Der russisch-ungarische Avantgardist El Kazovszkij gehörte seit den 70er-Jahren zu den Schlüsselfiguren der ungarischen Kunstszene. Nach seinem frühen Tod vor acht Jahren hinterließ der vielseitig begabte Künstler ein umfangreiches Erbe. Mit der wohl kuratierten Ausstellung „Der Schatten der Hinterbliebenen“ wird das Leben und Werk Kazovszkijs der Öffentlichkeit erneut vorgestellt. Noch bis zum 14. Februar ist die eindrucksvolle Exposition in der Ungarischen Nationalgalerie zu bewundern.
Die verschiedenen Bereiche der Ausstellung sind visuell streng voneinander abgegrenzt. Jeder zeigt dem Besucher einen anderen Aspekt im Schaffen El Kazovszkijs, der sich als Maler und Performancekünstler ebenso betätigte wie als Bühnendesigner und Poet. Die Kuratoren Krisztina Jerger, András Rényi und László Százados wollten bei der Konzeption der Ausstellung jedoch bewusst keine Gewichtung. Auch die Darstellung einer Entwicklungsrichtung im Werk Kazovszkijs – der sich ein Leben lang gegen die Einteilung seines Schaffens in Phasen wehrte – wollten sie vermeiden. Besucher sollen innerhalb des labyrinthartig angelegten Ausstellungsraumes selbstständig erforschen und Zusammenhänge für sich erkennen.
Kazovszkij war ein zutiefst theatralischer Künstler. Fetisch und Fetischobjekte waren ein zentrales Motiv seines Schaffens. Ebenso wie die Frage nach der sexuellen Identität, die – zwar taktvoll, doch immer klar – in den Werken des Künstlers präsent ist. Geboren wurde El Kazovszkij 1948 im russischen Leningrad als Jelena Kasowskaja. Sie bekannte sich ihr Leben lang dazu, Transgender zu sein, lehnte aber zugleich die „Tyrannei der Geschlechterstereotypen“ ab. Nach einer Geschlechtsanpassung tauschte er schließlich den Namen Jelena Kasowskaja gegen El Kazovszkij. Eine der kleinen Sensationen der Ausstellung sind die monumentalen Kostümkreationen des Künstlers. Diese hatte Kazovszkij eigens für die von ihm über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren zelebrierten Festspiele „Dzhan panopticons“ angefertigt. Eine andere Station der Ausstellung widmet sich den avantgardistischen Einflüssen des Künstlers und seinen Ursprüngen in der ungarischen Untergrundszene. Eine weitere Station mit dem Titel „White Cube“ wiederum beschäftigt sich ausschließlich mit dem malerischen Schaffen Kazovszkijs. Durch die leidenschaftlichen Gegenüberstellungen von Farben, Formen, Genre und Räumen gelingt es der Ausstellung, den Betrachter mit einer beinahe magnetischen Kraft in den Bann zu ziehen.
Besonders freuen dürfte es das Kuratoren-Team, dass „Der Schatten der Hinterbliebenen“ vom ungarischen Kulturmagazin Kulter in der vergangenen Woche auf Platz 2 der besten Ausstellungen des Jahres 2015 gewählt wurde.
Kazovszkij siedelte 1965 von Russland in die ungarische Hauptstadt um, wo er zwischen 1970 und 1977 an der Hochschule für Bildende Kunst Malerei studierte. Zu seinen Meistern zählten sowohl György Kádár als auch Ignác Kokas. Kazovskij gilt in Ungarn als einer der originellsten und potentesten Künstler des späten Zwanzigsten Jahrhunderts sowie der Jahrhundertwende. 2002 wurde er mit dem Kossuth-Preis, dem höchsten ungarischen Staatspreis, ausgezeichnet. Nach langem Leiden verstarb Kazovszkij 2008 im Alter von nur 58 Jahren in Budapest.
Katrin Holtz
Der Schatten der Hinterbliebenen – Das Leben und Schaffen El Kazovszkijs
noch bis zum 14. Februar in der Ungarischen Nationalgalerie (in der Budaer Burg)
Budapest, I. Bezirk Szent György tér 2, Gebäude A
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Weitere Informationen unter www.mng.hu