Ungarns politische Elite geht keineswegs mit Samthandschuhen mit ihren Kontrahenten um. Doch was sich das Habony-Portal 888.hu erlaubt hat, geht selbst ranghohen Fidesz-Politikern zu weit.
„Warnung! Der Inhalt der folgenden Seite ist laut geltendem Recht nicht für Minderjährige geeignet.“ So beginnt der Artikel mit dem Titel „So haben Sie József Tóbiás´ Frau noch nie gesehen…“. Der Autor ist H888R, und ebenso professionell wie sein Pseudonym ist auch der Artikel des Schreiberlings. Während es zuerst um die Vergangenheit der Ehefrau des heutigen MSZP-Vorsitzenden Tóbiás geht, die sich in den 90er-Jahren unter anderem als Erotikmodell verdingte, versucht H888R mit aller Gewalt, eine politisch brisante Linie in den Artikel zu bringen. So zitiert er aus dem Boulevard-Buch „Die berühmteste ungarische Madame“ von Györgyi Keleti, nachdem ein verheirateter Oppositionspolitiker regelmäßig unter dem Einfluss von Drogen Sex mit Prostituierten in ihrem Etablissement hatte. Doch wo kommt nun Tóbiás ins Bild? Für H888R klar dort, wo es im Buch heißt: „Es ist allseits bekannt, dass die Frau des Politikers wunderschön ist.“ Und wer glaubt, dass dies der Tiefpunkt der Schrift wäre, der irrt. H888R nimmt auch noch die Tochter Nina ins Visier. Man danke Gott dafür, dass die (minderjährige) Nina die optischen Vorzüge ihrer Mutter und nicht die Glatze ihres Vaters geerbt hat. Man hoffe weiterhin inständig, dass sie weder in die politischen Fußstapfen ihres Vaters noch ins “Pornogeschäft nach Vorbild ihrer Mutter” treten werde. Am Ende des Artikels findet sich eine Abstimmung, die selbst die tiefsten Sinkflüge der Bild-Zeitung in den Schatten stellt: „Würden Sie zu den Bildern der Ehefrau von József Tóbiás masturbieren?“ Über die Geschmacklosigkeit eines solchen Artikels besteht wohl kaum ein Zweifel. Überraschend jedoch ist, mit welcher Vehemenz auch die Fidesz-Granden das Habony‘sche Machwerk verurteilen.
Verurteilung von allen Seiten
In ungewohnter Einigkeit kommt Kritik von allen Seiten. Allen voran verurteilt das ausgesprochen regierungsnahe Blatt Magyar Idők den Artikel. Neben Sticheleien gegen linksliberale Medien teilt das neue Fidesz- Hausblatt deutlich gegen H888R und dessen Chefredakteur Gábor G. Fodor aus. Das Portal 888. hu bezeichnete sich von Anfang an als konservativ. In Folge des Wirbels um den Artikel zu Tóbiás ´ Frau sah Chefredakteur Fodor sich genötigt, noch einmal seine Grundwerte des konservativen Journalismus klarzustellen: „Jeder bekommt, was er verdient. Größe wird geschätzt, Niedertracht wird verschmäht. Die Schlampe wird auch so genannt. Das Talent wird ermutigt. (…)” Die Magyar Idők hat dazu eine dezidierte Meinung: „Irgendjemandes Ehefrau als Schlampe zu bezeichnen, ist (…) keine konservative Tugend, sondern einfach nur primitiv. Wenn die 888 wirklich jedem das zuteilwerden lässt, was er verdient, dann ist die 888 der Familie Tóbiás jetzt eine Entschuldigung schuldig.” Auch zwei ranghohe Fidesz-Politiker beziehen klar Stellung. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gergely Gulyás teilte auf Facebook mit, was er von der Causa H888R hält: „ Im Namen der bürgerlichen Werte, die in unseren Augen keine Waren sind, können wir feststellen, dass ein Mensch mit gutem Geschmack mit dem Portal 888.hu nichts gemein haben kann. Meine volle Solidarität gilt der Familie des Vorsitzenden der MSZP.” Und auch der EU-Abgeordnete und für seinen bekanntermaßen direkten Ton berüchtigte Tamás Deutsch geht den Artikel hart an. Ebenfalls auf Facebook teilt er mit, was er von der ganzen Sache hält: „Die Ehefrau des Politikers Tóbiás ist wunderschön. Die 888.hu-ler können mit ihren Mikroschw* nzen schlicht nicht auf die Bilder von Tímea Rába w*chsen. Punkt”
Gábor G. Fodor, neben seiner Position als Chefredakteur des in der Kritik stehenden Portals auch politischer Stratege des regierungsnahen Thinktanks Századvég, hat nichts auszusetzen an dem Artikel. Wie er sagt, ist es Aufgabe der Politiker zu politisieren, die Aufgabe der Nachrichtenmacher, Nachrichten zu verbreiten. Ganz anders der angegangene linke Politiker. In einer Presseaussendung teilte József Tóbiás mit, bereits rechtliche Schritte gegen die über seine Familie veröffentlichte Schrift eingeleitet zu haben.