Am Ende des Rekordjahres 2015 traf sich die Budapester Zeitung mit dem Chief Commercial Officer der Budapest Airport Zrt., Kam Jandu, um mit ihm über die Hintergründe und Perspektiven der BUD-Erfolgsgeschichte zu sprechen.
Fast jede Woche gibt es von Ihrem Flughafen Nachrichten bezüglich neuer Fluglinien und einer Erhöhung der Flugfrequenz vorhandener Gesellschaften. Das hört sich langsam wie ein Selbstläufer an.
Dahinter steckt viel harte Arbeit. Unser Erfolgsrezept ist eine Kombination aus besseren Wirtschaftsbedingungen, wie günstigere Kraftstoffpreise, eine damit verbundene Bereitschaft der Fluglinien ihr Streckennetz auszubauen und unser „Klopfen an Türen“, potenzielle und existierende Partner also alle paar Monate daran zu erinnern, wie toll Budapest ist. Wenn Fluggesellschaften sagen, „Wir haben für 2017 ein disponibles Flugzeug“, dann sagen mein Team und ich „Ihr müsst nach Budapest fliegen und das sind die Gründe“. Von den Fluggesellschaften hören wir daraufhin: „Ja, wir haben schon von Budapest gehört. Wir haben gehört, dass es heutzutage immer wichtiger ist und, dass sich die ungarische Wirtschaft gut entwickelt“. Von Emirates hatten wir wiederum erfahren, dass diese in das Flusskreuzfahrtgeschäft einsteigen will, weil dieses wächst und sie mehr Asiaten und Australier über Dubai für diese Fahrten heranbringen wollen. Das Gleiche mit Kanada. Sie sagten: „Ok, wir wussten, dass es eine beträchtliche Nachfrage zwischen Kanada und Budapest gibt. Aber wir wussten nicht, wie groß dieses Flusskreuzfahrtgeschäft ist.“ Vor ungefähr drei Jahren waren es circa 80.000 Flusskreuzfahrtpassagiere im Jahr, jetzt sind es fast 200.000.
Es gibt also eine klare Verbindung zwischen den Flusskreuzfahrten und den gestiegenen Passagierzahlen am Flughafen?
Es wurde eine. Die Fluggesellschaften müssen sich zwischen Budapest, Wien und anderen Zielen entlang der Donau entscheide. Natürlich fließt die Donau auch durch Wien, aber die schönste Stadt an der Donau ist ohne Frage Budapest. Die Passagiere fliegen beispielsweise nach Amsterdam, machen ihre Kreuzfahrt nach Budapest und fliegen dann von hier aus zurück, oder umgekehrt. Budapest wird langsam zum größten Ein- bzw. Ausschiffungspunkt an der Donau. Das Profil der entsprechenden Klientel bezeichnen wir als „Premium-Dollar“. Es ist sehr attraktiv für Fluggesellschaften.
Welche Argumente gibt es noch für Budapest?
Budapest, oder Ungarn im Allgemeinen, ist das Tor nach Osteuropa. Das Land hat den Vorteil, ein EU-Vollmitglied, Mitglied der NATO und ein Teil der Schengen-Zone zu sein. Budapest hat zudem den attraktivsten östlichsten und südlichsten Flughafen der Region. Außerdem gibt es ein attraktives Umfeld für Investoren und Touristen. Derzeit versuchen wir unter anderem mit einer koreanischen Fluggesellschaft ins Geschäft zu kommen, weil viele koreanische Firmen in Ungarn ansässig sind. Wir investieren viel Zeit, um mit Airlines aus Seoul, Tokio oder Bangkok zu verhandeln.
Wie sehen Ihre Flughafengebühren im Vergleich zum Wettbewerb aus?
Unseren Tarifkatalog findet man auf unserer Webseite, weil das Preiskonzept transparent sein muss und nicht diskriminierend sein darf. Jede Airline, die sich für uns interessiert, kann ihn runterladen und eigene Kalkulationen durchführen. Zur Unterstützung haben wir ein Programm, das bei neuen Routen Rabatte gewährt. Im ersten Jahr erhalten Airlines 100 Prozent Ermäßigung auf Landegebühren, in den Jahren zwei und drei geht es auf einer reduzierten Basis weiter. Derartige Anreize machen uns für Fluggesellschaften interessant. Obendrein haben wir eine Reihe an Marketingprogrammen, um sowohl eine Route erfolgreich zu starten, aber auch zu betreiben. Wenn uns eine Fluggesellschaft pro Jahr ein gewisses Einkommen liefert, dann sind wir bereit, im ersten Jahr einen gewissen Prozentsatz davon zu investieren, um den Markt zu fördern. Das ist sehr attraktiv, nicht viele Flughäfen machen das. Viele verlassen sich darauf, dass die Fluggesellschaften ihre Kapazitäten schon alleine irgendwie füllen. Das funktioniert nicht immer. Dann fliegt die Airline eine Saison und verschwindet wieder. Genau das wollen wir mit unseren Anstrengungen verhindern.
