Mit Straßenblockaden protestierten Budapester Taxifahrer in der vergangenen Woche gegen den Fahrdienstanbieter Uber. Die Demonstration löste ein Verkehrschaos aus, das bei vielen Bürgern für Verärgerung sorgte. Die Regierung positionierte sich zwar an der Seite der Taxifahrer, gegenüber den Herausforderungen, die die Digitalisierung und die Shared Economy mit sich bringen, zeigt sie sich aber machtlos. Die Budapester Zeitung fasst für Sie die Hintergründe der jüngsten Ereignisse auf dem Taximarkt zusammen.
Bereits in den frühen Morgenstunden fanden sich am vorvergangenen Montag etwa 120 bis 140 Taxifahrer in der Budapester Innenstadt zu einer Protestaktion zusammen. Mit ihren Fahrzeugen blockierten sie am Erzsébet tér die Kreuzung zwischen Bajcsy-Zsilinszky und Andrássy út.
Viele Fahrzeuge waren mit Schildern versehen, auf ihnen waren Losungen zu lesen wie: „Uber – Nein, Danke!“ oder „Verbietet Uber!“. Die Demonstration, die bis Donnerstag anhielt, richtete sich primär gegen die Konkurrenz aus dem Internet.
Uber ist der Anbieter einer Smartphone- App, die unkompliziert auf Knopfdruck Fahrdienste von privaten Fahrern im Internet vermittelt. Und dies zu wesentlich günstigeren Fahrpreisen als die offiziellen Taxis. Seit seinem Start in Budapest im November 2014 ist Uber daher ein Dorn im Auge des ungarischen Taxi-Gewerbes. Inzwischen haben sich laut Angaben von Uber über 80.000 Nutzer und rund 1.200 Uber-Fahrer in der ungarischen Hauptstadt auf der Online-Plattform registriert.
Attila, Uber-Fahrer
„Ich verstehe die Aufregung um Uber nicht. Von 8.000 Budapester Taxifahrern waren nur ein paar Dutzend auf der Straße. Dem Taxigewerbe geht es eigentlich ganz gut. Ich kenne viele, die in großen Häusern wohnen. Die, die dort demonstriert haben, waren vor allem die unabhängigen Taxifahrer. Die großen Unternehmen haben ihre festen Reviere und Kooperationen in Budapest, an denen auch Uber nichts ändert. Ich arbeite seit ein paar Monaten Vollzeit als Uber-Fahrer. Früher habe ich mein Geld im Nachtleben verdient. Bisher rentiert sich die Arbeit für mich und ich schätze die hohe Flexibilität.“
Ungleiche Bedingungen
Bei den Protesten geht es aber vor allem um eins: Existenzangst. Die Taxifahrer sehen ihre Einnahmen von dem Fahrdienstanbieter, der immer mehr Fahrgäste anzieht, bedroht. Zudem verzerre der neue Rivale aus Sicht der Taxifahrer den Wettbewerb, da sich die Uber-Fahrer nicht an jene strikten Regulierungen halten müssen, die die hauptstädtische Taxiverordnung dem Gewerbe auferlegt. Dazu gehören zum einen Vorschriften, die die Sicherheit und den Komfort der Fahrgäste garantieren sollen, wie beispielsweise die Anweisung, im Zeitraum vom 15. Oktober bis 15. März witterungsunabhängig Winterreifen zu nutzen. Aber auch die minimale Achsenbreite, das Kofferraumvolumen, die Leistung und die Farbe der Taxis werden staatlich reguliert.
Die Voraussetzung, die Uber hingegen von seinen Fahrern fordert, ist ein mindestens viertüriges, unfallschadenfreies Fahrzeug, das nicht älter als zehn Jahre sein darf. Weiterhin muss man im Internet eine Kopie, wahlweise ein Handyfoto, des Führerscheins, des polizeilichen Führungszeugnisses sowie einen Auszug aus dem eigenen Verkehrssünderregister hochladen. Hürden, die zwar eine gewisse Qualitätssicherung ermöglichen, jedoch bei Weitem nicht mit denen der regulären Taxifahrer vergleichbar sind.
Hinzu kommt, dass Budapester Taxifahrer seit 2013 die Fahrgastbeförderung zum einheitlichen und staatlich vorgeschriebenen Fixpreis von 280 (früher 165) Forint pro Fahrkilometer anbieten müssen. Damit ist nicht einmal die Möglichkeit gegeben, mit Uber, das 130 Forint pro Kilometer verlangt, konkurrieren zu können. Besonders ärgerlich: Während die Einnahmen und Abgaben im Taxi-Gewerbe streng überwacht werden, zahlen Uber-Fahrer bisher auf ihren Nebenerwerb keine Steuern, viele melden nicht einmal ein Gewerbe an.
