Ungarische Männer sind in vielen Dingen Herren der Alten Schule. Hier wird den Damen noch die Tür aufgehalten und auch die in Deutschland in Ungnade gefallene Anrede des „Fräuleins“ ist hier noch gebräuchlich. Aber das Frauenbild, welches Parlamentspräsident László Kövér und Musiker Ákos zum Ende des vergangenen Jahres offenbarten, sorgte für eine Protestwelle in der Bevölkerung und dem Ende eines Sponsoringvertrags.
Zur Erinnerung: Auf dem Fidesz-Parteitag hielt Parlamentspräsident und Fidesz-Präsidiumsmitglied László Kövér wie üblich eine Rede. Normalerweise geht es bei solchen Anlässen vor allem darum, die parteiinterne Einheit zu beschwören, Positionen neu oder erneut zu besetzen und sich selbst zum vergangenen Regierungsjahr zu beglückwünschen. Dass Kövérs Rede außerhalb der regierungsnahen Medien doch Beachtung fand, liegt wohl vor allem an einem Satz: „Ich würde mir wünschen, dass unsere Mädchen es als die höchste Form der Selbstverwirklichung empfinden, uns Enkel zu gebären.“
Ungeahnte Resonanz
Parlamentspräsident Kövér ist mit seiner anachronistischen Haltung jedoch keineswegs allein. Auch der Musiker Ákos ließ sich in einem Interview mit dem regierungsnahen Echo TV über die Stellung der Frauen in der heutigen ungarischen Gesellschaft aus. So sei die Gleichstellung zwischen Mann und Frau heute nicht gleichbedeutend mit Normalität. Der Sänger glaubt auch nicht an die Emanzipation, schließlich gäbe es Dinge, die einfach nicht „Frauensache“ sind, wie zum Beispiel Gewichte heben – oder eben ebensoviel zu verdienen wie ein Mann. Vielmehr sollten Frauen „das weibliche Prinzip erfüllen“ und „zu jemandem gehören“, schließlich fände sich ja auch im Buch Mose keinerlei Hinweis darauf, dass „Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren müssen“.
Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich daraufhin im sozialen Netzwerk Facebook die spöttischen bis hochgradig erbosten Kommentare. Schnell gründete sich auch eine Gruppe, die negative Schwangerschaftstests an Kövér sandte, Leitspruch der Damen „Keine Geburten vor einem Regierungswechsel!“ Doch auch für sie fand der Vorsitzende des Hohen Hauses markige Worte: „Wenn die Mütter der Damen mit solchen Unfug beschäftigt gewesen wären, statt sie mit Freude und Hingabe zu erziehen, wären sie heute gar nicht da, um negative Tests zu schicken.“
Ironieresistentes Management
Ebenfalls online fing auch Musikus Ákos einiges an Kritik ein. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung seines Interviews und den dazugehörigen Pressereaktionen riefen erste, vor allem weibliche Fans zum Boykott auf der Facebook-Seite des Konzerts auf. Den wohl zweifelsfrei witzigsten Kommentar gab eine Userin, die danach fragte, ob es auf dem Konzert die Möglichkeit gäbe, sich schwängern zu lassen, oder wenn schon das nicht, dann wenigstens eine Ecke, um etwas Deftiges zu kochen.
Dass Ákos´ Management absolut Ironieresistent ist, wird deutlich, wenn man sich die Geschehnisse der darauffolgenden Tage ansieht. Während die kritischen, witzigen und zum Teil auch beleidigenden Kommentare auf Facebook seitens Ákos´ Mitarbeitern umgehend gelöscht wurden, echauffierten sich später selbst hochrangige Politiker über die Beschneidung der Meinungsfreiheit, nachdem die Magyar Telekom den Sponsoringvertrag für das Weihnachtskonzert des Musikers gekündigt hatte. Die Begründung: Die Meinung des Musikers spiegele nicht die Haltung des Unternehmens wider.
