Seine Chefs – das sind das Volk, der liebe Gott und in bestimmten Fragen auch seine Frau. Ein Gespräch mit Bürgermeister István Tarlós über eigennützige Senkungen von Nebenkosten und den berechtigten Ärger über die finanzielle Vernachlässigung der Verkehrsanbindungen an die Hauptstadt seitens der Regierung.
Was ist das Problem in der Budapester Politik?
Fragen Sie ernsthaft? Es ist sehr schade, dass man den Ministerpräsidenten davon überzeugte, dass es genug Geld für Dinge gibt, für die es eben nicht genug gibt. Der öffentliche Verkehr einer Metropole wie Budapest kostet viel. Die Budapester Verkehrszentrale (BKK) traf mit dem Staatlichen Entwicklungsministerium (NFM) eine Vereinbarung, an die sich das NFM nicht gehalten hat. Es zahlte 2015 keinen Forint für den Verkehr der Umgebung. Man müsste nur den Vertrag lesen, das Budgetierungsgesetz und die Vereinbarung „Budapest ’21“. Die BKK schickte dem NFM letzte Woche eine Zahlungsaufforderung, laut der sie aus dem Vertrag austreten, sollte das Ministerium nicht binnen 15 Tagen zahlen. Was den Verkehr der Hauptstadt angeht, kann ich auch dem Ministerpräsidenten gegenüber nicht nachgeben. Ich stimme mit seinem Standpunkt diesbezüglich nicht überein.
Kann es noch zur Einigung kommen?
Uns einigen und den öffentlichen Verkehr Budapests garantieren, können wir nur, wenn der Staat die Finanzierung der Ballungsräume übernimmt. Sonst wird es keine Vereinbarung geben. Da kann und will ich nicht nachgeben. Das hat der Ministerpräsident übrigens versprochen.
Wann würde die eventuelle Einigung denn stattfinden?
Weder ich noch jemand anderes kann entscheiden, wann und was der Ministerpräsident bespricht. Ich weiß, dass er im November 2014 versprochen hat, dass wir über die Angelegenheiten der Hauptstadt unmittelbar konsultieren werden. Ich merke nicht wirklich, dass er sich daran hält.
Dazu hat er kürzlich geäußert, man sei ihm in den Rücken gefallen.
Ja, die Aussage war nicht ohne. Ich glaube nicht, dass ich mich genieren müsste. Schämen sollte sich, wer so mit seinen Verbündeten umgeht. Aber versprochen hat er jedenfalls, dass die Linien der Ballungsräume vom Staat finanziert werden. Er erwähnte auch die HÉV-Linien – über die muss dann natürlich die Hauptversammlung der Hauptstadt entscheiden. Den NFM-BKK-Vertrag bezeichnete er übrigens selbst als nichtig.
Aber wenn sie den Vertrag mit dem Subunternehmer der BKK, dem Volánbusz, kündigen, werden das auch viele Budapester spüren. Und die Busse, die in die Ballungsräume rausfahren, haben einen wesentlichen Teil ihrer Strecke innerhalb der Stadt, wo sie auch von städtischen Einwohnern genutzt werden.
Wir werden Volánbusz warnen müssen. Sie können ihre Busse rausschicken, wir werden das jedoch nicht zahlen können.
Und wenn sie nicht rausfahren?
Dann liegt das nicht an mir, sondern an Volánbusz. Genauso wie sie, werden auch wir dann nicht bezahlt.
Von der 15-tägigen Frist sind schon einige Tage vergangen. Müssen also die über dreihunderttausend Menschen, die aus der Umgebung anreisen, Ende Januar damit rechnen, dass ihre Anfahrt ungewiss ist?
Wie gesagt, das ist eine staatliche Aufgabe. Wir werden Volán nicht verbieten, ihre Busse rauszuschicken. Wir haben angekündigt, dass die Hauptstadt wegen neuer Rechtsverordnungen ihre Rechnung nicht zahlen kann. Wenn Volán das Risiko eingeht, sollen sie die Rechnung an den Staat stellen. Wir können nichts in Auftrag geben, was wir nicht bezahlen können. Die Umgebung soll nicht der Hauptstadt übel nehmen, dass sie keine Geldressourcen dafür hat. Sie können sich über den Staat ärgern! Ich habe mich auch geärgert, als das Volkwirtschaftsministerium (NGM) vor Heiligabend eine Meldung herausgab, dass die Hauptstadt bis 2022 diese Aufgabe erfüllen muss. Sie vergaßen nur hinzuzufügen, dass der Staat vergessen hatte, sich an seine Vertragspflichten zu halten.
Ist in den verbleibenden 15 Tagen eine Absprache geplant?
Mich drängt die Zeit jetzt nicht. Die Strategie, so lange zu schweigen, bis letztlich die Hauptstadt schlecht davonkommt, geht diesmal nicht auf. Wenn die Zeit um ist, kündigen wir den Vertrag und fertig. Ich werde niemanden drängen.
Um wie viel Geld dreht es sich genau bei diesem Streit?
Genau kann ich das nicht sagen. Letztes Jahr waren es 19 Milliarden. Die Preise sinken nicht. Ich bestreite den politischen Nutzen der Nebenkostensenkung nicht; als Staatsbürger freue ich mich sogar darüber. Aber wir haben es zu gleichen Teilen dieser Senkung und den verschiedenen Lastschriftmanipulationen zu verdanken, dass es um die städtischen Kommunalwerke nicht allzu gut steht. Ich kann nichts damit anfangen, wenn Einzelne damit argumentieren, dass man doch die Dividenden der Firmen aufbrauchen sollte, weil es keine gibt. Und manche stellen wiederholt die Frage, warum wir die Strukturen nicht ändern. In meinen Augen ist das Blödsinn. So einen Mangel kann die Hauptstadt nicht einfach verschwinden lassen.
