Fuhr man bisher mit dem Auto zur OBO Bettermann-Fabrik im Budapester Vorort Bugyi, musste man aufpassen, den Abzweig von der Landstraße nicht zu verpassen. Eine dichte Hecke aus Bäumen und Büschen gab den Blick auf die Zufahrt zur Fabrik erst im letzten Augenblick frei. Diese Sichtblende gibt es inzwischen nicht mehr. Da das Firmengelände kürzlich in Richtung Straße gewachsen ist, fällt der Blick jetzt hier stattdessen auf eine große Baustelle.
Auf einem fünf Hektar großen Gelände zwischen dem ursprünglichen, 20 Hektar großen Firmengelände und der Landstraße entsteht seit letztem September das sogenannte OBO Forum. In dem bis zum Sommer fertiggestellten Gebäudekomplex wird neben dem OBO Campus auch die Zentrale für Internationales der Firmen-Gruppe unterkommen. Darüber hinaus wird auch das danebengelegene Hauptportal der Firma deutlich vergrößert und modernisiert. Außerdem entsteht zwischen Fabriktor und Forum ein repräsentativer Parkplatz.
Tausend-Mitarbeiter-Grenze überschritten
Dass die Zentrale für Internationales ihren Sitz bald in Ungarn haben wird, hat nicht nur etwas mit der hohen Wertschätzung von Firmeninhaber Ulrich Bettermann für das Land zu tun – „Ungarn ist meine zweite Heimat“ –, sondern vor allem etwas mit der gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung der ungarischen Tochter innerhalb der OBO Bettermann-Gruppe: die OBO Bettermann Hungary Kft., die im letzten Jahr die Tausend-Mitarbeiter-Grenze überschritten hat, ist inzwischen für etwa die Hälfte des Gruppen-Produktionsvolumens verantwortlich. In der neuen Zentrale werden bald 20 bis 30 zusätzliche Mitarbeiter tätig sein.
Nur logisch, dass wegen der überragenden Bedeutung von Ungarn für die Gruppe jetzt auch die Weiterbildungsaktivitäten von OBO Bettermann in Bugyi gebündelt werden. „Den OBO Campus werden wir sowohl für die Schulung von Mitarbeitern als auch von externen Fachleuten nutzen“, erklärt Ungarn-Geschäftsführer Lajos Hernádi. Es wird hier unter anderem einen Hörsaal und eine Bildungswerkstatt geben. In einem Gebäudeteil werden, in Inseln gruppiert die sieben Produktgruppen des Elektro- und Gebäudeinstallationstechnikherstellers präsentiert. Sie werden im Campus aber nicht nur ausgestellt, sondern können hier auch ausprobiert werden. Außerdem werden hier auch die entsprechenden Montageprozesse vorgestellt.
Erweiterung der Produktionsfläche
„Bisher haben wir bei größeren Veranstaltungen immer ein Platzproblem. Oft müssen wir auf externe Räumlichkeiten ausweichen“, beschreibt Hernádi den in wenigen Monaten der Vergangenheit angehörenden derzeitigen Zustand. Auch die Produktionshallen bieten diesbezüglich keine Lösung mehr. Während noch vor zweieinhalb Jahren in einer der Hallen die riesige Party zum 20. Firmenjubiläum mit hunderten von Gästen – darunter auch der ehemalige Bundesaußenminister und langjährige Bettermann-Freund Hans-Dietrich Genscher – stattfinden konnte, ist durch ein stetiges Wachstum inzwischen keinerlei Produktions- oder Lagerfläche mehr für alternative Nutzungen vorhanden.
Ja, nicht einmal mehr für weitere Maschinen. Deswegen wird parallel zum OBO Forum auch eine weitere Produktionshalle entstehen. Der erste Spatenstich soll noch in diesem Monat erfolgen, die Fertigstellung ist – ebenso wie beim OBO Forum – für diesen Juni vorgesehen. Eine mögliche Eröffnungsparty in diesem Sommer hätte also nicht nur genug Räumlichkeiten zur Verfügung, sondern auch zwei gewichtige Gründe.
