Busfahrer mögen Autos nicht, Autofahrer mögen Radfahrer nicht, Radfahrer mögen Mopeds nicht – und alle hassen Tauben. So oder so ähnlich ließe sich die Verkehrssituation in Budapest zusammenfassen. Es ist eng, laut und wer sich oberirdisch versucht fortzubewegen, hat oft mit Unwägbarkeiten zu kämpfen. Zwar hat sich in den vergangenen Jahren in Sachen (öffentlichen Nah-)Verkehr vieles zum Positiven verändert, aber damit könnte es demnächst vorbei sein.
„Budapest ist zu sehr auf den öffentlichen Nahverkehr ausgerichtet.“ Mit dieser Aussage sorgte Oberbürgermeister István Tarlós zum Ende des vergangenen Jahres für Wirbel. Daraus ergibt sich eindeutig eine neue Richtung: Wenn es nach dem Stadtvater geht, soll es demnächst weniger öffentliche Verkehrsmittel, weniger Rücksicht auf Fahrräder und mehr Autos in der Innenstadt geben. Dabei war es Tarlós selbst, der noch vor wenigen Jahren den Mór-Balázs-Plan zur Stadtentwicklung unterschrieb, in dessen Rahmen auch zahlreiche radfahrerfreundliche Verkehrslösungen ins Stadtbild integriert wurden. Nun also die komplette Kehrtwende.
BKK wird aufgestückelt
Ob István Tarlós damit auf den immer noch nicht gelösten Streit mit der Regierung in Sachen hauptstädtischer Nahverkehrsfinanzierung reagiert, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass das Budapester Verkehrszentrum BKK seiner Rolle als Koordinationsmittelpunkt enthoben wird. Über die neue Aufgabenverteilung wurde bereits vergangene Woche auf der städtischen Vollversammlung entschieden, schreibt das Nachrichtenportal index.hu unter Berufung auf ein in seinem Besitz befindliches internes Dokument. Ab dem 1. April übernimmt die Budapest Közút Zrt. alle Aufgaben rund um Straßenbau und –Instandhaltung. Außer der Kontrolle der Taxis verliert die BKK alle Zuständigkeiten betreffs der öffentlichen Straßen. Damit, so schreibt das Portal, könnte der erste Schritt zur Umgestaltung der ungarischen Hauptstadt hin zu einem mehr auf den Pkw-Verkehr ausgelegten Stadtbild gemacht worden sein. Denn, so sagte Tarlós bereits im vergangenen Jahr: „Die Zurückschneidung des Autoverkehrs und dessen Verbot ist die falsche Herangehensweise.“ Dabei lässt der OB jedoch außer Acht, dass die Stadt wohl kaum über die nötigen Finanzen für Entwicklungen und Umbauten dieser Art verfügen wird, falls sie dieses Ziel verfolgen sollte. Denn die EU fördert Projekten zur Stadtentwicklung nur, wenn diese ökologisch vertretbar sind – mehr Autos zählen wohl schwerlich dazu.
Unverständnis für Entscheidung
Abgesehen vom Umweltfaktor hat eine fahrradfreundliche Stadt auch wirtschaftliche Vorteile, schreibt beispielsweise der Ungarische Klub der Fahrradfahrer (MKK) als Reaktion auf das Vorhaben István Tarlós´. So würde durch weniger Abgase in der Luft nicht nur der Gesundheitszustand der Stadtbevölkerung verbessert, sondern auch Läden und Lokale könnten von weniger Autoverkehr profitieren. Wer schlendert schon gern im Smog, lautet die Argumentation der MKK. Und auch der Wert von Immobilien steige, wenn die Intensität des Pkw-Verkehrs vor der Tür sinkt. Tatsächlich hilft es auch den Autofahrern, wenn mehr Menschen aufs Rad umsteigen. In Budapest, so der MKK, reisen im Durchschnitt magere 1,2 Personen pro Auto. Könnte die Zahl der Fahrzeuge verringert oder die Zahl der Passagiere pro Wagen erhöht werden, kämen auch Lieferanten leichter durch den Tag. Der Verkehr liefe schlicht effizienter. All dies, so scheint es, macht auf OB Tarlós wenig Eindruck. Dies ist insofern verwunderlich, als das unter seiner Ägide auch das Bubi-System eingeführt und als ein großer Erfolg kommuniziert wurde. Vielleicht hält sich Tarlós aber auch nur an ein geflügeltes Wort aus dem deutschsprachigen Raum, das da sagt: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“