Viele meinen, Sie hätten im Streit mit den Ministern und der Staatsführung noch einen Trumpf über. Wenn der Litfaßsäulenkrieg nicht mehr so akut wäre, hätten Sie vielleicht eine bessere Verhandlungsposition.
In der Hinsicht hat sich mein Standpunkt nicht verändert, ich möchte keine Meinungen formen. Es gab noch keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Wenn das Verfahren zu Ende geht, gebe ich vielleicht meine Meinung dazu bekannt. Aber wenn Sie schon sagen, dass ich einen Trumpf nicht ausgespielt hätte, so spiele ich nicht. Wenn mir jemand beim Fußball von hinten in die Nieren tritt, schließe ich daraus nicht, dass ich ihm dasselbe antun sollte. Ich wurde anders sozialisiert.
Abgesehen von der politischen Situation rund um die Ballungsräume: Hielten Sie die langjährige Idee nicht für besser, statt Trennung ein größeres Tarifbündnis mit den umliegenden Siedlungen einzugehen?
Es war ein Fehler, die BKK zu einem Unternehmen mit so vielen Arbeitnehmern heranzumästen. Bis zum Ende des Jahres muss man sie (die 5.000-6.000 Kontrolleure nicht mit eingerechnet) zu einem hundertköpfigen Verkehrskoordinationsunternehmen schrumpfen. Es ist also ein großer Stellenabbau zu erwarten. Das deckt jedoch nicht einmal einen Bruchteil des Defizits. Meiner Meinung nach läuft der Streit um die Finanzierung der Nahverkehrsgesellschaft Budapest (BKV) seit 26 Jahren genauso um die Rolle von Budapest. Deswegen sind wir heute auch an einem toten Punkt angelangt, weil es, wie bisher, nicht als fachliche, sondern eher als politische Frage betrachtet wird. Daher gibt es keine Lösung. Man muss jedoch betonen, dass darüber völlig falsch kommuniziert wird. Man muss nicht erwähnen, dass es hier um Politik geht. Es herrscht eine verzerrte politische Kommunikation, die zwar mit gewissen Einflüssen durchsetzbar, aber deshalb noch lange nicht wahr ist. Als der 2010er-Zyklus begann, bat ich, die bisherigen Probleme zu lösen. Daraufhin sagte ein Politiker, der den Budapester Verkehr mit Sicherheit nicht kennt: „Tarlós, nun halten Sie mal nicht Ihre Hand auf”.
War es János Lázár?
Es war tatsächlich der Minister. Unser Verhältnis ist irgendwo hier gebrochen, weil ich das nicht von jemandem akzeptieren konnte, der keine Ahnung von der eigentlichen Situation hat. Sie sagen ernsthaft, dass die Hauptstadt dieses Problem mit dem Budget von etwa 700 Milliarden Forint lösen soll. Das Budget der Hauptstadt beträgt genau die Hälfte. Wenn sie ihren eigenen Verbündeten gegenüber so wenig loyal sind, dann bin ich eigentlich schon der Ehrenmann, wenn ich in anderen Belangen noch so loyal bleibe, aber in diesem nicht mehr. Wer seine politischen Verbündeten mit Füßen tritt, sollte sich schämen, mehr kann ich dazu nicht sagen. Kann jemand so behaupten, dass wir in Budapest oder gar bei der BKV in fünf Jahren nichts erreicht hätten?
Wenn man Sie trotz jeglichen Widerstands dazu zwingen würde, in den politischen Apfel zu beißen, was wäre die Konsequenz? Würde die BKV bankrott gehen?
Nein würde sie nicht. Das ist nur ein Tick der ehemaligen MSZP- (heute DK-) Vertreter. Die BKV würde den Budapester Verkehr versorgen. Lesen Sie das Budgetierungsgesetz. Darin steht, dass man die Bedürfnisse des lokalen Verkehrs befriedigen muss. Wenn wir das tun, bleibt für die Ballungsräume nichts übrig. Das müsste freiwillig übernommen werden, was wiederum laut Gesetz nicht auf Kosten der Pflichten geschehen darf. Und ein öffentliches Defizit darf nicht eingeplant werden. Wenn die Hauptstadt nach den neuesten Ereignissen weiterhin die Ballungsräume finanzieren würde, würde sie genau drei Gesetze verletzen.
Hatten Sie schon öfter Auseinandersetzungen mit der Regierung bezüglich der BKV-Gelder? Ist die Lage jetzt überspitzter als bisher?
Ich bin es nicht, der die Lage überspitzt. Das macht der, der darauf beharrt, dass wir etwas aus der leeren Kasse bezahlen sollen. So etwas kann keiner von mir verlangen. Budapester Bürgermeister ist eine legitime Position. Ich bin in einer anderen Situation als die Fidesz-Mitglieder. Mein Chef ist das Volk, das mich gewählt hat. Des Weiteren der liebe Gott und in gewissen Fragen meine Frau und das war es dann auch. Ich berücksichtige natürlich die Meinung und die Absichten des ersten Politikers, aber er kann mir nichts auftragen, dessen Gegenteil er zuvor von mir wollte. Für mich ist das ein politisches Bündnis, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Das hier in Auszügen wiedergegebene Interview erschien am 13. Januar auf dem Nachrichtenportal Index.