Heiligabend rückt näher und sicher wird auch in diesem Jahr das ein oder andere Schmuckstück unterm Weihnachtsbaum landen. Dabei denken die meisten an jene aus Edelmetall geprägten Accessoires, die sich mehr oder weniger unauffällig in unser Erscheinungsbild einfügen. Was wenn aber der Schmuck selbst zum Hauptakteur und Bedeutungsträger wird? Die ungarische Designerin Réka Lőrincz hat den schmalen Grat zwischen Schmuck und Objektkunst zu ihrer Nische gemacht.
Réka Lőrincz macht nicht einfach nur Schmuck der schön aussieht. Das können viele. Massenproduktion? Erst recht nicht. Réka Lőrincz schafft „Autorenschmuck“. Da wird sich manch einer sicherlich fragen: „Was bitte ist Autorenschmuck?“ Dieser Begriff bezeichnet Kunstgegenstände, die in der Form von Ketten, Ohrringen, Broschen, Manschettenknöpfen et cetera am Körper getragen werden können. Dabei wird die herkömmliche Definition des Begriffes „Schmuck“ in Hinsicht auf Materialien, Abmessungen, Motive oder Praktikabilität weit gedehnt. Wer Autorenschmuck trägt, braucht eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, läuft dafür aber nie Gefahr, mangelnder Originalität beschuldigt zu werden. Denn oft handelt es sich bei den Stücken um Unikate, die nicht nur die unverkennbare Handschrift ihres Schöpfers tragen, sondern meisten noch eine gesellschaftskritische Aussage beinhalten.
Konsumkritik, die vom Hals baumelt
Auch Réka Lőrincz kommuniziert durch ihre Schmuckobjekte. Die 1978 in Budapest geborene Künstlerin gehört zu den Galionsfiguren der jungen ungarischen Autorenschmuckszene. In ihrer Arbeit versucht sie nicht nur ihrem Inneren Dialog Ausdruck zu verleihen, sondern auch die äußere Welt, wie sie sie wahrnimmt, zu interpretieren. Diese Kommunikation kann teils schrille Formen annehmen, wie beispielsweise die Serie „Hip-Hop Opera“ zeigt: Hier treffen zierliche Goldohrstecker, Perlen und Edelsteine auf unförmige Tropfen aus Kinderknete. Eine elegante Ringfassung ist gekrönt von etwas, das wie ein vergessener toxisch-blauer Kaugummi aussieht, der wiederum mit Glitzersteinen bestückt wurde. Kurzum: Aristokratische Erbstücke aus Omas Schmuckkästchen treffen auf trashige Popkultur. Lőrincz versucht damit den Generationenkonflikt aufzuarbeiten, den man insbesondere als zeitgenössischer Künstler oft erlebt. „Mein Großvater versteht nicht was ich mache. Er findet meine Arbeit zwar irgendwie schön, aber er mag und versteht zeitgenössische Kunst nicht“, schildert Lőrincz ihre persönlichen Erfahrungen. Innerhalb der facettenreichen Palette gesellschaftlicher Fragen, scheint bei Lőrincz immer wieder eine gewisse Konsumkritik durch. Dies äußert sich nicht nur im bunten Materialmix, der Miniaturkehrschaufeln aus dem Puppenhaus, Swarowski-Kristalle, My little Pony-Figuren, Plastiksoldaten oder sogar echte Geldscheine beinhaltet, sondern auch an der konzeptuellen Aufbereitung. Ein Beispiel dafür ist die Schmuckserie „The Flowers of Evil“, in denen Lőrincz grazile Blumenketten aus alten zerschnittene Kreditkarten fertigt.
Doch für die meisten Objekte aus dem Schaffenskatalog der 37-jährigen Künstlerin gilt vor allem eins: Sie sind irgendwie schrill und witzig. Es macht Spaß, sie anzuschauen und ihre zahlreichen Details, die so viel Interpretationsspielraum eröffnen, zu entdecken. „Viele Menschen müssen erstmal unweigerlich lächeln, wenn sie meine Werke das erste Mal sehen“, gesteht Lőrincz, „Aber ich denke das ist gut so. Das Leben ist viel zu ernst und es braucht einfach ein paar lockere Momente.“ Ihre Inspiration holt sich die quirlige Künstlerin in der Stadt: „Ich bin keine Person, die sich an Ruhe und Stille labt, ich brauche die Stadt, ich brauche Menschen um mich herum.“ Manchmal kommen ihr neue Ideen sogar beim Einkaufen. Gerade in den sogenannten „Euro-Läden“, die vollgestopft sind mit billigem Plastikramsch aus China, wird Lőrincz, die sich eigentlich immer auf der Suche nach neuen Materialien befindet, oft fündig. Dazu greift die gelernte Goldschmiedin jedoch immer auch auf hochwertige Materialien wie Edelmetalle und –steine, Perlen und Kristalle zurück. Daher liegt bereits der Materialwert ihrer Werke meist sehr hoch.
Der Kontext macht die Kunst
Lőrincz versteht, dass ihre Schmuckstücke nicht für jeden etwas sind. „Aber das ist mir auch gar nicht wichtig, ich will keine Massenproduktion beginnen. Es gibt einige Sammler, die mehrere meiner Stücke kaufen und die auch den Mut haben, sie zu tragen“, schmunzelt Lőrincz, die auch im europäischen Ausland einige Bekanntheit erworben hat. In München und in Riga arbeitet die Künstlerin mit festen Galerien zusammen, die regelmäßige ihre Werke ausstellen und verkaufen. Insbesondere letzteres ist für das Renommee der Künstlerin enorm wichtig. „Um als Künstlerin im Schmuckbereich anerkannt zu werden, ist es wichtig, dass meine Stücke in diesem Umfeld erworben werden.“ Auch wenn Lőrincz persönlich ein großer Fan der zahlreichen Budapester Designgeschäfte und –märkte ist, denkt sie doch, dass ihre Werke nicht in deren Konzept passen würden. Sicherlich liegt hier der größte Unterschied zwischen Schmuck als Konsumprodukt und Kunstobjekten wie sie Lőrincz macht – es ist der Kontext, der zählt.
Man darf dabei natürlich auch nicht vergessen, dass Lőrincz‘ Objekte nicht das Ergebnis von Hobbyarbeit, sondern jahrelanger Erfahrung und eines gedanklichen Unterbaus sind, den die 37-jährige über Jahre hinweg entwickelt hat. Ihren Weg startete Lőrincz zunächst mit einer Ausbildung zur Goldschmiedin, die sie 1999 beendete. Bis 2004 studierte sie anschließend an der Moholy-Nagy-Universität für Kunsthandwerk und Gestaltung an der Fakultät für Produktdesign. Doch auch nach dieser Ausbildung war Lőrincz‘ Wissensdurst noch nicht gestillt. So begann sie 2010 eine Weiterbildung im Bereich der Angewandten Psychologie an der Semmelweis Universität in Budapest: „Ich denke, es ist sehr wichtig für einen Designer, sich auch mit den Fragen der Seele auseinanderzusetzen. Auch in meinen Werken beschäftige ich mich viel mit der Gesellschaft und unserem Innenleben, deshalb hat mich dieses Studium sehr gereizt.“ Heute unterrichtet Lőrincz im Bereich Textildesign an der Metropolitan Universität in Budapest. Neben den zahlreichen Schmuckstücken schafft die Künstlerin auch Objektkunst und Installationen. Weitere Informationen zu ihren Arbeiten finden Sie unter www.rekalorincz.com.
Katrin Holtz