Sie denken also langfristiger.
Die Flugindustrie unterscheidet sich nicht von anderen Unternehmen. Jedes Unternehmen hat eine Heimatbasis. Im Fall von Air China ist die Basis in Peking. Dort sitzt auch ihre Finanzkraft und ihre Marketing Power. Für kleinere Märkte wie Ungarn bleiben weniger Ressourcen. Deshalb sind sie auf uns angewiesen. Wir kennen den lokalen Markt besser, weshalb wir ihr neu eingerichtetes lokales Team unterstützen. Wir sind seit 65 Jahren hier, deshalb wissen wir, wer die wichtigsten Ansprechpartner sind und so weiter. Aber das wichtigste ist vermutlich, dass wir das Profil der Passagiere kennen, weil wir jedes Jahr mehrere tausend Umfragen durchführen. Diese Mehrwertdaten können wir den Fluggesellschaften zur Verfügung stellen.
All das ist unter Flughäfen nicht so verbreitet?
Nein, wir scheinen mehr in die Marktforschung zu investieren als andere Flughäfen und das wird sehr geschätzt. Wir sind viel engagierter und anerkannt. Das ist ein konstanter Teil des Feedbacks, das wir von den Airlines erhalten.
Wie kommen Sie mit potenziellen Partnern in Kontakt?
Innerhalb der Luftfahrtgemeinschaft gibt es eine Konferenz, wo alle Entscheidungsträger, die Routen für zwei oder drei Jahre im Voraus planen und in einer Art Speed-Dating zusammensitzen. Jeder Flughafen hat dort ein Zeitfenster von fünf bis zehn Minuten, um die Fluggesellschaften zu überzeugen ihren Flughafen anzufliegen. Diese Konferenzen sind wichtige Foren zum direkten Kennenlernen. Außerhalb investieren wir viel Zeit für persönliche Besuche bei potenziellen Partnern. Sehr wichtig ist beim Gewinnen neuer Partner auch die Einstellung unserer Mitarbeiter. Die Konferenz, die ich eben erwähnt habe, veranstaltet jedes Jahr Preisverleihungen und zeichnet das beste Marketingteam aus. Wir kamen aus dem Nichts und haben bereits zwei Mal, unter 150 europäischen Flughäfen, in unserer Kategorie gewonnen. Inzwischen versuchen andere Flughäfen einige unserer Methoden zu kopieren.
Inwieweit spielt die nicht immer so positive Berichterstattung über Ungarn bei Ihren Kundenbegegnungen eine Rolle?
Eine gewisse. Natürlich hat, etwa während der Ungarn berührenden Migrationsereignisse vom letzten Jahr keine Airline gesagt, dass sie nicht (mehr) nach Budapest fliegt. Aber Fragen wurden schon gestellt. Es ist unsere Aufgabe, eine verlässliche Realität zu bieten, und das haben wir durch einfache Beratung auch umgesetzt. Erstens: Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen. Zweitens: Es ist eine schwere Situation für ein Land an der europäischen Grenze und betrachten Sie auch die anderen Länder Europas. Als Ausländer, und ich lebe mittlerweile seit über sechs Jahren hier, muss ich sagen, dass Ungarn ein starker und attraktiver Markt ist. Die dynamisch wachsenden Touristenzahlen sprechen für sich. Ich denke, es gibt genug positive Gegebenheiten, um auch über andere Themen zu sprechen.
Was war Ihr größter Erfolg der letzten Jahre?
Das ist schwer zu sagen, aber ich würde sagen, dass Emirates schließlich, nach fünfjährigen Verhandlungen, Flüge von und nach Budapest aufgenommen hat.
Wie konnten Sie Emirates überzeugen?
