Die Regierung bestätigte schriftlich, dass sie bis ins Mark verdorben und auch noch stolz darauf ist. Sie habe mit Norwegen einen geschmacklosen Deal geschlossen und damit eingestanden, mit diktatorischen Mitteln zu regieren. Obendrein erhalte sie damit ein weiteres Mittel im Kampf gegen die Demokratie.
Wenn jemand von weither versucht, Ungarns Regierungsweise zu verstehen, reicht es völlig aus, ihm die Geschichte des Feldzugs gegen die „Norweger Zivilisten“ zu erzählen.
Die Rahmengeschichte ist bekannt: Norwegen, Island und Liechtenstein sind nicht Mitglieder der EU, genießen aber dennoch die Vorteile der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und verteilen als Kompensation viel Geld unter den Mitgliedsstaaten. Bei uns wird der Großteil dessen über die ungarische Regierung verteilt und nur ein kleiner Teil über Zivilorganisationen. Anfang 2014 gestaltete die Regierung das Verteilungssystem ohne Absprache, seinen Bedürfnissen entsprechend einfach um. Bei uns ist das schon nichts Besonderes, aber die Norweger waren so etwas nicht gewohnt. Die Regierung startete als Antwort auf ihre Einwände einen Rachefeldzug: Sie verbreiteten verschiedene, untereinander widersprüchliche Verschwörungstheorien über die Zivilorganisationen, die den kleineren Teil der norwegischen Gelder verwalten.
János Lázár behauptete erst, dass sie unter dem Einfluss der LMP stehen, dann, dass sie „regierungsfeindliche“ linke Organisationen auf verdächtige Weise fördern. Viktor Orbán sprach von internationalen Agenten, Nándor Csepreghy von Unterschlagung und organisiertem Betrug. Die regierungsunterstützende Presse bemühte sich, ihre Namen auf jede erdenkliche Weise zu beschmutzen. Das Regierungskontrollamt (Kehi) verbreitete monatelang die Artikel der Hír TV und der Magyar Nemzet über die Norwegen-Angelegenheit auf seiner Homepage und machte dabei locker von Untertiteln wie „LMP Kritiker und Homo-Lobby im Visier“ gebrauch.
Jedoch weitaus vielsagender als die vielen irrwitzigen Behauptungen, ist die Art und Weise, wie sich diverse Behörden auf den Feind stürzten. Das zeigt nämlich wirklich, wie labil die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn eigentlich ist. Den Betroffenen hetzten sie das Regierungskontrollamt (Kehi) und die Steuerbehörde (NAV) auf den Hals, Steuernummern wurden derogiert, die Staatsfahnder (NNI) führten bei Ökotárs (der zivile Verteiler der Gelder – Anm.) eine Hausdurchsuchung durch und bei mehreren Stiftungsleitern stand die Polizei vor der Tür. Nach einem Jahr stellte sich heraus: Die Hetzkampagne war ausschließlich auf Lügen aufgebaut. Im Januar dieses Jahres verkündete das Gericht, dass die Hausdurchsuchungen im Herbst rechtswidrig waren, im Mai durchleuchtete ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer, vom norwegischen Staat beauftragt, die Arbeitsweise der ungarischen Finanzverwaltung und befand sie für regelgerecht und im Juni behauptete der Sprecher der Staatsanwaltschaft, basierend auf den Untersuchungen der Anklagebehörde, dass „Vorkehrungen der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht notwendig gewesen waren“. Sämtliche Verfahren wurden urteilsfrei eingestellt, inzwischen erhielten die Betroffenen sogar ihre Steuernummern zurück. János Lázár verkündete daraufhin kürzlich, dass es nichts gibt, wofür er sich entschuldigen müsste.
In gewisser Hinsicht hat er Recht, schließlich ist das der gewohnte Ablauf, nichts Besonderes. Im Ausland brachten sie das Land in Verruf, schürten Hass innerhalb der Gesellschaft, zerstörten oder unterbrachen unzählige nützliche Initiativen und bescherten den Steuerzahlern riesige finanzielle Verluste (…) Man kann das auch durchaus in Forint erläutern: Laut aktuellem Standpunkt gehen uns circa 15 Milliarden Forint drauf, weil die Norweger die Förderungen während der Streitereien eingestellt hatten. Sollen wir das in Atmungsgeräte umrechnen? Oder es an den Beträgen messen, die für die Verpflegung der Flüchtlinge aufgewendet wurden? Oder sagen wir einfach, dass man aus diesem Geld die komplette ungarische Zeitschriftenkultur, die gerade am Verbluten ist, 15 Jahre lang am Leben erhalten könnte? Ach ja, das wäre sicher Volksverhetzung.
Laut der 444.hu, die die geheime Vereinbarung zwischen Norwegen und der ungarischen Regierung offenlegte, hat jetzt „die ungarische Regierung eine schriftliche Garantie dafür gegeben, dass den von den Norwegern unterstützten Zivilisten kein Schaden mehr zugefügt wird“. Damit gaben sie zu, dass dies von der Regierung abhängt. Sie gaben schriftlich, was sowieso schon alle wussten: Dass das Kehi, die Steuerbehörde und die Polizei nach politischen Anweisungen für oder gegen jemanden arbeitet.
Die Regierung reagierte auf den Artikel. Aber glauben Sie, dass sie all das bestritten haben? Keineswegs. Sie bemühten sich schlichtweg schnellstens bekannt zu machen, dass sie nicht nach der Pfeife der Norweger tanzen, sondern einen guten Kompromiss geschlossen haben. Sie versuchten erst gar nicht zu beweisen, dass Ungarn ein Rechtsstaat ist, sondern protzten damit, der Demokratie einen weiteren Hieb versetzt zu haben.
„Die ungarische Regierung möchte mit Sicherheit mehr Mitsprache in der Verteilung der NCTA-Gelder, damit würden allerdings laut den operativen Zuständigen die restlichen unabhängigen Geldmittel, die den Zivilorganisationen zugänglich sind, in Gefahr geraten.“ So hieß es noch im Februar. Jetzt ist Folgendes eingetreten: Laut siegreicher Verkündung der Regierung „stimmte die norwegische Regierung zu, dass die ungarische Regierung im nächsten Finanzzyklus 2014-2020 ein Vetorecht bei der Auswahl der ungarischen Kontrollorganisation für die Verteilung der Zivilgelder bekommt.“. Innerhalb eineinhalb Jahren, demütigten sie die staatlichen Organisationen, verursachten riesige Schäden und erkämpften sich, dass auch diese Gelder nicht ohne ihre Mitsprache verteilt werden können. Ja, sie haben tatsächlich solche Angst.
Der hier in Auszügen erschienene Text erschien Ende Dezember auf der Meinungsseite des linksliberalen Nachrichtenmagazins Magyar Narancs.
Aus dem Ungarischen
von Laura Páll