Dieser Tage wurde das ungarische Grundgesetz vier Jahre alt, doch bereits die sechste Änderung ist derzeit von der Regierung in Planung. Im Gegensatz zum Entstehungsprozess des Grundgesetzes will die national-konservative Fidesz-KDNP-Koalition nun die oppositionellen Fraktionen in den Prozess einbeziehen.
Die Regierung möchte die Aufnahme einer Terrorgefahrenlage als eigenständigen Sachverhalt ins Grundgesetz erwirken. Verteidigungsminister István Simicskó hatte zu einer Konsultation von fünf Parlamentsparteien in der Frage eingeladen. Die neu entdeckte Kompromissbereitschaft kommt jedoch nicht von ungefähr, schließlich ist für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Diese verlor der Fidesz jedoch im letzten Jahr und scheiterte seitdem auch schon mit einem Änderungsantrag.
Staatspräsident soll Missbrauch verhindern
Die Regierung plant eine Verfassungsänderung, teilte der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende des Fidesz, Gergely Gulyás, nach den Beratungen der Parteien am Dienstagnachmittag mit.
Im Falle einer Terrorbedrohung könnte die Anwendung einzelner Gesetze mittels Regierungsverordnungen vorübergehend, für höchstens 60 Tage, außer Kraft gesetzt werden. Gulyás sprach weiter davon, dass der Änderungsvorschlag zwar schon jetzt im Grundgesetz zu finden, allerdings nur auf Gefahrensituationen beschränkt sei. Die Sicherheit gegen Missbrauch soll eine ständige Kontrolle durch den Staatspräsidenten und den Ständigen Ausschuss des Parlaments gewährleisten. Aufgaben der inneren Sicherheit würden neben der Polizei auch von der Armee wahrgenommen.
Neben den Regierungsparteien Fidesz und KDNP waren die Oppositionsparteien Jobbik und die grüne „Politik kann anders sein“ (LMP) der Einladung gefolgt, die von der sozialistischen MSZP ausgeschlagen wurde. (Die im Parlament vertretenen Linksparteien DK, Gemeinsam, PM und die Liberalen besitzen keinen Fraktionsstatus.) Die Jobbik unterstützt die Verfassungsänderung generell, nachdem sie bereits im vorigen Sommer für den Einsatz der Armee gegen den Flüchtlingsstrom plädierte. Vize-Vorsitzender der Jobbik, Előd Novák, sprach im Anschluss an die Konsultation davon, seine Partei stehe dem Vorschlag offen gegenüber, würde aber im Laufe der kommenden Woche ihren Standpunkt dazu genauer überdenken.
Die LMP ist offen für weitere Verhandlungen, jedoch gegen Sonderrechte der Regierung ohne Bevollmächtigung durch das Parlament. Die MSZP teilte derweil mit, dem Parlament einen eigenen Vorschlag zur Regelung von Terrorgefahrenlagen vorlegen zu wollen. Die Bürger des Landes bräuchten mehr Sicherheit, mehr Kompetenz und mehr parlamentarische Kontrolle, sind die Sozialisten überzeugt.
Neue Richter gesucht
Die neu entdeckte Verhandlungsbereitschaft des Fidesz wird wohl noch in einer weiteren Frage auf die Probe gestellt werden. Das Nachrichtenportal index.hu berichtete, dass bereits seit Wochen Verhandlungen über die Neubesetzung des Verfassungsgerichts zwischen den Parteien laufen, da drei der höchsten Richter in diesem Jahr ihr Mandat beenden. Hinzu kommt, dass der Sitz des einstigen Richters Péter Paczolay seit nunmehr fast einem Jahr vakant ist. Es wird nun vom Verhandlungsgeschick der oppositionellen Parteien abhängen, wer seinen Wunschkandidaten platzieren kann.