Die Monopolisierung des Tabakmarktes, die Sonntagsschließung, die Sondersteuer für Multis und Banken, rückwirkende Regelungen, eine Gesetzgebung im bolschewistischen Takt, die Aufhebung der Einkommenssteuer-Obergrenze, die Anhebung der Renten über das Inflationsniveau hinaus, das Schreddern der Mittelklasse, das Verunmöglichen der Lebensbedingungen für Massen von Arbeitern, die Nebenkostensenkung, ein am Beatmungsgerät hängendes Gesundheitswesen, das Abstauben von EU-Fördergeldern, gegenüber Brüssel den harten Kerl spielen, während der Merkel-Hysterie Zäune hochziehen, Komitate unter den Nagel reißen, die Zentralisierung der öffentlichen Bildung, die Aushöhlung der Bildung, das Vervielfachen von Gehältern der staatlichen Führungskräfte, Hunderttausende aus dem Land vertreiben – das gelang und gelingt der Regierung mit ihrer Fast-Zweidrittel-Mehrheit spielend.
Sie stehen einfach über dem Gesetz
Die Vernehmung des Budapester Ex- OB Gábor Demszky jedoch nicht. Es gab keine gesetzliche Basis, den unmittelbaren Vorgesetzten des der Korruption beschuldigten sozialistischen Vizeoberbürgermeisters als Zeugen zu vernehmen. Es gab keine gesetzliche Basis dafür, dass die Staatsanwaltschaft den ehemaligen Oberbürgermeister von Budapest befragt, was er denn zwischen zwei Kroatien-Urlauben im Rathaus machte, als sein unmittelbar zugeteilter Mitarbeiter Miklós Hagyó gerade der ungarischen Nationaldisziplin der freien Plünderung nachging. Für diese Frage mangelte es sowohl an einer gesetzlichen Basis als auch an einer guten Begründung. Die Zweidrittelmehrheit, die sonst so begnadet orthodoxe wie unorthodoxe Mittel findet, um eigene Taschen vollzustopfen, Firmen von Freunden zu mästen und das verbliebene Vermögen des Landes abzugreifen, erscheint hier wie gelähmt. Viktor Orbán, der neosozialistische neue Kádár reißt sich hier kein Bein aus, eine Pressekonferenz einzuberufen oder den Ausnahmezustand auszurufen. Gyurcsány und Demszky sind einfach nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Genauso wenig sind es Rogán, Lázár, G. Fodor, Vajna und Habony.
Und man möchte dabei nicht unersättlich wirken, wenn man noch erwartet, dass die himmelhoch schreienden Investitionskosten der Metrolinie 4 untersucht werden sollen. Ich träume auch nicht davon, dass Demszky wegen des zerfallenden öffentlichen Verkehrs, der zerbröckelnden Gesundheits-Infrastruktur, des maroden Stadtbilds oder gar wegen der Misswirtschaft der Hauptstadt vernommen wird. Es ist jedoch eine Frechheit sondergleichen, dass er nicht einmal als Zeuge befragt wird. Nicht, dass Genosse Demszky auch nur für eine Minute den Eindruck bekommt, dass das System der Nationalen Zusammenarbeit ohne ihn den Geist aufgäbe. Mich verwundert es aber, dass die Staatsanwaltschaft imstande war, eine gesetzliche Basis für die Vernehmung von Gyurcsány und Gergényi betreffend der blutigen Polizeiübergriffe von 2006 zu finden, obwohl sie nicht einmal selbst vor Ort waren, sondern nur ihre Befehlsempfänger. Vor diesem Hintergrund ist es wahrlich ein hartes Urteil, dass Gergényi eine erstinstanzliche Rüge erhielt.
Die Korruption gehört irgendwie zur ungarischen Seele. Hagyó hat sich mit einer bedingten Strafe aus der Schlinge gezogen. Und die zwei Hauptverantwortlichen für die Menschenleben fordernde und furchtbare Umweltschäden verursachende Rotschlamm-Katastrophe sind die Physik und der Boden. Und die Gesellschaft schluckt all das zwischen zwei Flüchtlingskrisen und einer Olympia-Debatte – ohne Wenn und Aber. „Kann man nichts machen“, so dabei die Devise der sogenannten Volksvertreter, die sich daraufhin im Parlament versammeln und einen Haufen verfassungswidriger Gesetze verabschieden, damit die Verwandten im unveränderten Takt weiter das Staatssilber abgreifen können. Diese Entscheidungen sind symbolisch. Egal wie groß die Macht ist, die die Regierung innehat, und egal wie schwach die Opposition ist: Diebstahl muss in Ungarn keine Konsequenzen haben. Beruhigen Sie sich, hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie weiter! Es können Osmanen und Tataren kommen, es können Migrantenkinder vom Himmel fallen, in diesem Land wird die Rechenschaftspflicht nicht eingefordert. Denn wenn dies der Fall wäre, müssten sich sehr viel sehr betroffen fühlen.
Der Kommentar erschien am 4. Februar in der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet
Aus dem Ungarischen von
Dávid Huszti