„Wenn Ungarn besetzt wurde, gleich ob vom Westen oder vom Osten, war unermessliches Leid die Folge“, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán am Dienstagnachmittag auf der Gedenkfeier am Gedenktag für die Vertreibung der Ungarndeutschen in der Pfarrkirche von Budaörs.
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts sei der Beweis, dass Ungarn mit dem Verlust seiner Unabhängigkeit seine eigenen Bürger verstieß, ausraubte, vertrieb und in eine ausweglose Lage brachte. Heute laute die Frage jedoch nicht mehr, ob sich die europäischen Nationen gegeneinander wenden, sondern ob es überhaupt ein Europa geben wird.
Bereits am Vormittag veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung anlässlich des Gedenktages und des runden Jubiläums – genau vor 70 Jahren begann die Aussiedlung der Ungarndeutschen – im Rathaus Budaörs ein Symposium unter dem Titel „Integration oder weitere Diskriminierung?“. Dabei stand nicht die Vertreibung selbst im Mittelpunkt der gut besuchten Veranstaltung, sondern die „Integration, Ablehnung und Diskriminierung in der eigenen Heimat“ in den Jahren nach der Vertreibung, betonte Frank Spengler, Leiter des KAS-Auslandsbüros in Ungarn. Auch Tamás Wittinghoff, Bürgermeister von Budaörs, und Otto Heinek, Vorsitzender der Landesverwaltung der Ungarndeutschen, richteten Grußworte an das Publikum.
In Fachvorträgen wurden nicht nur die Hintergründe der Vertreibungen Deutscher in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien geschildert, sondern auch Herausforderungen und Erfolge bezüglich der in ihren Heimatländern verbliebenen Deutschen diskutiert. Dazu waren unter anderem Dr. Ágnes Tóth, Lehrstuhl für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mittelmeerraum an der Universität Pécs, und Hannelore Baier, rumäniendeutsche Journalistin und Historikerin, zu Gast. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas und der Betroffenheit vieler anwesender Gäste, war die Atmosphäre der Veranstaltung eher gelöst. Auch über eine rege Beteiligung der Teilnehmer konnten sich die Veranstalter freuen: In einer Diskussionsrunde richtete das Publikum eifrig Fragen an die vortragenden Experten. Tóth machte deutlich, dass durch Gesetze in den 1950er Jahren zwar offiziell die Integration deutscher Minderheiten festgelegt wurde, diese praktisch jedoch nur selten stattgefunden hat.
Heute ist das anders: Als gutes europäisches Beispiel der Vergangenheitsbewältigung bezeichnete der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, den von der Orbán-Regierung im Dezember 2012 eingeführten Gedenktag. Er lobte die beispielhafte Minderheitenpolitik Ungarns und sprach von engen, freundschaftlichen Beziehungen beider Länder, was für die Deutschen in Ungarn von außerordentlicher Bedeutung sei. Der Abschlussredner der KAS-Konferenz hob hervor, dass die Minderheiten im ungarischen Grundgesetz als „staatstragende“ Faktoren angesehen werden. Auch in einem anschließenden Kurzinterview gegenüber der Budapester Zeitung bekräftigte er seine rundum positive Einschätzung der ungarischen Minderheitenpolitik.
„Verbrechen lassen sich nicht mit neuerlichen Verbrechen auslöschen“, zumal wenn sie nur unterstellt werden, unterstrich wiederum Sozialminister Zoltán Balog in seiner Abschlussrede. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus Rache Gesetze verabschiedet, auf deren Grundlage Deutsche automatisch zu Kriegsverbrechern deklariert werden konnten. Balog betonte, wir müssen alle Opfer des Rassen- und Nationalitätenhasses sowie des Klassenkampfes als gemeinsam erlittene Verluste ansehen. Die Gedenkkultur in Europa sei bis heute in Ost und West abweichend, weil im Westen die Aufarbeitung der Geschehnisse nach 1945 einfach den Osteuropäern überlassen wurde.
Es ist schön, dass es einen solchen Gedenktag unter der Regierung Orban gibt. Meine Oma hat bis zum Schluß ihre Vertreibung nicht verkraften können. Die Heimat zu verlieren ist das Schlimmste was einem passieren kann. Dabei hat sie in Deutschland nie schlecht gelebt, wahrscheinlich besser als im Kommunismus. Noch schöner als so ein Gedenktag wäre es nur, wenn Deutsch als Amtssprache in einigen Regionen anerkannt werden würde. Ob Orban das noch durchkriegt ?
Hallo Frank: In den letzten Jahren lassen sich immer mehr Deutsche in Ungarn nieder, die Zahl wird mit Sicherheit zunehmen. Allerdings zieht es die meisten dieser Einwanderer in die großen Städte, deren Vororte und an den Balaton. Falls sich mehr in der „Schwäbischen Türkei“ um Pécs niederlassen würden, würde dies sicherlich die Bedeutung des Deutschen aufwerten.
Schwäbische Türkei wurde die Region genannt, weil die Vertreibung der Osmanen dort erst wenige Jahrzehnte zurücklag und dort viele südslawischen Siedler vom Balkan lebten, die im Gefolge der Osmanen eingewandert waren. Nach einem fast 200 Jahren andauernden Kriegszustand (Bauernaufstand von 1511, die Türkenkriege, Kurucenaufstand 1703-11) gab zu wenig Magyaren, um die entvölkerten Gebiete neu zu besiedeln, deshalb holte man Deutsche (Svábok in Unterscheidung zu den Osztrák=Österreicher).
Es sollen ja keine deutschen Ghettos entstehen, ich dachte mehr an so etwas wie die ungarischen Gemeinden in München, Stuttgart, Heidelberg, Passau, Frankfurt, Mainz usw..Die haben ihre eigenen Vereine, Pfadfindergruppen, Gottesdienste, Feiern, leben aber nicht in gesonderten Stadtteilen und Dörfern und praktizieren die Devise „Assimilation nein- Integration ja“. Wir leben dort als Ungarn, werden aber nicht als Fremdkörper wahrgenommen und behandelt. Eine solche Einwanderung würde von den Magyaren durchaus begrüßt werden.
Mit Mohács haben sie ein gutes Geschäft gemacht, die Gegend ist sehr schön.