
Bäckerin Rita Zaboji an einem der beiden wöchentlichen Backtage in ihrem „Fitnessraum“. (BZT-Fotos: Nóra Halász)
Ärgert auch Sie es, wenn gerade erst gekauftes Brot rasch an Geschmack verliert, austrocknet und sich wenig später als Biotop von Schimmelpilzen nur noch für den Abfalleimer empfiehlt? Dann sind Sie ein potenzieller Kunde der Brotmanufaktur von Rita Zaboji. Die frischgebackene Bäckerin setzt in Sachen Brot auf Altbewährtes und damit automatisch auf Haltbarkeit und gesunde Ernährung.
Begonnen hatte die Geschichte ihrer Bäckerei mit einem allgemein bekannten Problem: dem Fehlen von gutem Schwarzbrot in Ungarn. Während aber andere diesen Zustand nur tatenlos erdulden, sich an vorhandenes Brot gewöhnen und natürlich bei Reisen nach Deutschland oder Österreich kräftig Brot für den Eigenbedarf „importieren“, ging Rita bei ihrer Selbsthilfe jedoch einen Schritt weiter. Mittels handelsüblicher Brotbackgeräte versuchte sie, den Brotbedarf ihrer Familie selbst zu decken. Jeder, der schon einmal mit solchen Apparaturen und den dazugehörigen Backmischungen experimentiert hat, weiß, dass schmackhaftes eigenes Brot herzustellen damit kein so leichtes Unterfangen ist, wie die Verkäufer solcher Geräte gerne suggerieren.
Mit der Nachfrage gewachsen
Wo andere den Brotbäcker rasch der Abstellkammer übereignen, machte Rita jedoch konsequent weiter. Nicht zuletzt, weil sie unverhofft am Brotbacken Spaß fand. Mit den Ergebnissen ihrer Bemühungen war sie schließlich so zufrieden, dass sie es wagte, neben ihrer Familie auch gute Freunde an ihren Brotbackerfolgen teilhaben zu lassen. Das Ergebnis war das gleiche: man war begeistert und wollte von ihr noch mehr Brot. Nett und hilfsbereit, wie sie nun einmal ist, erfüllte Rita diese Bitten und beanspruchte ihr kleines Brotbackgerät einfach etwas intensiver. Problematisch wurde es erst, als die Nachfrage ihrer Familie und Freunde ihre Brotbackkapazitäten zu übersteigen begannen. Das war der entscheidende Punkt in ihrer sich abzeichnenden Karriere als Bäckerin. Statt die vermehrten Brotwünsche unbefriedigt zu lassen, entschied sich Rita vor fünf Jahren für eine Professionalisierung ihres anfänglichen „Hobbys“.
Dafür brauchte sie allerdings drei wichtige Zutaten: Know-how, einen professionellen Backofen und natürlich die entsprechenden behördlichen Genehmigungen. Die beiden ersten Dinge erhielt sie von einer erfahrenen österreichischen Bäckerin. „Wir haben nächtelang zusammen gebacken“, erinnert sich Rita an ihre „Lehrzeit“ in Österreich. Weiteres Wissen holte sie sich aus dem Internet. Schließlich gründete sie 2012 eine Firma und meldete ihr Backgewerbe an. Dabei erfuhr sie, dass dies in Ungarn nur dann möglich sei, wenn in dem Backbetrieb ein ausgebildeter Bäcker tätig ist. Statt diese Hürde „ungarisch“ zu nehmen, blieb sie auch hier konsequent. Obwohl sie dank der österreichischen Bäckerin bereits über das notwendige Wissen zum Brotbacken verfügte, biss die studierte Volkswirtin in den sauren Apfel und begann mit damals 43 Jahren eine reguläre Bäckerlehre. Vor allem, da Legalität zu den Grundfesten ihres neuen Unternehmens zählt, aber auch, weil sich die Sache für sie nur dann lohnt, wenn sie selber Hand anlegen kann und in ihrer Backstube komplett das Sagen hat.
