Auch in Budapest ist der Winter endlich angekommen. Wegen der niedrigen Temperaturen sieht man nun überall Menschen, die versuchen, sich mit Mützen, Schals und Handschuhen warm zu halten. Es müssen aber nicht immer nur dunkle, einfarbige Exemplare sein. Besonders für Kinder und Junggebliebene eignen sich bunte und auffällige Strickwaren. Die Künstlerin Éva Otártics stellt sie in Handarbeit her.
Bunte Eulen mit großen Augen, gestreifte Monster oder rosa Hello Kitty-Figuren – das sind nur einige der vielen Muster, die Éva bislang bei ihren Schals und Mützen ausprobiert hat. Beigebracht hat sie sich das Häkeln vor gut 6 Jahren durch Anleitungen aus dem Internet. Nach der Geburt ihres ersten Kindes Jázmin hatte sie es aber für ein paar Jahre aufgegeben. Erst ein Schicksalsschlag brachte sie dazu, es wieder zu versuchen. Als im letzten Herbst ihre jüngere Tochter Róza bei einem Autounfall starb, musste sie sich irgendwie ablenken. „Häkeln tröstet mich, beschäftigt mich, es bringt mir Freude und lässt mich den anhaltenden Schmerz vergessen“, erzählt sie. Aber nicht nur das Häkeln hilft ihr – auch die Zeit mit Tochter Jázmin, die während des Unfalls mit im Auto saß, hilft ihr, die Trauer zu verarbeiten. Und seitdem häkelt sie fast jeden Tag. Meistens arbeitet sie an mehreren Projekten gleichzeitig. Dabei lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf. Sei es ein neues Muster oder gar eine neue Technik. „Oft zerpflücke ich es, fange wieder von vorne an. Das dauert seine Zeit.“ Dafür ist sie dann beim zweiten Mal schneller; manchmal dauert ein Projekt dann nur wenige Stunden.
Welches ihr liebstes Stück ist, kann sie nicht genau sagen. „Das Neueste ist eigentlich immer direkt das Lieblingsstück“, verrät sie mit einem Zwinkern. Sie selbst trägt ihre Kreationen natürlich auch. Évas Favorit ist eine Schalmützenkombination in schwarz und beige. Das kommt auch auf Budapests Straßen gut an. Ihre Kollektionen sind vielseitig – von Taschen mit passenden Portemonnaies, Schlüsselanhängern und Sonnenbrillentaschen ist alles dabei. Anders als viele ihrer Produkte verkauft sie diese aber nicht; die Herstellung ist so aufwendig, dass sie hohe Summen für die Stücke verlangen müsste. Zu Beginn wollte sie überhaupt nichts verkaufen. Die Stunden und die Liebe zum Detail – „am liebsten würde ich nur an Bekannte und Freunde verkaufen“. Dank der großen Nachfrage hat sie sich schließlich aber doch entschlossen, einen Online-Shop einzurichten. Um erschwinglich zu bleiben, versucht sie sich preislich nicht allzu sehr von den großen Modeketten zu unterscheiden. Zu ihren größten Fans zählt ihre Familie. Obwohl sie nicht unbedingt die typischen Häkelträger sind, unterstützen sie sie nun sehr. „Sie tragen es nicht nur, weil sie mich kennen, sondern auch mit großer Freude. Das ist natürlich gute Werbung für mich“, erzählt die Modemacherin.
Selbst sind die Häkler
Zu jedem ihrer Einzelstücke packt Éva eine Anleitung mit Fotos auf ihre Webseite, damit andere es nachmachen können – falls sie es denn wollen. Aber natürlich kann man die Stücke auch direkt kaufen. Die Anleitungen sind besonders für Menschen wie sie: Mütter, die gerne kreativ arbeiten würden, aber vielleicht keine Ideen haben oder die nicht wissen, wie sie diese praktisch umsetzen sollen. Sie selbst vermisst seit Langem gute Anleitungen mit Details und Fotos in ungarischer Sprache. „Ich muss mir sogar Anleitungen in Russisch, Italienisch oder Japanisch anschauen, obwohl ich keine dieser Sprachen spreche“, meint sie. Auch deswegen war sie es irgendwann leid, danach zu suchen. „Jetzt schreibe ich sie selbst und bin sehr überrascht, wie populär meine Seite schon in der ersten Woche wurde.“ Denn die Nachfrage scheint offensichtlich groß zu sein. „Meine Posts füllen nicht nur eine Lücke in Ungarn. Wenn ich meine Statistiken ansehe, ist es ersichtlich, dass es überall auf der Welt ungarisch sprechende Menschen gibt, die gerne häkeln. Jeder kann häkeln – und das Internet hilft dabei enorm“, erzählt sie. Aus der Mode gekommen ist Häkeln definitiv nicht. „Aber es benötigt Geduld, Ausdauer und Vorstellungskraft.“
Auf der Webseite gibt es neben den Häkelwaren aber noch mehr zu entdecken. Évas neueste Leidenschaft ist das Verzieren von Torten. Mit Hilfe von Fondant, einer süßen Zuckermasse, und Icing, also dem Glasieren, lassen sich aufsehenerregende Backwaren zaubern. Ebenso wie ihre Schals und Mützen sind auch ihre Kuchen Einzelstücke. Éva bleibt auch hier kreativ. „Am liebsten probiere ich nach jedem Rezept ein neues aus und teile es mit meinen Lesern“, sagt sie. Besonders in Zeiten von Glutenunverträglichkeit und vegetarischen oder veganen Ernährungsweisen eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Angelegenheit. Aber auch das reicht Éva noch nicht: Sie stickt und näht, arbeitet mit Decopatch, Perlen, Muscheln, malt auf Glas und arbeitet mit Papier. „Neue Techniken schrecken mich nicht ab, sie motivieren mich, vielseitig zu bleiben.“ Daneben gibt sie auch Tipps, wie man Kinder an die handwerklich anspruchsvollen Hobbys heranführen kann. „Ich beteilige Jázmin mehr und mehr bei meinen kreativen Prozessen und veröffentliche meine Erfahrungen in meinem Blog. So können Interessierte sehen, wie die Jüngsten sinnvoll unterstützt werden und selbstständig arbeiten können.“ Für die Zukunft ihrer Webseite hat sie Einiges im kreativen Hinterkopf. „Mit dem Frühling kommt auch Ostern. Da in den wärmeren Jahreszeiten der Bedarf an Mützen und Schals eher gering ist, will ich mich dann eher auf Osterdekorationen konzentrieren – aber auch weiterhin Kuchen backen.“ Selbst Piñatas stehen auf ihrer Todo- Liste. Éva ist von diesen bunten, mit Süßigkeiten gefüllten Kunstwerken fasziniert. „Es macht großen Spaß, mit geschlossenen Augen auf sie einzuschlagen, bis die kleinen Süßigkeiten herausfallen. Und es sieht großartig aus.“ Daher will sie Piñatas auch auf ihrer Webseite verkaufen. Und zum nächsten Winter dann natürlich wieder gehäkelte Schals und Mützen.
Wenn Sie neugierig geworden sind, können Sie hier einen Blick auf die Webseite werfen: www.kreativeshobby.hu/