Bisherige Reaktionen
Die Frustration ist entsprechend groß bei den Taxifahrern, die nun vor allem Institutionen wie die Nationale Verkehrsbehörde, das Wirtschaftsministerium oder die Steuer- und Finanzbehörde sowie die Hauptstadt in der Pflicht sehen. Allerdings sind die Forderungen der Taxifahrer bisher eher diffus: Manche fordern das sofortige Verbot des Fahrdienstanbieters in Ungarn und for- dern Netzanbieter auf, die App aus ihrem Angebot zu entfernen, andere fordern die Ausweitung der gesetzlichen Regulierungen auf den neuen Wettbewerber, wieder andere fordern, die gesetzlichen Regulierungen für das Taxi-Gewerbe zu lockern.
Zwar versicherte man von Regierungsseite immer wieder, dass man den „steuerzahlenden ungarischen Taxifahrern“ zur Seite stehen wolle. Wie das praktisch aussehen soll, ist jedoch noch unklar. Oberbürgermeister István Tarlós erklärte, dass „Budapest keine behördliche Handhabe zum Verbot von Uber“ habe. Allerdings prüfe das ungarische Entwicklungsministerium derzeit, wie man die Taxi-Verordnung auch auf den neuen Wettbewerber ausweiten und mittels strengerer Sanktionen zu Geltung verhelfen könne. Auch die Steuerbehörde NAV verkündete am vergangenen Freitag ab jetzt mit „Null Toleranz“ gegenüber dem Fahrdienst Uber vorzugehen. Ein Informationsblatt mit dem Titel „Ich bin Uber- Fahrer, wie zahle ich Steuern“ wurde veröffentlicht. Auch werde man zusätzliches Personal zur Kontrolle der Uber-Fahrer bereitstellen und, wenn nötig, hohe Bußgelder verhängen.
Wenig Verständnis in der Bevölkerung
In der Budapester Bevölkerung stieß die Protestaktion der Taxifahrer auf wenig Solidarität. Zwar war zu erwarten, dass sich angesichts der Verkehrsbeeinträchtigung, denen viele Budapester fast die gesamte Werkwoche lang ausgesetzt waren, Genervtheit einstellen würde, doch schlägt den Protestierenden von ziviler Seite sogar regelrechte Ablehnung entgegen. Glaubt man Kommentaren in sozialen Netzwerken, dann handelt es sich bei Taxifahrern um die „schwarzen Schafe“ des ungarischen Dienstleistungssektors. Auf Facebook werden Schauergeschichten über unfreundliche oder gar aggressive Fahrer, überteuerte Fahrten und sogar Überfallszenarien erzählt. Eine Frau kommentiert: „Taxifahrer stehen symbolisch für das, was in unserem Land nicht stimmt: Korruption und Intransparenz.“
Das Ansehen des Konkurrenten Uber hingegen stieg durch die Ereignisse der vergangenen Woche. Der Medienrummel lies den Fahrdienstanbieter in seiner Bekanntheit weiter steigen, obwohl sich das Unternehmen mit Statements in der Presse bewusst zurückhielt. Während der Demonstration verteilte Uber unter seinen Budapester Nutzern Gutscheine für kostenlose Fahrten, um sich als Alternative zum durch Taxifahrer verursachten Verkehrschaos anzubieten.
Zsolt, selbstständiger Taxifahrer
„Ich will, dass wir gleiche Bedingungen für alle schaffen. Uber-Fahrer sollen denselben Regulierungen unterliegen wie ich mit meinem Taxi. Deshalb habe ich auch an den Protesten teilgenommen. Viele meiner Kollegen wollten ebenfalls kommen, durften aber nicht. Die großen Taxi-Unternehmen haben ihren Mitarbeiten verboten, an der Demo teilzunehmen. Am meisten ärgert mich als selbstständiger Taxifahrer, dass ich durch den Fixpreis der Regierung von 280 Forint pro Fahrkilometer nicht einmal die Chance habe, mit Uber zu konkurrieren. Seit der Einführung von Uber habe ich deshalb deutlich weniger Fahrgäste. Für mich heißt das, dass ich tagtäglich statt zehn mindestens zwölf Stunden in meinem Taxi verbringe, um mein Auskommen zu sichern.“
Ubers schöne neue Welt
Gerade junge Menschen sympathisieren häufig mit dem Fahrdienst, dessen Dumpingpreise ihnen einen Luxus ermöglicht, den sie sich sonst vielleicht nicht leisten könnten: Den individualisierten Personenverkehr. Dass dies auf Kosten von Arbeitsplätzen und dem Auskommen von rund 5.000 Taxifahrern (Zahlen laut BKK) gehen könnte, interessiert die Wenigsten. Uber, ähnlich wie auch andere Shared-Economy-Phänomene, wie etwa Airbnb, steht in ihren Augen für Digitalisierung, Flexibilität und Mobilität – alles, was als jung und hip gilt.