Die Backstube kam im Keller ihrer schönen Familienvilla am Fuße des Budaer Rosenhügels unter. Dort, wo andere etwa ihren Fitnessraum haben, entstand bei ihr eine komplett eingerichtete Bäckerei. „Das ist mein Fitnessraum“, erklärt sie lächelnd, lässt aber zugleich durchblicken, dass sie dies voll ernst meint. Bis zu 50 kg schwere Getreidesäcke schleppen – sie mahlt ihr Mehl selbst –, Sauerteig ansetzen, Brote rein in die Öfen und wieder raus und die fertigen Brote für den Vertrieb vorbereiten, um nur die wichtigsten Tätigkeiten zu nennen, all das bietet für sie nebenbei ein echtes Ganzkörperfitness- Programm. Und das Beste: Von ihren körperlichen Strapazen hat nicht nur sie selbst etwas, sondern auch immer mehr Kunden, nämlich schmackhafte Brote in mittlerweile 16 Sorten.
Inzwischen hat sie wöchentlich zwei Backtage, Dienstag und Freitag, an denen sie jeweils bis zu 280 Brote bäckt. Vor einem Jahr waren es durchschnittlich noch etwa 180, ihre obere Kapazitätsgrenze schätzt sie auf etwa 500 Brote pro Backtag. Wachstum mit Augenmaß heißt bei ihr die Devise. „Ich wachse nur, solange ich die Qualität jedes einzelnen Brotes sicher gewährleisten kann.“ Eine Verdopplung des Ausstoßes würden ihre Backöfen aber noch locker hergeben, und so viel könnten auch Rita und ihre mittlerweile zwei Gehilfinnen noch problemlos bewältigen. Mehr geht aber nicht und mehr will sie auch nicht backen. Schließlich bestünde sonst die Gefahr, dass sie die direkte Verbindung zu ihren Broten und Kunden – „Ich kenne jeden persönlich“ – verliert und damit einen ganz wesentlichen Teil ihrer Motivation. Im BZ-Interview sprach sie auch mehrfach von Spaß, den ihr das Ganze machen müsse, vom Backen bis zur Auslieferung an ihre Kunden.
Eine Erhöhung des Brotausstoßes über die gesetzte Grenze hinaus ist für Rita aber auch deswegen keine Zukunftsoption, weil dies zwangsläufig mit Kompromissen bezüglich der bis dato kompromisslosen Qualität einhergehen würde. So müsste sie dann etwa bei den Prozessen rationalisieren oder eine andere Zutatenpolitik fahren. Genau der Respekt vor den natürlichen Prozessen und Zutaten macht aber das Besondere ihrer Brote aus und bildet daher logischerweise einen unverzichtbaren Teil ihres Geschäftsmodells.
Bewährtes hält länger
Dazu gehören auch unter ökonomischen Aspekten irrwitzig lange, unter Qualitätsaspekten aber notwendige technische Zeiten, wie etwa der 16 Stunden lange Reifeprozess des angesetzten Sauerteigs. Aber nur so entsteht der angenehme Geschmack der Brote, der übrigens sogar in Sachen dunkles Brot häufig abgeneigte Kinder überzeugt. Nebenbei erhalten die Brote ihre extreme Haltbarkeit in Sachen Geschmack und ihre Resistenz gegen Austrocknung und Schimmelpilze. Da das Problem der Haltbarkeit auf so nachhaltige wie geschmacksfördernde Weise gelöst ist, sind in Ritas Bäckerei natürlich Konservierungsstoffe ebenso überflüssig wie Geschmacksverstärker. „Ich backe Brot wie vor hundert Jahren. In meinen Broten kommt jahrhundertealtes Wissen der Brotbackkunst zur Geltung“, unterstreicht die Bäckerin.
Ein Umbruch im Bäckereigewerbe habe erst etwa in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts durch den Übergang zum industriellen Backen stattgefunden. Seit der natürliche Weg des Brotbackens verlassen wurde, wird immer mehr auf die Produktionskosten, in erster Linie die Senkung der technischen Zeiten, aber auch die Qualität der Zutaten gedrückt. Während die Interessen der Produzenten und des Handels in den Vordergrund traten, rückte der Verbrauchernutzen in den Hintergrund. Mit dem Einsatz von immer mehr künstlichen Zusatzstoffen – in Deutschland sind mit Bezug auf das Backen von Brot etwa 2.500 Zusatzstoffe gelistet und gesetzlich erlaubt – oder, weniger euphemistisch ausgedrückt, von Chemikalien wird vielfach nur noch ein natürlicher Zustand vorgegaukelt. „Brot, wie wir es im Supermarktregal vorfinden, verkommt immer mehr zu einer Illusion seiner selbst, zu einer optischen Täuschung.“

Das Wallnussbrot schmeckt so gut, wie es aussieht. Dank einer sorgfältigen Kontrolle der frisch geknackten Nüsse kann man dieses Brot sogar ohne die Sorge genießen, auf Nussschalen zu beißen. Dieses beruhigende Gefühl bieten Wallnussbrote anderer Bäckereien oft nicht.