Ihr Problem war, dass sie nicht genug Flugzeuge hatten. Budapest war für sie schon seit längerem unter den Top Fünf. Den Anstoß gab schließlich, dass Emirates in Wien an die dortigen Kapazitätsgrenzen stieß und ihre Frequenz nicht weiter erhöhen konnte beziehungsweise sich mit schwierigen Beratungen konfrontiert sah. Das war gut für uns. Wir sagten: „Warum verliert ihr so viel Zeit dort, Austrian Airlines fliegt selbst nach Dubai. Dort habt ihr einen Konkurrenten. Wir wissen, dass viele Ungarn nach Wien fahren, um euren oder den Service von Austrian Airlines zu nutzen.“ So konnten wir schließlich Emirates überzeugen, Kapazitäten nach Budapest zu bringen. Im vergangenen Oktober feierte Emirates ihr erstes Jubiläum in Budapest. Die Fluggesellschaft muss sehr zufrieden sein, denn sie hat ihre Passagierplätze um 25 Prozent aufgestockt, indem sie von einem Airbus A330 auf eine Boeing 777 umsteigt. Ein anderer Einflussfaktor war der Flusskreuzfahrtverkehr. Emirates hat große Kapazitäten zwischen Australien und Dubai und wir wissen, dass einige Flusskreuzfahrtunternehmen, wie Viking, in Australien sehr stark sind. Viele, die jetzt über Dubai nach Budapest kommen, sind australische Flusskreuzfahrer und es werden immer mehr.
Kreuzfahrten und Australier halfen also, Emirates Entscheidung positiv zu beeinflussen?
Es war ein kleiner Faktor bei der prinzipiellen Entscheidung für Budapest, aber ein großer, um die Kapazitäten zu steigern. Aber davon abgesehen haben wir andere tolle Neuigkeiten, die teilweise mit dem Wachstum der Flusskreuzfahrten in Zusammenhang stehen: Nach mehrjährigen Verhandlungen hat Flüge. Von einer Fluggesellschaft wie BA, die selten einen äußerst wertvollen Heathrow Slot nutzt, um eine Route innerhalb Europas anzufliegen, anstatt ein Langstreckenziel zu betreiben, ist das eine große Anerkennung für uns.
Was sind die nächsten Ziele?
Wir verbringen momentan viel Zeit mit zwei koreanischen Airlines: Korean Air und Asiana. Außerdem bemühen wir uns intensiv um Tokio. Weiterhin arbeiten wir daran, dass Budapest wieder eine Direktverbindung in die USA erhält. Als die in Konkurs gegangene ungarische Fluggesellschaft Málev noch existierte, beflogen American Airlines und Delta Airlines die Route New York-Budapest. Auf das Malév-Aus erfolgte rasch das Aus dieser Destination. Aber jetzt, wo die Wirtschaft wächst und die Kraftstoffpreise so günstig sind, besteht eine reale Chance für eine Wiederaufnahme dieser Verbindung. .
Gibt es ausreichend Potenzial für diese Route?
Ja. Die Marktanalysen von 2014 zeigen, dass der Markt zwischen Budapest und New York größer ist als beispielweise zwischen Budapest und München. Wenn man sich den Verkehrsfluss zwischen München und New York vorstellt, herrscht dort viel Transferverkehr. Es ist kein Punktzu- Punkt-Verkehr, während Passagiere die Strecke Budapest-New York nur direkt nutzen würden und damit den direkten Markt noch vergrößern. In Bezug auf die Passagiernachfrage hat Budapest genug Potenzial. Die Herausforderung, mit der wir uns konfrontiert sehen, ist die Reichweite: Es dauert ein wenig länger nach Budapest zu fliegen, als nach München oder Kopenhagen. Das erhöht den Druck auf den Flugzeugtyp. Das optimale Flugzeug für die Strecke und die gegenwärtige Nachfrage ist eine Boeing 777 oder 787. Erst damit wird das Vorhaben wirtschaftlich. Deshalb warten die Fluglinien jetzt, bis ihre Flotten aufgerüstet sind.
Also wird New York früher oder später wieder auf der Anzeigentafel Ihres Flughafens stehen?