Eine Investition von 20 Millionen Euro
Beide Investitionen werden die Firma, einschließlich der in die neue, 10.000 qm große Halle kommenden Maschinen rund 20 Millionen Euro kosten. Statt wie bisher nur alleinstehende Maschinen wird es in der neuen Halle sogenannte integrierte Fertigungsinseln geben, die aus mehreren Maschinen bestehen. In ihnen werden alle Produktionsprozesse bei der Fertigung von Kunststoffprodukten gebündelt, vom Spritzguss aus Granulat bis hin zu den fertigmontierten und versandfertig verpackten Endprodukten. Zusätzlich zu den neuen Arbeitsplätzen in der internationalen Zentrale werden dadurch im Laufe des Jahres noch einmal weitere 70-80 hinzukommen. Die Gesamtmitarbeiterzahl wird sich in diesem Jahr also von knapp über Tausend auf etwa 1.100 Mitarbeiter erhöhen.
Für die enorme Entwicklung ist in erster Linie das dynamische Wachstum der Bauwirtschaft auf den wichtigsten Märkten von OBO Bettermann, insbesondere in Deutschland und Asien verantwortlich. Aus verschiedenen Gründen kann OBO Bettermann von dieser günstigen Situation sogar stärker profitieren als die Konkurrenz. Auch in Ungarn sei die Nachfragesituation „hervorragend“, so Hernádi. Das Arbeitskräfteangebot sei für eine weitere Verwirklichung des dynamischen Wachstums noch immer ausreichend. Die Fluktuation bewege sich im Rahmen. Während es bei Ingenieuren und Betriebswirten kaum Probleme gebe, bereiten Hernádi lediglich seine geringer qualifizierten Mitarbeiter – etwa 200 an der Zahl – gewisse Sorgen.
Mit neuen Mitteln gegen die Fluktuation
„Während es in anderen Mitarbeiter-Segmenten nur eine geringe Fluktuation gibt, haben wir hier eine Fluktuation von etwa 30 Prozent. Dagegen müssen wir etwas tun“, so Hernádi. Und seine Firma tut bereits kräftig etwas dagegen. Neben eher konventionellen Methoden, so etwa über der Inflationsrate liegende Lohnerhöhungen, geht seine Firma jetzt auch einen komplett neuen Weg. So versucht sie über eigens zu diesem Zweck errichtete, der Firma gehörende Sozialwohnungen die Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Da es im näheren Umfeld der Fabrik inzwischen sehr schwierig geworden ist, Arbeitskräfte zu finden, hat die Firma ihren Suchradius inzwischen bis nach Südungarn ausgedehnt. Nach einer erfolgreich bestandenen Probezeit von sechs Monaten, winkt den neuen Mitarbeitern, dann neben einer festen Anstellung unter Umständen auch eine Werkswohnung.
Insbesondere bei höherqualifizierten Mitarbeitern sei das Thema „Abwanderung nach Westen“ praktisch nicht vorhanden. So habe die Firma im vergangenen Jahr zwar zwei Mitarbeiter auf diese Weise verloren, im gleichen Zeitraum aber auch zwei „Rückkehrer“ wiedergewinnen können. Beide hätten sich im Westen nicht mehr wohlgefühlt. „Wenn ein gewisses Mindestniveau in Sachen Lohn und Infrastruktur gegeben ist, und das ist bei uns vorhanden, dann stellt die „Abwanderung nach Westen“ keine große Bedrohung dar“, so Hernádi. Während er diesbezüglich etwa das Schulwesen als akzeptabel empfindet, betrachtet er die Situation im Gesundheitswesen inzwischen eher als grenzwertig. „Hier muss dringend etwas getan werden“, appelliert er an die Adresse der Regierung.