Nur ausgewählte Zutaten
Aber zurück zum Ursprünglichen, und damit auch zu Ritas Brot! Während die Bäckerin an ihre Brote keinerlei künstliche Zusatzstoffe heranlässt und auch gar nicht lassen muss, konzentriert sie ihre Aufmerksamkeit voll auf die wenigen, aber entscheidenden Backzutaten, also das Getreide, den Sauerteig und die jeweiligen „Sonder-Accessoires“ wie Sonnenblumenkerne, Wallnüsse und Kürbiskerne.
Bei Getreide, das sie zu Beginn eines Backvorgangs im Interesse des Brotgeschmackes selbst mahlt, ist sie sehr kritisch und kauft nur von ausgewählten Landwirten. Auch dabei setzt sie voll auf Tradition. So verwendet sie bevorzugt sehr gesunde, ursprüngliche, also nicht gekreuzte Sorten. Besonders Brote aus Einkorn punkten nicht nur hinsichtlich des Geschmacks, sondern sind oft sogar für Glutenallergiker geeignet. „Heutzutage gibt es auf dem Markt zwar etliche neue Getreidesorten, die sicher gute ökonomische Parameter aufweisen, allerdings können sie häufig nicht mehr so gut verdaut werden wie klassische Getreidesorten. Vor hundert Jahren war die heutige Volkskrankheit Glutenallergie noch unbekannt“, kritisiert sie erneut das zeitgenössische Paradigma der Lebensmittelindustrie. In Ungarn ist Rita übrigens die Einzige, die Einkorn-Vollkornbrote bäckt. Daneben hat sie aber auch diverse hundertprozentige Vollkornbrote im Angebot, die wiederum für Zuckerkranke bestens geeignet sind.
In Sachen Bio bleibt sie allerdings realistisch. Einmal aus Skepsis gegenüber dem ungarischen Bio-Produktesystem und der hiesigen Zertifizierung von Bio-Produkten, aber auch aus ökonomischen Erwägungen heraus. Zwar stamme das Rückgrat ihrer Brote, also das Getreide aus Bio-Anbau, allerdings verwende sie weder Bio-Salz noch Bio-Ölsaaten oder Bio-Hefe. „Würde ich auch hier auf Bio setzen, wäre der Effekt für die Kunden nur minimal, während die Brote deutlich teurer würden.“ Alles müsse halt in einem vernünftigen Rahmen bleiben. Rita definiert sich daher auch nicht als Bio-, sondern eher als Naturbäckerin. Doch, auch wenn ihre Brote kein Bio-Siegel tragen, sind sie immer noch bei Weitem gesünder als alles, was in Supermärkten als Brot verkauft wird.
Gesund und preiswert
Trotz hohem personellen und Mitteleinsatz sind die Brote von Rita aber nicht nur sehr gesund und bekömmlich, sondern auch vergleichsweise preiswert. Haferbrote gibt es bereits für 700 Forint, Spitzenreiter ist das Wallnussbrot für 1.200 Forint – ein Preis, der mit Blick auf die Menge an verwendeten Nüssen, immerhin 10 Prozent, aber voll gerechtfertigt ist. Dass die Brote trotz ihrer aufwendigen Herstellung ein attraktives Preis-Leistungs- Verhältnis aufweisen, hat etwas mit dem hohen Eigenleistungsanteil der Bäckerin zu tun – vom Mahlen des Korns bis zur Auslieferung legt sie überall selbst kräftig Hand an –, aber auch mit dem fürs Backgewerbe hochmodernen Verkaufskonzept. So wird bei ihr – in Analogie zum Printon- Demand-Konzept der Druckindustrie – on-Demand, also nur auf vorherige Bestellung gebacken. Ebenso wenig, wie die Käufer von Ritas Broten jemals wieder einen Kanten Brot wegwerfen müssen – warum auch? –, muss sie also nie unverkaufte Brote wegwerfen beziehungsweise die Kosten dafür auf die verkauften Brote umlegen.