Dabei dürfte Uber bei genauerem Hinsehen so gar nicht in das Weltbild der Generation von Fair Trade und Micro-Brauereien passen: Bei Uber, das seinen Sitz im US-amerikanischen San Francisco hat, handelt es sich mittlerweile um einen 60 Milliarden US-Dollar schweren Multi. Bereits in 68 Ländern der Welt ist die App vertreten, darunter in über 50 großen europäischen Städten. Das geniale Geschäftskonzept erlaubt es dem Unternehmen, mit minimalem Aufwand und geringer Verantwortung Geld zu scheffeln: Denn Uber führt selbst keine Personenbeförderung durch, sondern – und das macht es so revolutionär wie unangreifbar – ist lediglich Vermittler der Beförderungsleistung.
Dadurch fördert Uber entgegen mancher Versprechungen auf der Unternehmenswebseite prekäre Arbeitsverhältnisse. Ein Journalist des Online-Portals 444.hu rechnet vor: Von den 130 Forint, die Fahrgäste pro Kilometer entrichten, erhält Uber 20 Prozent. Nach Abzug von Benzin- und weiteren Kosten zum Beispiel für Leerfahrten bleiben durchschnittlich noch 32 Forint pro Kilometer für den Fahrer. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h in der Innenstadt ergibt sich so ein geschätzter Stundenlohn von 640 Forint. Realistisch könne man laut 444.hu mit Uber also gerade einmal 102.000 Forint im Monat verdienen. Auch wenn Geiz bekanntlich geil ist, sollte sich jeder Nutzer die Frage stellen, ob es das ist, was er unterstützen möchte.
Offener Brief an die demonstrierenden Taxifahrer von einem sogenannten Fahrgast
Hallo Leute!
Es macht euch doch sicher nichts aus, wenn wir uns duzen. Ihr habt euch schließlich auch nie zurückgehalten. Ich schreibe euch, weil ihr offenbar nicht wirklich versteht, was mit euch passiert. Ich helfe euch ein wenig auf die Sprünge! Folgendes hat sich bei eurer Demo herausgestellt:
1. Kein Schwein interessiert sich für euer Problem. Im Gegenteil.
2. Nicht mal ihr selbst interessiert euch dafür. Im Gegenteil.
3. Kein Schwein hofft, dass ihr euer Ziel erreicht. Im Gegenteil.
Ich will nicht boshaft sein, aber das ist kein Zufall und es hat auch nicht nur einen Grund. Früher konnte man alles mit einem Handschlag und einem Zwinkern erledigen. Es gab Ärzte, die Bettwäsche aus dem Lager mitgehen ließen oder Kellner, die Mineralwasserflaschen mit Leitungswasser wieder auffüllten. Aber seitdem gibt es etliche Berufe, in denen Menschen Jahrzehnte oder gar Millionen dafür opferten, dass die Ehrlichen von den Betrügern unterschieden werden. Fach- und Zivilorganisationen entstanden und arbeiteten hart daran, dass Qualität wieder einen Wert hat und einige Berufe wieder Respekt erlangen.
Wo wart ihr eigentlich während dieser Zeit? Statt diesen Wandel mitzumachen, habt ihr uns 26 Jahre lang daran gewöhnt, dass der Taxifahrer immer noch ein Rüpel sein kann, manchmal absurderweise raucht und aus irgendeinem Grund unterwegs erzählt, wie er mit seinen Kumpels die Terrasse ausgebaut hat, wie er Steuern hinterzieht, wo er Benzin klaut, oder welches Billigersatzteil er für den Schrotthaufen ergatterte, in dem du gerade sitzt. Leider sind wir es gewohnt, dass ihr uns manchmal nachts einfach nicht mitnehmt, weil ihr „gerade nicht in die Richtung“ fahrt, dass man auf der Straße keinen Wagen heranwinken darf, dass wir unsere Freundin nachts lieber nicht allein zu euch ins Auto setzen sollten und die ausländischen Verwandten nur dann, wenn sie gut Ungarisch sprechen.