Lázár warf Telekom „Meinungsdiktatur“ vor
Während die Geschichte bis hierhin – zumindest zwischen Ákos und der Telekom – eine rein privatrechtliche Angelegenheit war, fühlten sich hochrangige Regierungsmitglieder plötzlich zum Schutz der Meinungsfreiheit berufen. Als erstes meldete sich Kanzleramtschef János Lázár zu Wort. In für ihn selten zurückhaltender Art bezeichnete er das, „was sich die Telekom da erlaubt“ als „überraschend“. Demnach dürfte das Unternehmen den Musiker nicht für seine abweichende Meinung strafen. Er sprach gar von einer „Meinungsdiktatur“, schließlich müsste gerade ein deutsches Unternehmen wissen, was eine Diktatur ausmacht.
Der Fidesz-Abgeordnete Zsolt Tiffán sah sich ebenfalls genötigt, für den Parlamentspräsidenten und seinen Bruder im Geiste, Ákos, in die Bresche zu springen. In einem emotionsreichen Post sprach er von der „seelisch gestörten Medienlandschaft“ und vom guten Recht der zwei aufrechten Herren, ihre Meinung durch „seit Jahrtausenden bestehende Gesetze“ zu legitimieren. Mehr noch, heute werde in Ungarn darüber diskutiert, ob Frauen Kinder kriegen sollten, demnächst würde dann darüber debattiert, wer gebärt: „Józsi oder Béla?“
Doch die Regierung beließ es nicht nur beim im ungarischen sprichwörtlichen „Mundkarate“. Umgehend nach der Kündigung des Sponsorvertrages kündigte Minister Antal Rogán an, sämtliche Verträge der Ministerien und Hintergrundinstitutionen mit der Magyar Telekom zu kündigen, da die Firma die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit verletzt hätte. Mit dem „symbolischen Schritt“ der Vertragskündigung wolle die Regierung deutlich machen, dass man nicht mit der Verletzung des Grundgesetzes durch die Telekom übereinstimme. Von Hause aus Wirtschaftswissenschaftler hätte dem Minister jedoch klar sein müssen, dass ein Sponsoringvertrag eine rein privatrechtliche Sache ist und das Grundgesetz einzig den Staat und seine Bürger betrifft.
Nur wenige Stunden später sprach der Staatssekretär des HR-Ministeriums Bence Rétvári jedoch davon, die Kündigung der Verträge für mobiles Netz (denn nur diese waren letztlich tatsächlich kündbar und ohnehin kurz vor dem Auslaufen) hänge nicht mit der Causa Ákos zusammen. Vielmehr ginge es generell um den Schutz der Meinungsfreiheit. Rétvári sprach im linksliberalen TV-Sender ATV weiter davon, dass „wenn die Liberalen die konservativ gesinnten Menschen in Frieden lassen würden“, es auch diese künstlich aufgeblähten Diskussionen nicht gäbe.
Widerstand im Fidesz
Überraschenderweise gab es jedoch selbst aus den Reihen des Fidesz kritische Töne zu László Kövérs Rede. Sowohl die für Familienangelegenheiten zuständige Staatssekretärin Katalin Novák als auch die Vize-Vorsitzende des Fidesz, Ildikó Gáll Pelczné widersprachen dem Parlamentspräsidenten offen.
Katalin Novák sprach gegenüber dem Nachrichtenportal Origo davon, Arbeit und Muttersein schließen sich heute nicht mehr aus und jeder Frau obliege es, selbst zu entscheiden, ob sie Kinder möchte. Dies ist eine „absolut private Angelegenheit“.
Ildikó Gáll Pelczné fand gar noch deutlichere Worte: „Ich möchte nicht, dass irgendjemand Frauen vorschreibt, wann sie Kinder zu gebären haben. Das wollte ich auch für mich selbst nicht.“ Die dreifache Mutter und stolze Großmutter bezeichnete ihre Kinder als ihren größten Erfolg, verwahrte sich aber dagegen, „dass andere für uns entscheiden“.
Es mag ja sein, dass die Männer der alten Schule nicht Jedem gefallen und die Osteuropäer archaischer sind als die Männer in aufgeklärten Weltteilen. Wenn ich mir allerdings die Kommentare zu den Vorfällen in Köln usw. anhöre bzw. ansehe, so ist der weichgespülte, tolerante, immer zum Zuhören bereite moderne Mann wohl nicht in JEDER Situation der passende Begleiter.