Das Vertriebskonzept ist so einfach wie effizient. Jeder Kunde erhält vor dem Backtag direkt von Rita eine SMS mit den sieben bis acht Brotsorten, die sie anderntags backen wird. Per SMS schickt man dann seine Bestellung an Rita zurück, die sodann haargenau weiß, wie viele Brote sie von welcher Sorte backen muss. Am späten Vormittag der Backtage, die für Rita bereits gegen 3 Uhr in der Früh beginnen, bringt die Bäckerin dann persönlich die Körbe mit den Broten an einige Pick-up-Punkte, so auch in die Deutsche Schule Budapest.
Die einzelnen Brote in den Körben stecken in Papiertüten. Eigenhändig beschriftete Etiketten darauf verraten, wer sich auf frisches Brot freuen kann. In Zukunft möchte sie noch weitere Pick-up-Punkte einrichten. „Ab einer Bestellmenge von zehn Broten fahre ich mein Brot gerne an weitere Stellen in Budapest aus“, verspricht sie. Die Brote können aber natürlich auch in ihrer Bäckerei abgeholt werden.
Ebenso flexibel ist Rita bei der Bezahlung. Es kann bei ihr direkt in der Backstube nur für die gerade übernommenen Brote bezahlt werden oder man zahlt im Voraus eine größere Summe und „isst“ diese dann quasi ab. In jedem Fall gibt es zu den Broten einen Kassenbeleg – Nachhaltigkeit wird bei ihr auch auf diesem Gebiet groß geschrieben.
Behutsame Produktverbesserung
Bis auf die Einrichtung weiterer Pickup-Punkte und eine schrittweise Erhöhung ihrer Brotmenge plant Rita für die Zukunft keine prinzipiellen Änderungen. Sie wird auch weiterhin am gegenwärtigen Brotsortiment festhalten. Langeweile oder Routine? Fehlanzeige! „Die vorhandenen Brotsorten bieten noch eine Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten.“ Und das ist auch gut so, immerhin macht das behutsame Experimentieren für Rita einen ganz wesentlichen Reiz ihrer Tätigkeit aus. Natürlich immer mit Blick auf die Kundenzufriedenheit. Ihr Direktvertrieb ist dabei in Sachen Kunden-Feedback ein großer Vorteil. Und so kreiert sie innerhalb der gegebenen Brotklassen permanent neue Varianten und Geschmacksnuancen. Getragen vom Kundenfeedback arbeitet sie ohne Unterlass daran, ihre guten Brote noch besser, also schmackhafter und bekömmlicher, zu machen.
Und das nicht etwa, weil sie der Wettbewerb dazu treibt – sie ist erstaunlicherweise noch immer allein auf dem Markt für hochwertige Vollkornbrote. Ihr Drang, ihren Broten noch mehr an Geschmack und Bekömmlichkeit mitzugeben, speist sich aus anderen Motivationen. „Brotbacken ist für mich auch Kunst“, gesteht sie. Das klingt zunächst verblüffend, muss aber gewiss als weiterer Motivationsfaktor dieser künstlerisch wie handwerklich begabten Frau – in ihrem Wohnhaus tragen viele Einrichtungsgegenstände, ob nun Gardinen, Kissen oder Polsterbezüge, ihre Handschrift – gelten gelassen werden. „Motivierend sind für mich auch die positiven Reaktionen meiner Kunden.“ Insgesamt scheint die emotionale Komponente bei ihr eine große Rolle zu spielen. Die Begeisterung in ihren Augen, wenn sie von ihren Broten und ihrer „Brotphilosophie“ spricht oder von bemerkenswerten, positiven Kundenreaktionen erzählt, lässt keine Fragen offen: Kern ihres Geschäftsmodells ist eine besondere emotionale Beziehung, sowohl zu ihren „Produkten“ als auch ihren Kunden.
Vereinfacht ausgedrückt könnte die Erfolgsformel ihrer Bäckerei auch lauten: Sie bäckt mit Liebe mehr als nur Brot und erhält dafür von ihren Kunden mehr als nur Geld.
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