen meiner Söhne denke, an Leerstunden und das sogar Geld fehlt für das Renovieren der sanitären Anlagen. Beim Vergleich mit Korea, Japan, aber auch Indien und China sollte man nicht die hohe Selbstmordrate überforderter Schüler unterschlagen.
Um das zu verstehen muss man nicht Prof.sein,das sieht jedes Kind.Einige europäische Länder haben im PISA schlecht abgeschnitten.Jedes Land hat seine Regierung was sie verdient hat.Bei meiner Schulzeit war nicht mit +/- 5 Stunden,sonder einmal in der Woche 8 Std.auch von 10 Wochen Ferien waren nur Träume.Mit meiner Schulpflicht und Ausbildung hatte ich meine Anstellung 40 Jahre lang.