Ja. Keiner unserer Verhandlungspartner hat sich demgegenüber verschlossen. Es hängt jetzt nur davon ab, wann sie optimale Flugzeuge bekommen. Das wäre ein großer Meilenstein für das Image unseres Flughafens. Keinen direkten Anschluss an die USA zu haben, wird in unserer Branche als ein gewisser Makel wahrgenommen. Aber auch hier könnten uns die Flusskreuzfahrten helfen: immerhin gibt es hier ein stetes Wachstum und die US-Amerikaner sind dabei die größte Passagiergruppe. Die meisten von ihnen kommen über London, Frankfurt, München, Amsterdam oder Paris zu uns. Sie nutzen also andere Fluglinien für ihre Anschlussflüge innerhalb Europas. Und obwohl es noch keine direkte Verbindung gibt, wächst der Markt der Flusskreuzfahrten von und nach Budapest stetig.
Welche Fluggesellschaft könnte die Flugverbindung Ungarns mit den USA wiederherstellen?
Höchstwahrscheinlich eine der drei Großen: American, United oder Delta. Wir verhandeln mit allen dreien. Noch stehen sie aber alle vor derselben Herausforderung: Sie haben im Moment kein geeignetes Flugzeug. Eine andere Chance wäre es, mit einer Gesellschaft des Nahen Ostens Richtung New York zu fliegen. Das ist nicht vollkommen ausgeschlossen. Die US-Regulierungsbehörden setzen aber gewisse Grenzen für außereuropäische Fluggesellschaften. Einige östliche Fluggesellschaften würden gerne in die USA fliegen, können das aber nicht so einfach. Zwar fliegt Emirates beispielsweise von Mailand nach New York, das ist aber eigentlich illegal. Zurzeit klärt das ein entsprechender Prozess. Bis es zu einem Urteilsspruch gekommen ist, wird sich Emirats mit weiteren Verbindungen von Europa in die USA sicher zurückhalten.
Gibt es für ihren Flughafen sonst noch weiße Flecke?
Etwa Südfrankreich. Die Marktsituation in Frankreich ist aber schwierig, weil viele Richtlinien zu beachten sind. Air France, die größte französische Fluggesellschaft, investiert sehr viel in die südlichen Teile Frankreichs und die Luftverkehrspolitik ist nicht sehr empfänglich für die Förderung von Billigflügen, um Netzwerklücken zu füllen. So sind aber einige wichtige Städte wie Marseille oder Toulouse, wo durchaus die Nachfrage nach mehreren Flügen pro Woche besteht, nicht direkt mit Budapest verbunden. Desweitere werden von uns einige Teile Spaniens und Nordirlands nicht bedient. .Wie sieht es in Osteuropa aus? Osteuropa ist sehr gut abgedeckt, ausgenommen von der Balkanregion. Aber man muss die richtige ökonomische Balance für die Bedienung dieser Nachfrage haben: Besonders Billigfluglinien haben für so kurze Strecken in der Regel viel zu große Kapazitäten in ihren Jets mit mindestens 180 Sitzen. Malév arbeitete in dieser Region recht erfolgreich, aber sie hatte auch Flugzeuge mit 60 Plätzen und weniger.
Wie sieht es in Osteuropa aus?
Osteuropa ist sehr gut abgedeckt, ausgenommen von der Balkanregion. Aber man muss die richtige ökonomische Balance für die Bedienung dieser Nachfrage haben: Besonders Billigfluglinien haben für so kurze Strecken in der Regel viel zu große Kapazitäten in ihren Jets mit mindestens 180 Sitzen. Malév arbeitete in dieser Region recht erfolgreich, aber sie hatte auch Flugzeuge mit 60 Plätzen und weniger.
Gibt es noch die Notwendigkeit für die Schaffung einer „neuen Malév“, oder kann Wizz Air diese Lücke inzwischen allein füllen?
Ich denke, der Zug ist abgefahren. Vielleicht hätte es in der ersten Woche nach dem Kollaps noch eine Chance gegeben. Die „Geierfluglinien“ haben den Markt aber flugs unter sich aufgeteilt. 80 bis 90 Prozent des ehemaligen Malév-Marktes sind inzwischen vergeben und werden von anderen Fluggesellschaften erfolgreich und effizient bedient. Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass irgendeine Fluggesellschaft jetzt und hier lebensfähig wäre, als national carrier zu agieren. Als Malév noch existierte, gab es im Sommerflugplan 2011 insgesamt 33 Fluggesellschaften, die 88 Ziele bedienten. Jetzt sind es 43, die 94 Ziele bedienen. Zu Spitzenzeiten war die Malév übrigens für 40 Prozent unseres Umsatzes verantwortlich. Mit Wizz Air machen wir momentan etwa 29 Prozent. Mit dieser deutlich geringeren Abhängigkeit sind wir ganz zufrieden.