Die chinesische Prinzessin Turandot ist wohl eine der komplexeren Frauenfiguren der Operngeschichte: Jeden Bewerber, der um ihre Hand anhält, stellt sie vor drei Rätsel. Lösen die Männer diese nicht, lässt sie sie köpfen. Puccinis Oper spielt mit Oberflächlichkeit: Schönheit trifft auf Grausamkeit. Rachegeschichte, Emanzipation oder beides – Puccinis letztes Werk bleibt ein Rätsel.
Während Turandot den Prinzen von Persien als nächsten gescheiterten Freier hinrichten lassen will, gerät der Tatarenprinz Kalaf in der Masse der Zuschauer in den Bann der Prinzessin. Auch sein verschollen geglaubter Vater und dessen Sklavin Liu können ihn nicht von der Grausamkeit Turandots überzeugen. Mit einem Rätsel will er die Prinzessin von seiner Liebe überzeugen. Die wiederum lässt ihre Bewerber töten, weil sie die Zwangsheirat ihrer Ahnin Lo-uling und deren anschließenden Suizid rächen will. Nessun dorma – Keiner schlafe, singt Prinz Kalaf um die Liebe Turandots. Puccini schuf damit einer der berühmtesten Arien der Operngeschichte. Noch vor ihrer Fertigstellung verstarb er. Der Komponist Franco Alfano vollendete schließlich 1926 die Oper auf Grundlage von Fragmenten – nur zwei Jahre nach Puccinis Tod. Die Musik ist sowohl von orientalischen als auch von asiatischen Einflüssen geprägt. So inspirierte beispielsweise eine chinesische Spieldose den Komponisten zum musikalischen Leitmotiv der Oper, dem „Kaiser-Hymnus“. Turandot – auch wenn das Werk mit seinem erbaulichen Finale eher untypisch für Puccini ist – gehört zu einem der wichtigsten Werke aus dem Vermächtnis des Italieners.
Wenig Spielraum für Experimente
Für Opernhäuser stellt die Inszenierung von „Turandot“ jedoch oft ein Risiko dar: Denn setzt man die Erzählung halbherzig auf einer wackelig zusammengeschusterten Bühne um, verkommt das wegweisende Werk zu einem Reinfall. Wie auch Verdis „Aida“ erfordert „Turandot“ ein opulentes Bühnenbild mit einem Chor und einer Sopranistin in der Hauptrolle, die die notwendigen Graustufen zwischen Gewalt, Trauer und Liebe zulässt. Opern wie „Tosca“ oder „Madame Butterfly“ haben im Vergleich dazu einen geradezu riesigen Spielraum für künstlerische Kompromisse und experimentelle Regieeinfälle. Wer bei der Inszenierung von „Turandot“ aber auch nur ein bisschen zu weit von den traditionellen Erzählweisen aus „Tausendundeine Nacht“ und den Übertragungen in das chinesische Kaiserreich abweicht, riskiert, ins Lächerliche abzudriften. Dies bewies nicht zuletzt die Staatsoper von Nordirland mit ihrer modernisierten Fassung, die unter Kritikern als schlechteste Operninszenierung des Jahres 2015 gilt. Die Ungarische Staatsoper hingegen hat mit der soliden Inszenierung von Regisseur Balázs Kovalik alle Klippen umschifft. Um die Vorführungen langfristig abzusichern, wurden die Rollen doppelt besetzt. In der Hauptrolle sind die Sopranistinnen Szilvia Rálik und Jee Hye Han zu sehen. Kamen Chanev und Attila B. Kiss spielen den Tatarenprinzen Kalif, während Zita Varádi und Gabriella Létay Kiss als Sklavenmädchen Liu überzeugen.
Oper in drei Akten in italienischer Sprache mit ungarischen Untertiteln
Ungarische Staatsoper, Erkel Theater
Budapest, VIII. Bezirk, János Pál Pápa tér 30
Aufführungen am 17.01., 22.01., 24.01., 30.01., 04.02. und 06.02.
Tickets und weitere Informationen unter www.opera.hu und www.jegymester.hu/eng