Dunkel, schauererregend und visuell umwerfend – vergangenen Sonntag feierte die ungarische Inszenierung der Oper „Lear“ ihre Premiere in der Ungarischen Staatsoper. In Budapest brachte Regisseur Ferenc Anger das seit ihrer Uraufführung als eines der bedeutendsten Werke der Moderne gefeierte Stück auf die Bühne.
Wie es der Name bereits verrät, basiert die düstere Oper aus der Feder des Berliner Komponisten Aribert Reimann auf William Shakespeares monumentaler Tragödie „König Lear“. Dabei bleibt das Libretto, geschrieben von Claus H. Henneberg, mehr oder weniger der Handlung des Originals treu. Ebenso wie andere Shakespeare-Tragödien steckt auch die Geschichte des greisen Königs Lear voller Kummer und Leid: Lear, König von Britannien, plant, sich in den Ruhestand zurückzuziehen. Sein Reich will er unter seinen drei Töchtern Goneril, Regan und Cordelia aufteilen. Doch zuvor soll ein „Liebestest“ zeigen, welche seiner Töchter ihn am meisten liebt. Während die älteren Töchter den Vater umschmeicheln, spricht Cordelia, die Jüngste, angewidert von den verlogenen Lobpreisungen ihrer Schwestern, nur von der gebotenen Liebe einer Tochter zu ihrem Vater. Aufgebracht über die seiner Ansicht nach lieblosen und undankbaren Worte, enterbt Lear Cordelia und teilt ihren Anteil unter den älteren Schwestern auf. Doch schnell muss Lear die Grenzen der Liebe seiner habgierigen Töchter Goneril und Regan erfahren. Bald findet er sich, vom Hof verjagt, in der Heide wieder. Von dort aus flieht er mit Hilfe des Grafen von Gloster nach Dover. Als Opfer zahlreicher Intrigen beginnt für Lear der Abstieg in den Wahnsinn, der ihn die wahre Natur des Menschen erkennen lässt. „Lear“ thematisiert in seelenzerknirschender Intensität alles: vom Zerfall der Welt über den zerstörerischen Konflikt zwischen Generationen bis hin zu moralischen Krisen unserer Zeit. Extreme Gier und Eifersucht wechseln sich in raschen Zyklen mit Rage, Rachsucht und Gewaltausbrüchen ab.
Nichts für schwache Nerven
Seine Uraufführung feierte die zweiteilige Oper am 9. Juli 1978 im Nationaltheater München. Basierend auf dieser legendären Produktion von Regisseur Jean-Pierre Ponnelle entzündet auch Ferenc Anger in seiner Inszenierung an der Ungarischen Staatsoper ein hitziges Feuerwerk der Dramatik, das dem Zuschauer kaum eine Minute zum Atmen lässt. Das musikalische Bühnenwerk ist jedoch nichts für schwache Nerven: Zum einen werden viele Opernbesucher nicht unbedingt etwas mit der wütend grellen Atonalität der Musik anfangen können. Zum anderen scheut Anger nicht davor zurück, das volle Ausmaß der Grausamkeit auf der Bühne zu zeigen. So wird beispielsweise bei der Blendung des Grafen von Gloster kein Detail der Fantasie dem Zuschauer überlassen. Durch eine herausragende Besetzung kann Angers Inszenierung dem extrem ausdrucksstarken Gesangspart der Oper gerecht werden. In der Hauptrolle des alternden König Lear ist Tómas Tómasson zu sehen, der über die Spieldauer von zweieinhalb Stunden mit seiner enormen Bühnenpräsenz und Stimmgewalt überzeugt. Die Oper wird in deutscher Sprache und mit englischen und ungarischen Übertiteln aufgeführt.
„Lear“ Ungarische Staatsoper
Budapest, VI. Bezirk, Andrássy út 22
Vorstellungen am 11. und 13. Februar sowie 29. und 31. Mai
Tickets und weitere Informationen unter www.opera.hu oder www.jegymester.hu