Ja, es gab und gibt auch anständige Taxifahrer. Aber es sind vielleicht nur 5 Prozent. Sie hatten und haben es wirklich schwer. Jene mit Verstand sind jedoch schon längst auf Uber umgestiegen. Aber wo waren die anständigen Fahrer, als ihre Gaunerkollegen 25 Jahre lang die Touristen übers Ohr hauten? Oder als sie das Geschäft in den Dreck zogen, indem sie Flüchtlinge mit Kindern um deftige Geldbeträge erleichterten? Haben euch rechtswidrige Verhaltensweisen damals etwa weniger gestört?
Dafür stört euch 2016, dass ihr zu wenige Gäste habt, weil sie euch für aufdringlich, betrügerisch und unheimlich halten. Denn spätestens durch Uber ist aufgeflogen, mit welch dreisten, lächerlichen Preisen ihr arbeitet. Und jetzt stellt ihr euch auf die Straße, droht und fordert, dass ich zu ebendiesen Preisen doch gefälligst mit euch zu fahren habe? Glaubt ihr, dass mich das überzeugt?
Aber eigentlich ist euch völlig egal, ob ihr die Kunden zurückgewinnt oder ob ihr die gleichen Bedingungen habt, wie andere. Ihr seid nur scharf darauf, mit EUREN Mitteln zu erreichen, dass allen anderen die Erlaubnis entzogen und mir eure beschissene, veraltete und überteuerte Dienstleistung aufgezwungen wird. Dabei habt ihr diesen ungleichen Wettbewerb 2013 SELBST durchgesetzt. IHR habt auf behördlich festgelegte Preise bestanden, um die Schwächeren vom Markt zu drängen, die mich schon damals für 190 mitnahmen.
Ihr wollt das Vertrauen der Fahrgäste zurückgewinnen, indem ihr ihren Verkehr drei Tage lang behindert. Ihr fordert Respekt vor dem Gesetz, aber nicht einmal eure eigene Demo hält sich daran. Ihr wollt als angenehmer Dienstleister auftreten, indem ihr euren Kritikern im Netz antwortet: „Reiß erstmal dein Maul so weit auf, wenn du dich mit deiner kranken Mutter zu mir ins Auto setzt.“
Wie ihr Steuern zahlt (wenn überhaupt), will ich erst gar nicht ansprechen. Und dann brüllt ihr auf der Straße, dass Vignette, Zulassung und sonstiger Scheiß 200-300.000 Forint Startkapitel kosten. Andere zahlen Millionen für amtliche Zulassungen, Weiterbildungen oder um den Vorschriften des Hygieneamtes ÁNTSZ und des Finanzamtes NAV zu entsprechen.
Ein größeres Eigentor schoss selten jemand, denn ihr hättet die Leute erst gar nicht in Ubers Arme treiben können. Und dass ihr euch dafür gerade die kältesten Tage des Jahres ausgesucht habt, ist nur noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Aber auch dafür habt ihr eure Lösung, ihr stellt eure Wagen auf der Straße ab und geht dann Kaffee trinken. Diese Demo ist euch nicht mal selbst wichtig genug, um vor Ort zu sein. Aber Hauptsache Uber wird verboten.
Jeder bekommt, was er verdient. Und was ihr in den letzten Jahrzehnten abgezogen habt, das gibt es gar nicht, und wird es auch hoffentlich nie wieder geben.
Dieser Beitrag erschien am 20. Januar 2016 in einem Blog namens „Frontember megmondja“
Redaktionelle Anmerkung
Die in dem Blog-Beitrag geschilderten Erfahrungen sind sicher nicht aus der Luft gegriffen, dürften sich aber eher auf Taxifahrer beziehen, die auf eigene Rechnung fahren beziehungsweise keiner der großen Taxigesellschaften angehören. Ich selber fahre seit Jahren häufig mit Taxis der Firmen Budapest Taxi, City Taxi und Fő Taxi und könnte auf Grund der dabei gemachten Erfahrungen, dem sehr negativen Erfahrungsschatz des Blog-Schreibers keine einzige negative Episode hinzufügen. Im Gegenteil!
Jan Mainka, Chefredakteur
ich kann auch nicht wirklich etwas Negatives über die Budapester Taxis von Taxi 4, Fö Taxi, etc. sagen. Lediglich dass einige so einen stinkenden Wunderbaum am Spiegel hängen haben finde ich entsetzlich Ich vergleiche oft aus Interesse die Preise zwischen Fö Taxi (die auch eine tolle App haben) und Uber. Eine nennenswerte Preisdifferenz konnte ich bei Fahrten unter zwei drei Kilometern nie erkennen.